Mittwoch, 28. März 2018

Postmurks, die Zweite

Gestern ging ich einen Stoffladen in der Nachbarschaft: Ich suchte einen kleinen Rest Chif­fon­stoff, um mein Lieb­lings­­som­mer­kleid repa­rieren zu lassen, in das ich mir letztes Jahr ein Löchlein gesessen hat­te auf einer der ab­ge­rock­ten Berliner Park­bänke.

Passender Stoff ward flugs gefunden, von passender Webdichte und in einem Farbton, der im sonst bun­ten Kleid auch vor­kommt. Ich wür­de mir, das war der Plan, von der bekopf­tuch­ten Schnei­de­rin in der Rei­chen­ber­ger vier sehr lang­ge­streckte Drei­ecke in den locker fal­len­den Rock­teil setzen lassen, der dann etwas glockiger wirken würde als zu­vor, und schon hätte ich mit Schnei­der­kos­ten von 20 Euro ein neu­es Kleid. (Das Ist die Neu­kölln-Kreuz­berger Rest­nut­zungs­öko­no­mie.)

Der Stoff war ein Schnäpp­chen. "Drei Euro!", raunte mir der dunkel­haa­ri­ge, dunkeläugige Verkäufer zu. Ich reichte mein Geld, einen größeren Schein, ich war gerade bei der Bank gewesen. Der Mann zog die buschigen Augen­brauen zu einem durch­ge­hen­den Strich zusammen und fragte in bestem Berlinisch: "Willste mir veräppeln?"

Er bat mich um meinen Namen, drückte mir den Stoff in die Hand, rief mir ein fröhliches "... bis die Tage!" zu, gefolgt von einem barschen: "Halt!"

Ich war bereits auf dem Weg zur Tür gewesen, drehte mich um, war versucht, die Hände über den Kopf zu heben, so sehr im Befehlston war seine Ansage: "Halt, Hände hoch!"

Nein, doch kein Hände hoch. Er wiederholte lang­sam meinen Namen. "Ich hab was für Dich!" Er eilte ins Hintergelass in dem sich, das konnte ich sogar von der Tür aus erkennen, Kartons von un­ter­schied­li­cher Größe bis zur Decke stapelten.

Sehr schnell kam er zurück, ein Päckchen in die Hand. "Ist für einen Mann, der bei dir wohnt!", sagte er mit Blick aufs Etikett. Dann las er mit einem Lesegerät das Streifenmuster auf dem Versandetikett aus und hielt es mir hin: "Ein Autogramm, bitte! Und frohes Fest!"

Richtig, Feiertage standen vor der Tür, auch wenn diese dem mus­li­mi­schen Teil der Bevölkerung vielleicht nicht ganz so wichtig waren.

Ostereier und Schokoweihnachtsmann
Ostereier, vom Hasen bewacht
Dergestalt sind die Um­gangsformen in unserem erlauchten Mul­ti­kul­ti­viertel. Ich nahm also die Beu­te an mich und trug sie heim. Später kam besagter Mitbewohner von der Arbeit zurück. Gemeinsam packten wir aus.
Das Päckchen be­in­hal­te­te De­ko­ma­te­ri­ali­en, teils essbar, teils ess- und trinkbar, wie sie für eine gewisse Jah­re­szeit typisch sind. Und da Ostern vor der Tür stand, waren wir gleich total aus dem Häus­chen.

Manche behaupten ja, dass Scho­ko­la­den­fi­guren, an denen ein wenig der Zahn der Zeit genagt hat, in neues Stan­niol­papier verpackt wer­den wür­den. Stimmt gar nicht!

Oder? Wie lange hält sich sowas? Und darf jemand den 50-Euro-Schein für ein Weih­nachts­geschenk von der Tante auch noch im Früh­jahr aus­geben oder muss er bis zum Jahres­ende warten?

Fragen über Fragen.

Das Som­mer­kleid wird sicher sehr schön werden.

Dienstag, 6. Februar 2018

Postmurks, die Erste

Seit Wochen warte ich auf ein Päckchen. Es will einfach nicht an­kom­men. Darin ist ein Buch, das ich für die Arbeit brauche. Ich frage beim Verlag nach, der veranlasst den Versand eines zweiten Exemplars.
 

Der Bürokollege und Mitbewohner erwartet auch Post. Dann landen zwei Päckchen bei Nachbarn ... die wenige Stunden später in den Winterurlaub aufbrechen. Weitere zwei Päckchen und einen Brief mit großem, steifem Umschlag nimmt ein anderer Postbote wieder mit.

Das alles passiert wohlgemerkt an einem Tag, an dem wir natürlich zu Hause arbeiten. Wir dürfen am Tag danach extra ins Postamt fahren, nein, ich, denn auf meinen Namen sind alle Benachrichtigungen aus­ge­stellt. (Das passiert auch an Tagen, an denen nur der Mit­be­woh­ner Post be­kommt; das Wörtchen "bei" ist ent­schei­dend.)

Postbenachrichtigungszettel
Viele Boten verderben die Post
Ich kritisiere das Ganze am Schalter. Die Schal­ter­da­me: "Jeden Tag hö­re ich sowas, ich kann schon gar nicht mehr rich­tig hinhören, sonst wäre ich noch ar­ran­gier­ter damit! Ich will mich aber nicht aufregen."
Das Fremdwort klingt wichtig. Ich muss grin­sen und meine Wut ist ver­dampft. Ich äußere Mit­ge­fühl für die Dame und gehe meines We­ges. Sie weiß allerdings nicht, wie sie meinen Stim­mungs­wandel be­wirkt hat.