Der vor 50 Jahren gestorbene Bert Brecht forderte, der Rundfunk solle als Kommunikations-, nicht nur als Distributionsapparat genutzt werden. Das war in den 30er Jahren.
Mehr als siebzig Jahre Lärm später - erst kamen die Bomben, dann die Dauerbeschallung - ist Brechts Traum wahr geworden. Fast. Das Netz funkt zurück, in den Sendeanstalten geht die Angst vor der Entmachtung um. Zu Recht.
Nicht nur via Netz und Quote, auch sonst ist der User/Leser/Zuschauer plötzlich wichtiger geworden. Indes, die neue Zeit findet zunächst überwiegend in den Printmedien statt. Was wir als Zwischenstadien erleben, ist zugegebenermaßen manchmal etwas unappetitlich, ich denke an die BILD-Leserreporter, die Promis im Urlaub auflauern, auf dass deren Glanz auf sie abfärbe.
Aber selbst Journalisten wie Johan Hufnagel, stellvertretender Chefredakteur der französischen Libération, die einst wie die taz als Kollektiv anfing, Hufnagel also schwört schon seit 1995 auf sein "Forum", das Lesern mehr Raum als andere Zeitungen für Meinungsäußerung anbietet.
Inzwischen veröffentlicht Hufnagel auch Fotos, die Leser von diversen Ereignissen geschossen haben. Und verteidigt dies so: "Wir bringen sonst nur Bilder aus Paris, denn in der Provinz haben wir kaum Korrespondenten. Und es stimmt einfach nicht, über einen nationalen Aktionstag mit Demos nur die Ausschreitungen abzubilden und nicht das, was die meisten Menschen erlebt haben: fröhliche, farbenprächtige Demos mit witzigen Slogans zum Beispiel."
Das Phänomen wird "Bürgerjournalismus“ genannt, die Medien reflektieren dessen Ausmaße bislang eher mit einem abwertenden Unterton (siehe Tagesspiegel vom 13.9.06). Anders 'lese' ich diese Tatsache: Nicht nur Privatpersonen, auch Zeitungen haben ihren WebLog. In Deutschland, erzählen sich Medienwissenschaftler, werde die WebLog-Parallelausgabe des Trierischen Volksfreund häufiger angeklickt als die Zeitung selbst. Hintergrund: Die Redakteure stellen auch ihre Cutouts hier ein, kommentierten mit Meinung, und genau das werde gesucht: Meinung, nicht formatierte Info, die oft einer nicht kenntlichen Verlegermeinung folge. Soweit die Medienwissenschaftler.
Das Output des geneigten Publikums wird auch vom Hörfunk aufgenommen. Samstags sendet Inforadio (rbb) die Sendung "Druck und Blog", ein fester Programmplatz, in dem in der "Presseschau" zur Weltpolitik aus WebLogs ztitiert wird. Hier kommen zur besten Haushaltssendezeit (13.45 Uhr) aber auch Fachleute zu Wort, die über die Veränderung der Medien durchs Zurückfunken nachdenken: Die Deutungshoheit der Wirklichkeit sei das erste, was die Medien einbüßten, habe ich gerade noch gehört, als ich zufällig auf die Sendung gestoßen bin.
Die "Bürgerjournalisten" genannten Laien werden immer mehr Output liefern. Wie können die etablierten Medien kontern? Auf den gestern zuende gegangenen Münchener Medientagen, die eine Kollegin besucht hat, sei das Credo gewesen: Die Journalisten müssen noch mehr arbeiten. Man ging unhinterfragt davon aus, dass Journalisten die bessere Qualität abliefern würden. Die freien Journalisten im Saal kommentierten das indes so: "Wir arbeiten längst mehr, da ist keine Luft mehr drin. Wir brauchen nach einem Jahrzehnt reeller Honorareinbußen endlich wieder eine bessere Bezahlung." (Danke, Annette.)
Es scheint die alte Frage nach Henne und Ei zu sein. Wer hat das Geld, wer zahlt für Qualität (oder doch nur für Masse) und wo fließt es hin?
Kommenden Montag wird Libération möglicherweise nicht ausgeliefert. Die Druckereien blockieren, denn sie haben seit dem Sommer kein Geld gesehen. Die Zeitungskrise ist ein anderer Aspekt unseres veränderten Umgangs mit Informationen. Und sie bedroht zu allererst die Kleinen. Fortsetzung folgt.
@ Marwan: Vielleicht solltest du die taz doch nicht abbestellen, schreib lieber der Redaktion, was dich nervt.
Samstag, 21. Oktober 2006
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