Donnerstag, 12. Oktober 2006

Frauen auf dem Spielplatz

Wir sind in Neukölln auf dem Spielplatz, hier sitzen nur Frauen auf den Parkbänken. Türkische Mütter mehrerer Kindern auf der einen, auf der anderen zwei deutsche Akademikerinnen mit dem jeweils einen Vorzeigekind. Und zwei Kinderlose, die hier in der Sonne ein Pausenbrot vertilgen. Wir kommen miteinander ins Gespräch, leider nur die von der einen Bank. Thema ist das Buch der Fernsehjournalistin Eva Herman, die in der Republik derzeit den Gedanken verbreitet, die wichtigste Bestimmung des Weibes sei Produktion und Aufzucht von Nachwuchs.

Wir sind uns einig, die Emanzipation hat versagt, das ist klar, egal in welche Richtung man das interpretiert. Dass Frauen in diesem Land oft für die gleiche Arbeit schlechter als Männer bezahlt werden, ist schlichtweg grundgesetzwidrig. Und dass Frauen schon längst insgeheim als Reserve für die Arbeitswelt angesehen werden, ist auch klar.

Unter großem Hallo gebe ich eine Situation vom letzten August zum Besten. Beim Berliner Senat hatte ich mich vor zwei Jahren als angestellte Lehrerin beworben. Ich bin eine studierte und erfolgreiche Dolmetscherin und Journalistin, wie Frau Eva Hermann, leider gehöre ich zur Masse der unterbezahlten Freiberufler.
In einem Anfall von "Ich-hab-die-ewige-Akquise-und-das-Nichterkennen-von-Qualität-satt" wollte ich in den Schuldienst. Qualifiziert bin ich auch dafür.

Zwei Tage vor Sommerferienende 2006 rief vom Schulamt eine Dame an und schlug mir vor, kurzfristig in Teilzeit (immerhin: mit Jahresvertrag) einzuspringen - und zwar an mehreren Schulen, quer über Berlin verteilt. Angesichts der verschiedenen Orte und Reisezeiten wäre allein das schon ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, wie ich der Anruferin mit Hinweis auf den interaktiven Reisezeitenrechner auf der Webseite des örtlichen Nahverkehrunternehmens gut vermitteln konnte.

Sie: Ja, dann nehmen sie doch das Auto!?
Ich: Ich habe keins.
Sie: Und ihr Gatte, nutzt er denn den Wagen dienstlich?
Ich: Ich habe keinen.

Darauf wurde sie ganz still. Und sagte angesichts des Trinkgelds, das sie mir als Gehalt angeboten hatte, mit trauriger Stimme: Ja, dann ist unser Angebot ja sowieso nichts für sie, wenn sie sich selbst ernähren müssen!

Grüße in die Republik, lasst uns erstmal das Grundgesetz durchsetzen! Denn das ist wohl mehr der Grund für weniger Kids als weiblicher Egoismus: die permanente Unsicherheit - oder auch nur Verunsicherung - immer breiterer Bevölkerungsschichten!


P.S. vom 21.10., Thilo Sarrazin, SPD-Politiker aus Berlin, sagt im Info-Radio sinngemäß: "Die Lehrer in der Hauptstadt sind zu schlecht, wir liegen in der PISA-Studie auf einem hinteren Platz. Das liegt jedoch nicht am Lehrermangel, wir haben verglichen mit anderen Ländern 18 % mehr Lehrer. Also werden wir erstmal Lehrerstellen kürzen."

Wo bitte ist die Logik dieser Aussage? Es gibt nur eine einzige, sein Amt. Der Herr ist seit 2002 Senator für Finanzen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aber hallo!
Da glaubt man sich echt ins Mittelalter zurückversetzt. Dass die das nicht nur denken, sondern offen sagen, das ist wohl das Neue an der Sache. Denn unterschwellig hatte sich nie was geändert. Die Gelassenheit, mit der Du das beschreibst, finde ich gut. Die Zeit wird Dir, uns Recht geben.
Schönes Wochenende aus K nach N-NK (Nord-Neukölln ;-), ich ruf Dich Dienstag mal an,
Bine