Donnerstag, 6. August 2015

Urlaubspostkarte

Liebe Mama, lieber Papa,

wir sind gut in Berlin gelandet. Die Ferienwohnung liegt inmitten eines Wohngebiets mit Blick auf den Kanal. Das Wetter ist toll.

Als wir angekommen sind, wurden wir von einem alten, betrunkenen Mann übel beschimpft. Er hat behauptet, dass er früher in der Fe­rien­haus­an­la­ge gewohnt habe. Dass das früher Sozialwohnungen ge­we­sen seien. Ist es möglich, dass Sozialwohnungen heute als Fe­rien­wohn­un­gen vermietet werden?

Wir zahlen, wenn wir die Endreinigung einrechnen, 145 Euro pro Nacht. Er hat gesagt, dass seine Drei­zim­mer­wohn­ung früher 560 Euro warm gekostet habe. Und dabei sei seine Wohnung sogar über 40 % teurer gewesen als die Wohnungen in dem Viertel sonst sind. Schock! Umgerechnet auf den Preis von heute hat er für weniger als vier Nächte gezahlt!

Eigentlich könnte mir das ja egal sein. Wir machen Urlaub und freuen auf die Party! Sogar einen Balkon gibt es. Das Wetter ist super. Und wir haben auch tolle Mucke im Gepäck, die die Nachbarn sicher bald freuen wird. Das wird eine super Woche!

Alles Liebe,
Eure
Kira

P.S.: Jetzt bitte nicht aufregen, und bis Oktober ist auch noch etwas Zeit! Der Vermieter der Studentenbude hat mir eben eine Absage geschickt. Per SMS! Als hätten wir uns nicht große Mühe gegeben mit dem Original der Bankbürgschaft, beglaubigten Kopien der Ausweise, polizeilichem Führungszeugnis, Kontoauszug des Miet­bürg­schafts­kontos und dem Kurier und so! Er hat mir aber eine andere Stu­den­ten­bu­de angeboten, etwas weiter weg (das macht dann 45 Minuten Anfahrt per ÖPNV) und auch deutlich kleiner, 510 Euro im Monat. Er mailt Euch das Exposé noch heute Abend.

Jugendliche Rollkoffertouristen vor einem früheren Miethaus, Maybachufer 19

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Foto: C.E.