"Schrauben in DER Länge und Stärke gibt es nicht! Was haben SIE denn vor? Au weia, DAS wird nicht klappen!", sagt Herr Schulz-bei-Scholz und runzelt die Stirn. Er schaut bestürzt auf Jules Zeichnung. Jule hilft mir beim Anmontieren eines Küchenschränkchens, in dem ich meinen Tee lagere, und das ist nicht einfach. Jule hat hintereinander aufgemalt, woraus die Wand besteht: Rigips, Luft, Stein.
"Was ist denn DAS für ein Haus?", fragt Herr Schulz-bei-Scholz, "doch hoffentlich kein ALTbau!"
"Genau, ein Altbau", gebe ich kleinlaut zu, und bin plötzlich einige Sekunden lang gar nicht mehr stolz auf meine Stadtschreiberwohnung am Maybachufer.
Immer, wenn ich in Berlin Handwerker befrage, hier den Mitarbeiter bei "Schrauben Scholz" in der Reichenberger, werde ich zunächst auf das handelsübliche Bittstellermaß zusammengestaucht. Und wie so oft scheine ich als Kundin grundsätzlich zu stören. Und überhaupt, was für unmögliche Anliegen immer! So, dass ich mich unterschwellig als der in Handwerksdingen unerfahrenste Weltenbürger fühle, der es je gewagt hat, seinen Fuß in die heiligen Hallen des Fachhandels zu setzen. Und ich bettele fast um eine Lösung: "Schauen Sie mal, vielleicht lässt sich das von der Zeichnung doch so umsetzen, dass es hält!"
Denn dass es diese oder jene Art Schrauben/Ersatzteile/Bauteile nicht fabrikmäßig geben soll, mag ich in keinem der Fälle glauben, in denen ich mit Menschen von Bau und Renovierung zu tun habe.
"Das wird nicht halten mit DER Luft dazwischen!", sagt Herr Schulz-bei-Scholz, wie er sich zwischendurch am Telefon meldet. "Haben SIE das so gebaut?" Der hagere Fachmann betont immer einzelne Worte ganz besonders. Sie hämmern mir fortgesetzt ein schlechtes Gewissen ein.
Nein, nicht eigenhändig gebaut, aber selbst in Auftrag gegeben. Die Küchenwand wäre sonst unerträglich kalt in der schlechten Jahreszeit, die in Berlin lange dauert, und bekannterweise sitzen nicht nur bei Parties die interessantesten Gäste am liebsten in der Küche.
"Da müssen sie das Rigips aufreißen, dahinter eine Verschalung machen, mit Holz verstärken, denn das Mauerwerk kann mal Stein, mal Bauschutt, mal sonst etwas sein, Berlin ist da besonders. SO kann ich keine Garantie geben, dass es hält! Au weia, DAS wird teuer!" und Herr Schulz-bei-Scholz schüttelt den Kopf ob so viel weiblicher Naivität.
Irgendwie habe ich immer noch das Gefühl, dass ich störe, aber das ergeht einem in vielen Berliner Läden so und mir ganz besonders bei allem, was irgendwie technisch angehaucht ist.
Ein anderer Kunde, der sich als Herr Jandl aus Österreich vorstellt, er kauft eben 100 Spezialschrauben zu 7,99 Euro, rät: "Sie könnten auch eine Trägerkonstruktion aus Metall von außen auf der Wand anbringen, dann verteilen sich die Lasten. Oder sie bringen eine Leiste an, die muss aber auf jeden Fall angeschrägt sein, und das Kasterl wird eingehängt. Sie müssen es aber noch unten fixieren, damit es sich nicht löst, wenn jemand aus Versehen dranstößt."
Und das Ganze nur für ein etwas größer geratenes Teeregal! Am Ende lässt sich der Fachmann vom Schraubenladen doch dazu herab, im Lager zu suchen. Und kommt nach elendig langen Minuten zurück. Er hat dicke Schrauben und Dübel in der gewünschten Länge dabei, nein: sie sind 12 statt 9 cm. Und größere Metallplättchen mit Loch in der Mitte, die von innen dagegen halten. Das war meine Idee, ja, da bin ich stolz, Herr Schulz. Denn die Löcher sind bereits gebohrt, das Mauerwerk hatte sich als unauffällig erwiesen.
Morgen kommt Jule wieder zum Frühstück. Dann wollen wir das Schränkchen aufhängen. Mal sehen, ob der Tee nicht zu schwer ist für die langen Schrauben.
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