Freitag, 29. Juni 2007

Urlaub von Neukölln

Die letzten Wochen war ich auf einem französischen Filmfestival und im Hochschulseminar. Daher: Urlaub von Neukölln.

Währenddessen steht in den Zeitungen, dass ab dem Herbst in Neukölln Personenschutzunternehmen die Sicherheit der Schüler und Lehrer auf Schulhof und -weg fördern sollen, denn zu häufig gebe es Übergriffe von Youngsters untereinander.

Eine Seite weiter steht, dass die Managergehälter 2005 in Deutschland durchschnittlich dem 42fachen Gehalt der Angestellten entsprochen hätten - im Vergleich dazu lag dieser Unterschied in den 80er Jahren nur bei Faktor 20.

Die Verbindung zwischen den beiden Gedanken? Es ist der Verlust eines Gemeinschaftsgefühls und geteilter Verantwortung, so brüchig beides vor Jahrzehnten in Deutschland auch gewesen sein mag. Zu oft erlebe ich, wie Probleme auf ihre vermeintlich schnellen Lösungen reduziert werden und dass Partikularinteressen im Vordergrund stehen, um es nicht für "Zeitgeist" zu halten.

Dienstag, 12. Juni 2007

Brücke und TV-Tipp

Christian Ströbele, der Schultes Franz Schulz und andere - Politiker wurden gerufen, und sie kamen in den letzten Tagen auf die Brücke.

Gestern nun trafen sich Wasserschutzamt und Bezirke, jetzt haben "nur noch" 34 Bäume Faktor 1,1 haben - den Faktor der höchsten Unsicherheit. 38 Bäume stehen "optional" unter Gefahr.

In den nächsten Wochen wird weiter geprüft und die WSA lädt zu einer Infoveranstaltung ein, auch uns Anwohner.



Die Bäume im Fernsehen. Weitersagen!
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Mittwoch, 13.06., RBB, ab 21.30: Das rbb Politik-Magazin "Klartext" berichtet über den Kanal, die Bäume und uns protestierende Anwohner unter dem Titel: "Zerstörungen am Landwehrkanal waren absehbar".

Samstag, 9. Juni 2007

Filmsequenz ...

Eben in der Bank. Es ist Samstag, Schlag zwei Uhr. Die Auszubildende schiebt die Milchglaswand zu, die aus drei Teilen besteht und den Innenraum vom Vorraum trennt. Sie bittet die letzten Wartenden einzutreten, hakt das zweite Glasteil ein, verschließt beide mit einem Spezialschlüssel, holt das dritte Glasteil mit Tür drinnen aus der Wandnische.

Sie schäkert denen zu, die noch gerade in den Innenraum getreten sind. “So, und hier werden sie jetzt das Wochenende mit uns verbringen. Na, wird das schön?” Die Wartenden sind perplex. Einer, er sieht nett aus, ist aber ärmlich gekleidet, mustert die junge Frau eindringlich, grinst dann, schaut kurz in die Runde, zwinkert ihr zu: “Das hängt ganz von den Umständen ab.” Sie: “Naja, alle liegen auf dem Boden, dürfen nur flach atmen und auf Klo gehen is’ nich’!”

Der Mann steht sprachlos da. Es klopft an der Glastür in der Glaswand. Die Frau hakt seelenruhig das dritte Element ein, verschließt es, sagt zufrieden: “So, jetzt isses propper!” Es klopft wieder. Sie öffnet die Tür einen Spalt breit. Dahinter steht ein junger, teuer gekleideter Mann. “Darf ich noch was einzahlen?” Die Auszubildende: “Wir haben schon geschlossen, aber gut, ausnahmsweise!” Sie macht kurz auf. Dann geht sie hinter einen der Tresen, fragt laut in die Runde: “Noch jemand für Kasse?”

Klar, dass mein Hirn weiterarbeitet: Der teuer gekleidete Mann zieht sich plötzlich einen Damenstrumpf über das Gesicht, greift in die Tasche und ...

Dann bin ich dran. Mit breitem Grinsen hebe ich Geld ab und wünsche allseits ein schönes Wochenende mit viel Luft und Natur ...

Donnerstag, 7. Juni 2007

Die Sägen vorerst gestoppt

Am Landwehrkanal droht das Baumsterben - von Menschenhand. Um die maroden Ufermauern zu sichern, plant das Schifffahrtsamt eine radikale "Verjüngung" des Baumbestandes.

Heute Abend war bei der täglichen Lagebesprechung nach 18.00 Uhr am Landwehrkanal Bezirksbürgermeister Franz Schulz anwesend. Er hat sich alles angehört und sagte zu, sich in der Sache zu engagieren.

Anwohner haben heute zusammen mit einer Anwältin Akteneinsicht beim Schifffahrtsamt genommen. In fünf Akten stehen seitenlange Untersuchungs- und Tauchergebnisse - und nur wenig zum Thema Bäume. Gründliche und von Messergebnissen gedeckte Untersuchungsergebnisse über die tatsächliche Last auf die Uferwände, die von den Bäumen als Verursacher ausgehen soll, fehlen überraschenderweise.

Dabei haben das Amt bzw. ihre Vertreter in persönlichen Gesprächen mit Anwohnern eingestanden, jahrelang die Wartungsarbeiten vernachlässigt zu haben.

Die eigentlichen Verursacher sind, auch das beschreiben die Untersuchungen, die Schiffe. Die modernen Touristenschiffe haben ein viel größeres Volumen als die alten; sie fahren schneller, als sie dürfen, zum Teil im zwei-Minuten-Takt. Ihre Bugwelle drückt erst auf die Uferwand und übt im Anschluss einen Druck in die andere Richtung aus. Etliche Steine der Verblendung wurden so bereits rausgezogen. Das Erdreich darunter wird nass und zum Teil ausgespült. Die sonst im Wasser befindlichen Elemente des Fundaments, sie sind aus Holz, kommen so immer wieder mit Luft in Berührung, was ihren Verfall beschleunigt.

Noch stehen die Bäume hier am Ufer. Widerstand formiert sich - zumindest in Kreuzberg, nicht in Charlottenburg, wo das große Bäumeschlachten begonnen wurde.

Sicher, alles ist endlich, auch ein Baum. Aber hier ist es schon komisch, dass ein Monat nach den abgesackten Kaimauern schon das Urteil über mindestens 200 Bäume gefällt wurde - und dass dabei die Kausalitäten außer Acht gelassen werden.

Montag, 4. Juni 2007

Bäume am Landwehrkanal

Gerade sind die Tage der Schafskälte. Und doch treffe ich am Ufer nur auf erhitzte Gemüter. Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Berlin will am Landwehrkanal 200 Bäume abholzen lassen, mindestens. Grund: Die Schifffahrt unterspült seit Jahren die Fundamente der 100 Jahre alten und stellenweise hölzernen "Uferspundwände" und hat sie marode werden lassen, und zwar sowohl die Touristenschiffe als auch Privatboote. Hinzu kommt, dass die Bäume mit ihrem Gewicht auf die Befestigungsmauern drücken.
Die Ufer, so das Amt, stünden also eine akute Gefahr dar für jeden Spaziergänger, für jedes spielende Kind. Um den Schaden evaluieren zu können, sei "eine kurzfristige Entfernung des Bewuchses unumgänglich." Die "Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr" erlaube keinen Aufschub, hieß es beim Amt.

Die Gefahren sind offensichtlich. Am 19. April brach bereits etwas vom Steg der Reederei Riedel am Maybachufer ab. Auch in der Nähe des Technikmuseums hat's gebröckelt. Viele Wegabschnitte wurden über Nacht gesperrt. Allein, es verwirrt, dass nach Jahrzehnten der Vernachlässigung nun diese Eile an den Tag gelegt wird: Kurz nach dem 22. Mai ging es mit Rodungen am Charlottenburger Einsteinufer los; letzten Freitag wurden am Kreuzberger Carl-Herz-Ufer die ersten drei Bäume gefällt, es waren Pappeln.In der ersten Woche 16 Bäume gefällt


Nachbarn berichten, dass anderenorts Fällungen nur durch Anwohner verhindert werden konnten, die nach der Polizei riefen. Jene fragte nach Genehmigung von Bezirk- und Grünflächenamt; da die Papiere nicht vorgelegen hatten, mussten die Herren mit der Kettensäge unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Doch es ist nur ein Aufschub. In den kommenden zwei bis drei Wochen will das WSA nun dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen Zeitplan für die Fällungen vorlegen. Der Bezirk hat kein Mitspracherecht, das Gelände gehört dem Bund, er wird aber konsultiert.

Das ganze Ausmaß ist noch unklar. Wiederholt sprachen die von Anwohnern befragten Arbeiter und auch Vertreter des Amtes von bis zu 450 zu fällenden Bäumen - auf einer Strecke von 11,6 Kilometern. Alle Bäume, die näher als drei Meter an die Wasserkante heranreichen und die höher als 15 Meter sind, sollen weichen. Darunter malerisch schöne Pappeln, Weiden, Erlen, Eschen und Ahorne. Viele Bäume sind Naturdenkmale, überall brüten derzeit die Vögel.

Im Herbst sei frühestens Baubeginn, meldet "die Welt", die stählernen Spundbohlen aus Luxemburg hätten ca. 16 Wochen Lieferzeit. Erneut die Frage: wozu die Eile?
Das Schifffahrtsamt wiederum pocht auf ordnungsgemäße Abläufe, es sei Gefahr im Verzug. Und Ausgleichspflanzungen würden natürlich durchgeführt, aber "an anderen, nicht gefährdeten Standorten".

Nächstes Jahr wird der Landwehrkanal 150 Jahre alt. Wenn es so kommt, wie es das Amt vorsieht, ist er dann an weiten Stellen eine Baustelle, an anderen ein neu einbetoniertes Gewässer mit Sandsteinverblendung, dazu einige wenige Bäumchen links und rechts.

Allein diese Sanierung der Uferbefestigung wird mit 100-130 Millionen Euro veranschlagt. Kosteneinschätzungen über eine Sanierung mit Baumschutz wurden noch nicht veröffentlicht. Bislang scheint auch von amtswegen sich keiner zu fragen, wie das in anderen Städten geregelt wird, zum Beispiel in Amsterdam oder in Paris. Weitere Vergleichszahlen wären sicher interessant, der Kanal vor meinen Fenstern ist ein sehr belebtes Gewässer: Die zentrale Berliner Schleuse zählt 8000 Ausflugsdampfer jährlich, vor 12 Jahren war es die Hälfte. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Sportboote verfünffacht (auf jetzt 5000)!
Die Reeder haben sich wenigstens mit dem Wasseramt darauf geeinigt, jetzt nur noch in eine Richtung zu fahren, und zwar "zu Tal", das solle die Uferbefestigung entlasten.

Etliche Anwohner machen jetzt gegen das Bäumefällen mobil, hatten ein Transparent auf der Admiralsbrücke aufgehängt, das polizeilich entfernt wurde, drucken und verteilen Zettel, treffen sich nun täglich um 18.00 Uhr auf eben dieser Brücke zur Diskussion.

Quelle für das Foto und mehr Infos hier: http://www.baeume-am-landwehrkanal.de