Samstag, 26. August 2006

DAS Maybach

"Herr Hartmut", was mein Nachbar von ganz unten ist, Herr Hartmut sprach, als er meiner in Begleitung eines zweirädrigen, muskelbetriebenen Gefährts angesichtig ward: "Ach du schon wieder mit deiner Luxuskarosse!"

Das bezeichnete Gefährt ist ein altes Herrenrad. Zugeben, es ist nicht schön, es fährt sich damit aber wie in Abrahams Schoß. Ich hab es von einer Fundsachenauktion der Bahn. Da wollte es keiner haben, nur ich.

Denn mein Rad hat innere Werte. Der Diamant-Rahmen (Ost!) wurde vor Ewigkeiten mal von fremder Hand rostbraun übermalt. Es hat eine Dreigangschaltung, eine Shimano-Felge (teuer!), eine gelbe Klingel vom Ein-Euro-Laden, einen bequemen Sattel und kommt zwei Mal im Jahr in den Radladen zwecks Überholung. Die Steuer erkennt seit Jahren dieses dienstlich genutzte Rad und die damit anfallenden Kosten von durchschnittlich 71,33 Euro als Werbungskosten an. (Das schicke Privatrad kommt nur für die großen und privaten Ausflüge "raus".)

Das rostbraune Rad steht gelegentlich tage- und nächtelang am Potsdamer Platz, wo ich manchmal im Filmhaus meine Brötchen verdiene und von wo mich gelegentlich ein Automobil nach Hause trägt. Da das Rad so unscheinbar wie eine Tarnkappe ist, steht es da auch nach Tagen noch.

Herr Hartmut und sein Spott über mein Rad nerven ganz schön. Luxuskarosse - dabei ist er es doch, der den silbergrauen Mercedes, den er sein eigen nennt, oft stundenlang wienert. Und jedes Mal, wenn ich in den letzten Wochen vor die Tür trat, war Herr Hartmut schon da und hob an ...

Letztens fiel mir nach langem Stummsein die richtige Antwort auf die Provokation ein. "Na klar," sage ich, "da sind wir wieder, ich und mein Maybach."

Der Maybach ist als Luxuskarosse noch viel besser als ein Mercedes. Und weil "das Rad" sächlich ist, heißt mein Rad jetzt "das Maybach".

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