Das Gute an der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin ist: Ich bin frei in meiner Themenwahl. Das schlechte: Ich bin frei in meiner Themenwahl. Denn Gefunden-Recherchiert-Geschrieben-Redigiert bedeutet noch lange nicht veröffentlicht.
Manche Autoren haben Angst, dass ihnen einen Tages die Ideen ausgehen. Als mir eines Tages im Sommer - ich war noch Studentin - die Piepen auszugehen drohten, kam ich auf etwas, das ich anders gerne mal wieder machen würde: Ich wurde Jobtesterin. Zeigte im Reisebus deutschen Fußballjugendlichen meine Stadt Paris, gab einem 12jährigen Deutschunterricht, übte mit einer Opernsängerin deutsche Phonetik (zumeist romantischer Lieder), machte Beiträge fürs Radio, übersetzte interlinear für eine Presseagentur (die verstanden Zusammenfassungen darunter), war Gesellschafterin einer Dame im reichen Neuilly-sur-Seine in der Situation, in der sie nach Trennung in der ehelichen Wohnung packte, leitete Jugendliche an, die mit zwei Sprachen und einer für sie neuen Technik (Video) Kurzfilme über Berlin drehten. Das waren alles Jobs, kurzfristige, unterbezahlte, nichtabgesicherte Hinzuverdienstgelegenheiten.
Dass in den Jahren danach die halbe Berufswelt "verjobben" würde, also der Berufsalltag von Millionen aus kurzfristigen Jobs bestehen würde, konnte ich mir damals nicht vorstellen. Das Wort "Beruf", das ja auch nach "Berufung", nach Sinn und Einzigartigkeit klingt, gerät seither immer mehr in Vergessenheit. Von Beruf Autorin und Chronistin, würde ich gerne mal eine Artikelserie als "Jobtesterin" veröffentlichen. Mal sehen, welche Zeitung sich dafür begeistern kann, zum Beispiel, um das Nachrichtenloch im Sommer zu füllen.
Möglich wären: Stadtführerin (zweisprachig), Sprecherin von Bandansagen für öffentliche Einrichtungen (dreisprachig), Beschreiberin von Kinofilmen für Blinde (live im Kino), Public Writer (für Briefe und Reklamationen aller Art), PR-Frau einer städtischen Tourismusagentur, Nachrichtensprecherin, Radiomoderatorin, Grabrednerin, Hochzeitstoastausbringerin, Hochzeitsvideofilmerin, Ansagerin der Verkaufsflächen im Fahrstuhl eines Luxuskaufhauses, Chronistin fremder Lebensgeschichten, Meinungsforscherin, Kleindarstellerin, Reitlehrerin, Marktschreierin, Innenarchitektin ... Nein, das ist kein Jobgesuch, mit interessierte die Angelegenheit höchstens in der Summe, als Grundlage für Vergleiche.
Freitag, 28. Dezember 2007
Sonntag, 16. Dezember 2007
Wie man Nachbarn kennenlernt
W-Lan, Bluetooth etc., die Strahlen gehen durch die Wände und werden mir zusehends unheimlich. Der Stern berichtete im Oktober schon über den Verdacht, dass die gepulsten Frequenzen der W-Lan-Router doch nicht so harmlos sein könnten, wie von der Industrie propagiert. In der Schweiz, so hörte ich, habe man die Teile in den Schulen verboten, weil Kinder sehr empfindlich sind für diese Art von Strahlungen. Muss ich mal reingooglen bei Gelegenheit.
Mir ist das Ganze noch aus einem anderen Grund unheimlich. Letztens versuchte ich einen Rechner zu installieren. Druckte zur Probe - und nahm ein einseitiges Dokument. Recht einseitig: Mein Lebenslauf. Nichts geschah. Nach einem Dutzend Versuche mit geänderten Einstellungen hörte ich auf.
Am nächsten Morgen, ich wollte grad zum Einkaufen, traf ich auf der Treppe den neuen Nachbarn. Der grinste mich an, sah wissend aus, begrüßte mich mit Namen. In der Hand hielt er einen kleinen Stapel Papier: "Die", sagte er, und wies auf meine Lebensläufe, "wollte ich grade bei Dir in den Briefkasten werfen!"
(Ist ja mal gut, dass ich nicht die Abrechnung mit dem Ex zur Probe drucken wollte!)
Mir ist das Ganze noch aus einem anderen Grund unheimlich. Letztens versuchte ich einen Rechner zu installieren. Druckte zur Probe - und nahm ein einseitiges Dokument. Recht einseitig: Mein Lebenslauf. Nichts geschah. Nach einem Dutzend Versuche mit geänderten Einstellungen hörte ich auf.
Am nächsten Morgen, ich wollte grad zum Einkaufen, traf ich auf der Treppe den neuen Nachbarn. Der grinste mich an, sah wissend aus, begrüßte mich mit Namen. In der Hand hielt er einen kleinen Stapel Papier: "Die", sagte er, und wies auf meine Lebensläufe, "wollte ich grade bei Dir in den Briefkasten werfen!"
(Ist ja mal gut, dass ich nicht die Abrechnung mit dem Ex zur Probe drucken wollte!)
Dienstag, 11. Dezember 2007
Abwesenheitsnotiz
Nein, nicht ganz. Ich arbeite gerade fürs Theater, habe also Proben und nächste Woche Aufführungen - außerhalb von NK.
Andere meldeten sich im Netz zu Wort und beobachten die Szenerie mit. Ein Kollege hat einen Pressespiegel zusammengesetellt, hier. Einer der Artikel stammt von Andej Holm, der vor einem Jahr in NK zu einem Gespräch über 'gentrification' zu Gast war.
Die Tatsache, dass seit gestern privater Wachschutz vor Schulen Stellung bezogen hat, steht da noch nicht, dürfte heute in der Presse sein ...
Andere meldeten sich im Netz zu Wort und beobachten die Szenerie mit. Ein Kollege hat einen Pressespiegel zusammengesetellt, hier. Einer der Artikel stammt von Andej Holm, der vor einem Jahr in NK zu einem Gespräch über 'gentrification' zu Gast war.
Die Tatsache, dass seit gestern privater Wachschutz vor Schulen Stellung bezogen hat, steht da noch nicht, dürfte heute in der Presse sein ...
Montag, 10. Dezember 2007
Radau
Nach zwei Wochen Frühlingsregen, -graden und heftigen Winden ist der Himmel strahlend klar, die Luft fünf Grad kühl. Dafür machen die Vögel im Hof einen Rabatz, als könnten sie das Frühjahr schneller herbeipfeifen. Das helle Licht wirkt wie Ende März und nicht wie kurz vor Weihnachten. Aber kein Wunder am Ende eines Jahres, in dem viele Berliner noch heute auf den Sommer warten, nachdem wir im April eine Woche lang einen Vorgeschmack darauf vermittelt bekamen.
Sonntag, 9. Dezember 2007
Kleine Wunder des Alltags
Im Stress des verkürzten Dezembermonats tut es gut, sich an die kleinen Wunder des Alltags zu erinnern. Während alle noch schneller rennen als sonst, halte ich kurz die Zeit an mit einer Erinnerung:
Einmal musste ich beruflich ins Ausland fliegen, erfuhr aber morgens am Berliner Flughafen, dass wegen Streiks am Zielort der Flug um 24 Stunden verschoben war. Wunderbar, ein geschenkter Tag! Zu Hause traf ich auf die Tochter meines Freundes, bei der Unterricht ausgefallen war.
Die junge Dame, fast ein Teenager, nahm die Sache in die Hand – und nach kurzem Verhandeln war klar: sie will schon lange auf den Fernsehturm im Osten, ich schon lange auf den Fernsehturm im Westen der Stadt. Und so sind wir zwei Mal in Folge der Stadt auf den Kopf gestiegen. Haben uns auf der Fahrt zwischen den Orten wie Schulfreundinnen unterhalten und zugleich Touristinnen gespielt, haben das Prinzip Zufall über das Restaurant entscheiden lassen, in dem wir dann einen Mittagsimbiss eingenommen haben (knobeln, in das wievielte wir gehen würden) – und waren angenehm überrascht. Am späten Nachmittag tranken wir Kaffee auf dem Fernsehturm im Osten der Stadt, und von dort haben wir dann den Vater des Kindes angerufen, der nicht sehr weit davon arbeitet ... Und mit relativ geringen Kosten hatten wir einen Tag lang “eine Städtereise an unbekannte Orte” unternommen.
Einmal musste ich beruflich ins Ausland fliegen, erfuhr aber morgens am Berliner Flughafen, dass wegen Streiks am Zielort der Flug um 24 Stunden verschoben war. Wunderbar, ein geschenkter Tag! Zu Hause traf ich auf die Tochter meines Freundes, bei der Unterricht ausgefallen war.
Die junge Dame, fast ein Teenager, nahm die Sache in die Hand – und nach kurzem Verhandeln war klar: sie will schon lange auf den Fernsehturm im Osten, ich schon lange auf den Fernsehturm im Westen der Stadt. Und so sind wir zwei Mal in Folge der Stadt auf den Kopf gestiegen. Haben uns auf der Fahrt zwischen den Orten wie Schulfreundinnen unterhalten und zugleich Touristinnen gespielt, haben das Prinzip Zufall über das Restaurant entscheiden lassen, in dem wir dann einen Mittagsimbiss eingenommen haben (knobeln, in das wievielte wir gehen würden) – und waren angenehm überrascht. Am späten Nachmittag tranken wir Kaffee auf dem Fernsehturm im Osten der Stadt, und von dort haben wir dann den Vater des Kindes angerufen, der nicht sehr weit davon arbeitet ... Und mit relativ geringen Kosten hatten wir einen Tag lang “eine Städtereise an unbekannte Orte” unternommen.
Mittwoch, 28. November 2007
Einer Freundin zum Trost
Heute Abend wollte ich eigentlich ein Restaurant in Neukölln testen gehen und das mit einem Erkundungsgang in einen mir bislang unbekannten Kiez verbinden. Beides fiel aus. Ich saß stattdessen bei einer guten Bekannten am Küchentisch am Ufer und tröstete sie bei ihrem Liebeskummer. Dabei fiel mir dieser Satz wieder ein, Résumé eigener Erfahrung:
Tiefe Liebe macht verletzlich. Darum ist sie auch so selten - wer möchte schon verletzt werden?
Samstag, 17. November 2007
Kinderarmut
Vorhin durfte ich im tiefsten Neukölln ein Päckchen abholen. In der Warteschlange hatte ich Zeit, und habe mir die Leute um mich herum angesehen. Es ist kühl in Berlin, und mir fällt ein Kind auf, das wie für den Frühherbst gekleidet ist. Ein Junge, maximal acht Jahre, steht direkt hinter mir. Er hält ein etwa fünfjähriges Schwesterchen an der Hand, während die Mutter weiter hinten mit einem Säugling zu Gange ist.
Der Blick des Jungen ist leer, hart, scheinbar desillusioniert. Routiniert ruckelt er den Arm der kleinen Schwester, als diese zu übermütig wird, und bringt sie so zur Raison. Jetzt stiert auch das Mädchen vor sich hin. Die Kinder sind übergewichtig und nicht nur zu leicht, sondern auch mit Stücken gekleidet, die zu bunt sind, zu wenig zusammenpassen, auch so sieht neue Armut aus. Mir fällt ein, was ich gerade in der Süddeutschen Zeitung gelesen habe. Seit der Einführung von Hartz IV hat sich die Zahl der Kinder, die Sozialhilfe beziehen, verdoppelt. Jedes sechste Kind unter sieben Jahren bekommt in Deutschland diese Hilfe, weil die Eltern zu wenig oder gar nichts verdienen. 1967, kurz vor Studentenrevolte und Straßenschlachten, nach denen tausendjähriger Muff unter den Talaren gelüftet wurde, war es nur jedes 75. Kind.
Wie das zusammenhängt? Inhaltlich nicht. Was die Zeitung nicht brachte, ist die Entwicklung in diesem vierzigjährigen Zeitraum. In der gleichen Kurve wären abzubilden: Arbeitslosenkurve, Managergehälter, Spitzenvermögen, Entwicklung von Wohneigentum, Bildungsquote.
Die Mutter überlässt den Kindern allein die Warteposition und geht zum Tabakladen. Zurück kommt sie mit Zigaretten und einem ausgefüllten Lottoschein in der Hand. Ach ja, ich hatte die Erträge der Lottogesellschaften vergessen.
Der Blick des Jungen ist leer, hart, scheinbar desillusioniert. Routiniert ruckelt er den Arm der kleinen Schwester, als diese zu übermütig wird, und bringt sie so zur Raison. Jetzt stiert auch das Mädchen vor sich hin. Die Kinder sind übergewichtig und nicht nur zu leicht, sondern auch mit Stücken gekleidet, die zu bunt sind, zu wenig zusammenpassen, auch so sieht neue Armut aus. Mir fällt ein, was ich gerade in der Süddeutschen Zeitung gelesen habe. Seit der Einführung von Hartz IV hat sich die Zahl der Kinder, die Sozialhilfe beziehen, verdoppelt. Jedes sechste Kind unter sieben Jahren bekommt in Deutschland diese Hilfe, weil die Eltern zu wenig oder gar nichts verdienen. 1967, kurz vor Studentenrevolte und Straßenschlachten, nach denen tausendjähriger Muff unter den Talaren gelüftet wurde, war es nur jedes 75. Kind.
Wie das zusammenhängt? Inhaltlich nicht. Was die Zeitung nicht brachte, ist die Entwicklung in diesem vierzigjährigen Zeitraum. In der gleichen Kurve wären abzubilden: Arbeitslosenkurve, Managergehälter, Spitzenvermögen, Entwicklung von Wohneigentum, Bildungsquote.
Die Mutter überlässt den Kindern allein die Warteposition und geht zum Tabakladen. Zurück kommt sie mit Zigaretten und einem ausgefüllten Lottoschein in der Hand. Ach ja, ich hatte die Erträge der Lottogesellschaften vergessen.
Donnerstag, 15. November 2007
Arbeit
Unsere Gesellschaft steht Kopf. Wir nennen etwas rot, das grün ist - und das Grüne nennen wir blau. Menschen, die heute etwa zwischen 37 und 43 Jahren alt sind, haben in der Schule die Kurzgeschichte von Peter Bichsel gelesen, in der ein alter Mann aus Langeweile und Einsamkeit anfängt, die Dinge des Alltags umzubenennen. Und anstatt etwas Sinnvolles zu machen, zum Beispiel eine Fremdsprache zu lernen, sagt der Mann in "Ein Tisch ist ein Tisch" zum Schrank plötzlich "Zeitung", und wenn er friert, nennt er das "schauen".
Am Ende der großen Wortverwirrung sitzt der Mann im Zimmer, die Menschen können ihn nicht mehr verstehen, und spricht nur noch mit sich selbst.
In der Bichselschen Sprachverwirrung steckt unsere Gesellschaft mittendrin. Ich fand eben folgenden Satz und musste ihn dreimal lesen:
Wir müssen endlich unsere Sprachverwirrung beim Namen nennen und uns neue Definitionen für die Worte überlegen. Solche, die Angebot, Nachfrage, Technik, Aufgaben, Sinnhaftigkeit der Arbeit, Vorbereitung der Zukunft und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Warum soll Zocken an der Börse mit (nichtexistentem) Buchgeld Arbeit sein, wenn es ein Broker macht, das Erziehen und Lehren an der Schule und die Betreuung in Lern-Freizeit von Kindern und Jugendlichen aber keine, so dass sie immer öfter Ein-Euro-Jobbern als "Mehraufwand" übertragen wird? (Siehe nächster Eintrag.)
Ein Tisch ist ein Tisch!
Am Ende der großen Wortverwirrung sitzt der Mann im Zimmer, die Menschen können ihn nicht mehr verstehen, und spricht nur noch mit sich selbst.
In der Bichselschen Sprachverwirrung steckt unsere Gesellschaft mittendrin. Ich fand eben folgenden Satz und musste ihn dreimal lesen:
"Die Angestellten des Büros von Tandem-Regionalpartnerschaften arbeiten, weil seit 1. Juli arbeitslos, derzeit ehrenamtlich."Sind sie also weiterhin im Büro und arbeiten? Es ist also Arbeit da? Wird also die Telefonrechnung des Büros bezahlt? Und neuer Toner für den Drucker bestellt? Warum die Arbeit dann nicht beim Namen nennen? Arbeit ist schon lange nicht mehr schmutzig. Warum heißt das Ganze plötzlich Ehrenamt? Weil in Deutschland sich alle zu fein sind, um übers Geld zu sprechen. Die Arbeit sind sie nicht losgeworden, nur die Bezahlung, den "ehrlichen Lohn" für ihren Einsatz, der sich seit dem 30. Juni in nichts, aber auch in rein gar nichts verändert hat.
Wir müssen endlich unsere Sprachverwirrung beim Namen nennen und uns neue Definitionen für die Worte überlegen. Solche, die Angebot, Nachfrage, Technik, Aufgaben, Sinnhaftigkeit der Arbeit, Vorbereitung der Zukunft und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Warum soll Zocken an der Börse mit (nichtexistentem) Buchgeld Arbeit sein, wenn es ein Broker macht, das Erziehen und Lehren an der Schule und die Betreuung in Lern-Freizeit von Kindern und Jugendlichen aber keine, so dass sie immer öfter Ein-Euro-Jobbern als "Mehraufwand" übertragen wird? (Siehe nächster Eintrag.)
Ein Tisch ist ein Tisch!
Montag, 12. November 2007
Unser Koch lernt was hinzu
In grauer Vorzeit war ganz Ostgermanien von den Römern besetzt. Nur in einem kleinen Dorf, in Kreuzberg, blühte der Widerstand ...
Berlin, Lausitzer Straße, wir sind noch in Kreuzberg, aber fast schon Neukölln: hier liegt unweit des Landwehrkanals die Kantine der Regenbogenfabrik. Die denkmalgeschützte ehemalige Chemiefabrik und das normale Gründerzeitmietshaus davor waren in grauer Vorzeit besetzte Gebäude. 1992 geht die Liegenschaft in den Besitz des Landes über, und nun sind Fahrradwerkstatt, Töpferei, Schreinerei, Kino, Hostel und seit 2000 auch die Kantine dort Pächter bzw. sogar ein Berliner Eigenbetrieb. Und auch ohne Chefkoch darf der Eigenbetrieb ausbilden.
Am Ende des Hofgartens ist die Kantine samt kleinem Gastraum untergebracht. Hier kocht Julian, ein Auszubildender ohne Ausbilder, eine Berliner Spezialität, denn seine Lernfortschritte sichert die Berufsschule ab. Mittags werden hier 50 bis 60 Essen serviert, die Gäste sind Anwohner, Freiberufler aus der Nachbarschaft, Rentner, eine ältere Taxifahrerin, natürlich die Mitarbeiter des alternativen Kulturzentrums, drei Punks (Wer hat Angst vor RotGelbBlau?) und auch "Normalos". Der Jargon der achtziger Jahre hat hier überwintert. Und so hockt das bunte Publikum montags bis freitags Seit' an Seit' an drei langen Holztischen auf sechs Bänken und freuen sich über ein gutes Mittagessen aus Bioprodukten für drei bis vier Euro.
"Meet and eat", der Slogan der Verköstigung, ist wörtlich zu nehmen. Schon allein der langen Bänke wegen kommen die Esser schnell miteinander ins Gespräch, denn wer in der Mitte sitzen will, muss die Randsitzer freundlich um den Platz bitten.
An der mit einer comicartigen Großfigur bemalten Längswand sitzt heute einer der Punks (rot) und unterhält sich mit Oma Werner von nebenan, die vor kurzem hergezogen ist und mittags immer hier isst, denn: "solange ich noch selbst laufen kann, komme ich selbst." Später wird sie womöglich wie andere alte Menschen (und auch Kitakinder) aus der Kantine ihren Mittagstisch beziehen.
Die Kantine serviert immer von eins bis drei, aber die meisten kommen in der ersten Stunde. Ab halb drei wird es ruhig. Als ich zahlen will, zückt Julian, der angehende Koch, sein Handy und wiederholt, was er gerade seinem türkischen Kollegen im weißgefliesten Küchenabteil vorgeführt hat, das nur ein Tresen vom Gastraum trennt: "Sieh' mal!" Es sind Aufnahmen aus einer Berufsschulklasse. 90 Prozent der Schüler pennen oder quatschen, die andren reagieren zum Teil auch nur genervt. Der Jungkoch sagt, dass nur ein Drittel der Lehrer engagiert sei, den meisten wäre "der ganze Zirkus" egal. (Zitat: "bei einem Euro die Stunde kein Wunder!") Und so stünden nicht nur Lehrer, sondern auch etliche fachfremde MAE-Kräfte (*) vor den Schülern.
Und nachdenklich fügt Julian, der trotz seines Namens so gar nicht nach bildungsbürgerlichem Hintergrund ausschaut, kopfschüttelnd hinzu: "Wo soll sich unser Land noch hinentwickeln, wenn in den Schulen nicht mehr gelernt wird und keiner mehr Disziplin hat!" Der Punk und sein Freund, ebenfalls Punk (grün) sowie Oma Werner haben das Gespräch mit angehört und nicken einmütig.
Auf mein Rumgeflachse hin, das Filmchen solle er mal Redakteuren vom TV zuspielen, meint der Koch traurig: "Meinst Du, die nehmen uns ernst und drehen in der Schule? Aber ich könnte ja selbst mit einer echten Videokamera dort drehen, das würde niemanden groß aufregen."
Darüber regen sich jetzt hier alle auf. Was hier selten vorkommt. Am Essen gibt's nichts auszusetzen, auch ohne gute Berufsschule und ohne Ausbilder ist Julian auf dem richtigen Weg und kocht so, dass es der Zielgruppe schmeckt.
_____________________________________
(*) MAE-Kräfte (von MehrAufwandsEntschädigung) ist der neue Begriff für Ein-Euro-Jobber, die ohne Arbeitsvertrag und weitab von tariflicher Vergütung arbeiten, die weder eine Urlaubsvergütung noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Ach, Streikrecht gibt's natürlich auch nicht.
Foto und Link: Regenbogenfabrik
Berlin, Lausitzer Straße, wir sind noch in Kreuzberg, aber fast schon Neukölln: hier liegt unweit des Landwehrkanals die Kantine der Regenbogenfabrik. Die denkmalgeschützte ehemalige Chemiefabrik und das normale Gründerzeitmietshaus davor waren in grauer Vorzeit besetzte Gebäude. 1992 geht die Liegenschaft in den Besitz des Landes über, und nun sind Fahrradwerkstatt, Töpferei, Schreinerei, Kino, Hostel und seit 2000 auch die Kantine dort Pächter bzw. sogar ein Berliner Eigenbetrieb. Und auch ohne Chefkoch darf der Eigenbetrieb ausbilden.
Am Ende des Hofgartens ist die Kantine samt kleinem Gastraum untergebracht. Hier kocht Julian, ein Auszubildender ohne Ausbilder, eine Berliner Spezialität, denn seine Lernfortschritte sichert die Berufsschule ab. Mittags werden hier 50 bis 60 Essen serviert, die Gäste sind Anwohner, Freiberufler aus der Nachbarschaft, Rentner, eine ältere Taxifahrerin, natürlich die Mitarbeiter des alternativen Kulturzentrums, drei Punks (Wer hat Angst vor RotGelbBlau?) und auch "Normalos". Der Jargon der achtziger Jahre hat hier überwintert. Und so hockt das bunte Publikum montags bis freitags Seit' an Seit' an drei langen Holztischen auf sechs Bänken und freuen sich über ein gutes Mittagessen aus Bioprodukten für drei bis vier Euro.
"Meet and eat", der Slogan der Verköstigung, ist wörtlich zu nehmen. Schon allein der langen Bänke wegen kommen die Esser schnell miteinander ins Gespräch, denn wer in der Mitte sitzen will, muss die Randsitzer freundlich um den Platz bitten.
An der mit einer comicartigen Großfigur bemalten Längswand sitzt heute einer der Punks (rot) und unterhält sich mit Oma Werner von nebenan, die vor kurzem hergezogen ist und mittags immer hier isst, denn: "solange ich noch selbst laufen kann, komme ich selbst." Später wird sie womöglich wie andere alte Menschen (und auch Kitakinder) aus der Kantine ihren Mittagstisch beziehen.
Die Kantine serviert immer von eins bis drei, aber die meisten kommen in der ersten Stunde. Ab halb drei wird es ruhig. Als ich zahlen will, zückt Julian, der angehende Koch, sein Handy und wiederholt, was er gerade seinem türkischen Kollegen im weißgefliesten Küchenabteil vorgeführt hat, das nur ein Tresen vom Gastraum trennt: "Sieh' mal!" Es sind Aufnahmen aus einer Berufsschulklasse. 90 Prozent der Schüler pennen oder quatschen, die andren reagieren zum Teil auch nur genervt. Der Jungkoch sagt, dass nur ein Drittel der Lehrer engagiert sei, den meisten wäre "der ganze Zirkus" egal. (Zitat: "bei einem Euro die Stunde kein Wunder!") Und so stünden nicht nur Lehrer, sondern auch etliche fachfremde MAE-Kräfte (*) vor den Schülern.
Und nachdenklich fügt Julian, der trotz seines Namens so gar nicht nach bildungsbürgerlichem Hintergrund ausschaut, kopfschüttelnd hinzu: "Wo soll sich unser Land noch hinentwickeln, wenn in den Schulen nicht mehr gelernt wird und keiner mehr Disziplin hat!" Der Punk und sein Freund, ebenfalls Punk (grün) sowie Oma Werner haben das Gespräch mit angehört und nicken einmütig.
Auf mein Rumgeflachse hin, das Filmchen solle er mal Redakteuren vom TV zuspielen, meint der Koch traurig: "Meinst Du, die nehmen uns ernst und drehen in der Schule? Aber ich könnte ja selbst mit einer echten Videokamera dort drehen, das würde niemanden groß aufregen."
Darüber regen sich jetzt hier alle auf. Was hier selten vorkommt. Am Essen gibt's nichts auszusetzen, auch ohne gute Berufsschule und ohne Ausbilder ist Julian auf dem richtigen Weg und kocht so, dass es der Zielgruppe schmeckt.
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(*) MAE-Kräfte (von MehrAufwandsEntschädigung) ist der neue Begriff für Ein-Euro-Jobber, die ohne Arbeitsvertrag und weitab von tariflicher Vergütung arbeiten, die weder eine Urlaubsvergütung noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Ach, Streikrecht gibt's natürlich auch nicht.
Foto und Link: Regenbogenfabrik
Donnerstag, 8. November 2007
Peuplade !
Das Netz schafft Soziopathen, die nur noch hinter der Maschine hängen, ballern und chatten - und die ihre Mitmenschen kaum noch persönlich kennen. Richtig?
Im zweiten ist's wie im echten Leben: Die Dosis macht's. Und die Substanz. Nehmen wir eine Postgraduierten-Studentin, deren beide beste Freundinnen wegen anstehenden Familienstandswechsels den Kiez verlassen haben. Denn noch immer gilt diese Gegend als nicht ideal, um Kinder großzuziehen. Nämliche Person verspürt an einem Abend am Schreibtisch Lust, Leute zu sehen. Die neue Crêperie zu testen oder in eine Bar zu gehen. Aber nicht allein.
In Paris, Stadt der Soziopathen und Mega-Egos, hätte sie sich auf peuplade eingeloggt. Einst ein soziologisches Experiment, das auf einen Stadtteil beschränkt war und Kommunikationsweisen erforschen sollte, ist nun die reale Abbildung der echten Nachbarschaft in ganz Paris. Also doch "second life"? Nein, hier geht's brav mit Listen und Landkarten weiter, nicht mit virtuellen Räumen und Animation. Die jeweiligen Nachbarn - man kann die gewünschte Entfernung in Gehminuten eintragen - tauchen als Fähnchen im Stadtplan auf, je nach Filter erfahre ich, wer ähnliche Interessen hat und die gleichen Sprachen spricht.
Der Rest sind praktische Dinge. Misia fragt nach einem günstigen Klempner im Viertel, Apache verschenkt sechs Stühle, Oba verkauft, was sich auf dem Dachboden angesammelt hat, Gabriel8 jemanden für Englisch-Konversation. Ich finde Filmfan Abbeyroad im Kulturforum, schaue, wer von den Nachbarn meines Gebäudes sich eingetragen hat, und eine andere Rubrik bringt Eltern der verschiedenen Bildungseinrichtungen zusammen.
Oder ich gebe eine Suchanzeige auf: "Suche Menschen, mit denen ich die neue Crêperie testen kann". Wenn ich nicht Vali eine Sofortnachricht schicke, die mir durch ihr besonderes Wissen in der Diskussion über die Renovierung des markanten Baudenkmals an der Ecke aufgefallen ist.
Valis peuplade-Adresse finde ich auf ihrer Seite. Hier werden übrigens anders als sonst im Netz private Daten wie das eigene Alter nicht abgefragt. Und unter "Beruf" stehen vor allem die gelernten und früher ausgeübten Berufe eingetragen, daneben notiere ich, was ich gut kann und worin ich anderen helfen könnte. Ich kann auch ein Foto einstellen, das peuplade-Team empfiehlt indes, ein Foto zu wählen, das einen berührt hat und kein Portrait. Man will ja nicht zwangsläufig von allen Nachbarn erkannt werden ...
Denn das, was sonst typisch ist für virtual world - ich chatte mit jemandem meist anonym irgendwo auf dem Globus - gilt hier nicht. Ich muss auch hier nicht sofort sagen, wer ich bin, dennoch ist erklärtes Ziel, nach dem virtuellen Infoaustausch einige Nachbarn wirklich zu treffen.Nur ich durchbreche die Regel. September habe ich mich bei peuplade in meinem Pariser Lieblingsviertel eingetragen und gleich klargestellt, dass es mein 'alter Kiez' ist, dass ich jetzt in Berlin wohne. In einem Umkreis von 130 Metern treffe ich auf 30 Nachbarinnen und Nachbarn, nach drei Tagen habe ich als Neuling über deutsche Filme diskutiert, bin über den besten Bäcker im Kiez informiert und habe sogar die Grenzen des virtuellen Raums überwunden. Für Anne habe ein Buch im Antiquariat in Berlin um die Ecke abgeholt und am Tag drauf mit nach Paris genommen: Die Studentin hatte es im Netz gefunden und schnell gebraucht, so wurde aus der Netznachbarschaft gleich ein typischer Nachbarschaftsdienst.
Und dann sitze ich Mitte Oktober im "Café de la mairie" Anne, der Germanistin, gegenüber. Die dunkelblonde Endzwanzigerin träfe in Paris nur Ihresgleichen im der Presseagentur, ihrem Geldjob, an der Uni oder bei Kongressen, sagt sie, dann gebe es noch die Freunde aus Studium und Schule, ansonsten sei es in der Hauptstadt schwierig, jemanden kennenzulernen. Na klar, setzt sie lachend hinzu, hat sie jetzt mit mir im Netz jemanden gefunden, der in ihr Schema passt, wir hätten uns auch auf einer Konferenz kennen lernen können. Die anderen echten und virtuellen Nachbarn seien da schon bunter. Mit einer peuplade-Bekannten aus Ghana gehe sie jetzt zum Tanzkurs, die hat sie beim "Apéros de quartier" kennengelernt, dem reellen kleinen "Stammtisch" von peuplade in der Nachbarschaft. "Sie ist Verkäuferin, ein Herz von einem Menschen, ohne das Netz hätte ich sie nie kennengelernt", sagt Anne und winkt dem Kellner, von dem sie erst seit kurzem weiß, dass er eine Straße weiter lebt.
Beim nächsten Parisbesuch wohne ich vielleicht in "meinem" Kiez. Cat4 vermietet gelegentlich ein Zimmer, oder aber ich tausche nächsten Sommer die Wohnung mit Robinsonne, die findet Berlin nämlich auch prima.
Im zweiten ist's wie im echten Leben: Die Dosis macht's. Und die Substanz. Nehmen wir eine Postgraduierten-Studentin, deren beide beste Freundinnen wegen anstehenden Familienstandswechsels den Kiez verlassen haben. Denn noch immer gilt diese Gegend als nicht ideal, um Kinder großzuziehen. Nämliche Person verspürt an einem Abend am Schreibtisch Lust, Leute zu sehen. Die neue Crêperie zu testen oder in eine Bar zu gehen. Aber nicht allein.
In Paris, Stadt der Soziopathen und Mega-Egos, hätte sie sich auf peuplade eingeloggt. Einst ein soziologisches Experiment, das auf einen Stadtteil beschränkt war und Kommunikationsweisen erforschen sollte, ist nun die reale Abbildung der echten Nachbarschaft in ganz Paris. Also doch "second life"? Nein, hier geht's brav mit Listen und Landkarten weiter, nicht mit virtuellen Räumen und Animation. Die jeweiligen Nachbarn - man kann die gewünschte Entfernung in Gehminuten eintragen - tauchen als Fähnchen im Stadtplan auf, je nach Filter erfahre ich, wer ähnliche Interessen hat und die gleichen Sprachen spricht.
Der Rest sind praktische Dinge. Misia fragt nach einem günstigen Klempner im Viertel, Apache verschenkt sechs Stühle, Oba verkauft, was sich auf dem Dachboden angesammelt hat, Gabriel8 jemanden für Englisch-Konversation. Ich finde Filmfan Abbeyroad im Kulturforum, schaue, wer von den Nachbarn meines Gebäudes sich eingetragen hat, und eine andere Rubrik bringt Eltern der verschiedenen Bildungseinrichtungen zusammen.
Oder ich gebe eine Suchanzeige auf: "Suche Menschen, mit denen ich die neue Crêperie testen kann". Wenn ich nicht Vali eine Sofortnachricht schicke, die mir durch ihr besonderes Wissen in der Diskussion über die Renovierung des markanten Baudenkmals an der Ecke aufgefallen ist.
Valis peuplade-Adresse finde ich auf ihrer Seite. Hier werden übrigens anders als sonst im Netz private Daten wie das eigene Alter nicht abgefragt. Und unter "Beruf" stehen vor allem die gelernten und früher ausgeübten Berufe eingetragen, daneben notiere ich, was ich gut kann und worin ich anderen helfen könnte. Ich kann auch ein Foto einstellen, das peuplade-Team empfiehlt indes, ein Foto zu wählen, das einen berührt hat und kein Portrait. Man will ja nicht zwangsläufig von allen Nachbarn erkannt werden ...
Denn das, was sonst typisch ist für virtual world - ich chatte mit jemandem meist anonym irgendwo auf dem Globus - gilt hier nicht. Ich muss auch hier nicht sofort sagen, wer ich bin, dennoch ist erklärtes Ziel, nach dem virtuellen Infoaustausch einige Nachbarn wirklich zu treffen.Nur ich durchbreche die Regel. September habe ich mich bei peuplade in meinem Pariser Lieblingsviertel eingetragen und gleich klargestellt, dass es mein 'alter Kiez' ist, dass ich jetzt in Berlin wohne. In einem Umkreis von 130 Metern treffe ich auf 30 Nachbarinnen und Nachbarn, nach drei Tagen habe ich als Neuling über deutsche Filme diskutiert, bin über den besten Bäcker im Kiez informiert und habe sogar die Grenzen des virtuellen Raums überwunden. Für Anne habe ein Buch im Antiquariat in Berlin um die Ecke abgeholt und am Tag drauf mit nach Paris genommen: Die Studentin hatte es im Netz gefunden und schnell gebraucht, so wurde aus der Netznachbarschaft gleich ein typischer Nachbarschaftsdienst.
Und dann sitze ich Mitte Oktober im "Café de la mairie" Anne, der Germanistin, gegenüber. Die dunkelblonde Endzwanzigerin träfe in Paris nur Ihresgleichen im der Presseagentur, ihrem Geldjob, an der Uni oder bei Kongressen, sagt sie, dann gebe es noch die Freunde aus Studium und Schule, ansonsten sei es in der Hauptstadt schwierig, jemanden kennenzulernen. Na klar, setzt sie lachend hinzu, hat sie jetzt mit mir im Netz jemanden gefunden, der in ihr Schema passt, wir hätten uns auch auf einer Konferenz kennen lernen können. Die anderen echten und virtuellen Nachbarn seien da schon bunter. Mit einer peuplade-Bekannten aus Ghana gehe sie jetzt zum Tanzkurs, die hat sie beim "Apéros de quartier" kennengelernt, dem reellen kleinen "Stammtisch" von peuplade in der Nachbarschaft. "Sie ist Verkäuferin, ein Herz von einem Menschen, ohne das Netz hätte ich sie nie kennengelernt", sagt Anne und winkt dem Kellner, von dem sie erst seit kurzem weiß, dass er eine Straße weiter lebt.
Beim nächsten Parisbesuch wohne ich vielleicht in "meinem" Kiez. Cat4 vermietet gelegentlich ein Zimmer, oder aber ich tausche nächsten Sommer die Wohnung mit Robinsonne, die findet Berlin nämlich auch prima.
Montag, 5. November 2007
(Oulipo) Internationale Geschäftsinschriften in NK
Eine literarische Gruppe aus Frankreich heißt Oulipo, dieses Akronym steht seit 1960 für kommt von "Ouvroir de Littérature Potentielle" (Werkstatt für potentielle Literatur). Hierbei geht es darum, nach gesetzten Regeln Texte zu verfassen. Diese haben häufig eine mathematische Grundlage und arbeiten mit Verschiebungen oder Auslassungen von Buchstaben, mit zufälligen Nachbarschaften also und mit abwesenden Dritten. Hier ein Kurztext mit eigener, auf der Straße gefundener Regel:
Manchmal stehen in Neukölln Ladenschilder, die überraschen.
"Grieschiche Küsche" hat mich letztens derart irritiert, dass ich vor Schreck das Rad gebremst hab, abgestiegen bin und nochmal lesen musste. Das kulinarische Wochenmotto kann auch von einem Koch aus Sachsen auf die Tafel geschrieben worden sein.
Daneben gibt es Kaffee aus einem bislang mir unbekannten Anbaugebiet. "Kaffee TOGO" steht im Fenster des benachbarten Ladens. Ich dachte, in Togo es ist zu heiß und zu feucht für Kaffeeanbau?
Nach einigem Nachdenken finde ich die Lösung, es geht um Länder, Regionen, die Verbindung und das Abwesende. Hier also soll ich, nach dem Mittagessen beim falschen Griechen, einen Kaffee zum Mitnehmen kaufen, den "Türkentrank", der bei Johann Sebastian Bach schon vorkam und den ich immer mit leichtem sächsischem Akzent gesungen im Ohr hatte, weil ja die Sachsen als "Goffeesachsen" bereits seit 1694 öffentlichen Kaffeeausschank praktizieren.
Was denn auch die Verbindung wäre zwischen der ersten und der zweiten Ladeninschrift ...
Manchmal stehen in Neukölln Ladenschilder, die überraschen.
"Grieschiche Küsche" hat mich letztens derart irritiert, dass ich vor Schreck das Rad gebremst hab, abgestiegen bin und nochmal lesen musste. Das kulinarische Wochenmotto kann auch von einem Koch aus Sachsen auf die Tafel geschrieben worden sein.
Daneben gibt es Kaffee aus einem bislang mir unbekannten Anbaugebiet. "Kaffee TOGO" steht im Fenster des benachbarten Ladens. Ich dachte, in Togo es ist zu heiß und zu feucht für Kaffeeanbau?
Nach einigem Nachdenken finde ich die Lösung, es geht um Länder, Regionen, die Verbindung und das Abwesende. Hier also soll ich, nach dem Mittagessen beim falschen Griechen, einen Kaffee zum Mitnehmen kaufen, den "Türkentrank", der bei Johann Sebastian Bach schon vorkam und den ich immer mit leichtem sächsischem Akzent gesungen im Ohr hatte, weil ja die Sachsen als "Goffeesachsen" bereits seit 1694 öffentlichen Kaffeeausschank praktizieren.
Was denn auch die Verbindung wäre zwischen der ersten und der zweiten Ladeninschrift ...
Sonntag, 4. November 2007
Nordneukölln im Tagesspiegel
Heute steht ein Kurzportrait unseres Kiezes in der Zeitung, unter "Berlin baut um" schreibt Ralf Schönball:
Nordneukölln blüht auf. Kneipen und Galerien öffnen in der Friedel- und der Braunschweiger Straße, und das „Freie Neukölln“ in der Pannierstraße wird von Mittzwanzigern überrannt. Dabei galt bisher: Wer es sich leisten kann, zieht da weg, sogar besserverdienende Migranten. Jene, die übrig blieben, prägten das Bild. Wegen der Fortzüge sanken die Mieten, und das war eine Voraussetzung für den Umschwung: „Am Anfang ziehen oft Studenten in solche Quartiere, weil sie sich teure Lagen nicht leisten können, aber nahedran sein wollen“, sagt Politikwissenschaftler Volker Eick. Nordneukölln grenzt an die beliebten Quartiere von Kreuzberg und Friedrichshain. Und Kiezmanager schaffen Freiräume: Sie überzeugen Hauseigentümer, den Zugezogenen leere Gewerbeflächen für wenig Geld zu überlassen. Diese öffnen Kneipen, Cafés, Galerien. Auf die Kneipen folgen Boutiquen, Design- und Feinkostläden. Dann steigen Preise und Umsätze, aber auch die Mieten der Läden. Bald wird es schick, im Kiez zu leben, aber nicht jeder kann es sich leisten – so wie in Prenzlauer Berg heute. In Neukölln beginnt gerade erst diese Entwicklung, die rund um die historische Stadtmitte herum wie der Zeiger auf einer Uhr verläuft: vom Norden (Prenzlauer Berg) über den Osten (Friedrichshain) nach Süden (Neukölln).Der ganze Artikel hier.
Dienstag, 30. Oktober 2007
Rolle der Presse
Eben las ich im Spiegel und in anderen Medien Artikel über das geplante Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung. Die Verbindungsdaten von Journalisten sollen wie die (fast) aller Bürger sechs Monate lang gespeichert werden und im Prozessfall zugänglich sein.
Dazu ein Gedanke, der leider nur ein Bonmot ist und vielleicht für eine Glosse taugt: Da ja Geistliche weiterhin in ihrer Kommunikation geschützt sind, sollte man eine Religion der Presse ausrufen - es gehört ohnehin starker Glaube dazu, Journalisten noch als vierte Macht im Staate zu sehen.
Dazu ein Gedanke, der leider nur ein Bonmot ist und vielleicht für eine Glosse taugt: Da ja Geistliche weiterhin in ihrer Kommunikation geschützt sind, sollte man eine Religion der Presse ausrufen - es gehört ohnehin starker Glaube dazu, Journalisten noch als vierte Macht im Staate zu sehen.
Montag, 29. Oktober 2007
Gastro-Tip: Stadtklause
Ab jetzt hier in loser Folge auch kleine Gastro-Tips, wobei ich nur besondere Orte beschreiben werde. Es sind alles Geheimtips, also bitte: Nur an Ausgewählte weitersagen!
Nach der enttäuschenden Vernissage im Gropius-Bau vom Samstagabend waren wir noch in der nahegelegenen "Stadtklause", die der erste wirklich gemütliche Ort im Umfeld des Potsdamer Platzes ist.
Die Gastwirtschaft ist wie drei Eisenbahnwagons angeordnet: Ein Raum führt in den nächsten. Im ersten Zimmerchen sitzt man auf alten S-Bahn-Stühlen an dunklen Holztischen, an den Wänden historische Fotos der Umgebung, an der Stirnwand ein verglaster Ofen mit Feuerchen drin. Den zweiten Raum dominiert die dunkle Holzvertäfelung, im bleiverglasten Fenster steht Berlin-Literatur; im dritten wird angerichtet, was auf den Tisch kommt, wobei rustikale Küche überwiegt, wovon ein dicker Laib selbstgebackenen Sauerteigbrots auf einem Holzbrett kündet, der, als wir hereinkommen, gerade vom Wirt mit einem alten Leintuch zugedeckt wird.
Bier wird hier in tönernen Humpen kredenzt, dazu gibt es große Portionen Kürbis- und Zwiebelsuppe, und die Tischnachbarn stellen fest, selten so gute Bratkartoffen und Buletten gegessen zu haben. Eine Karte gibt es nicht. Wenn alles weg ist, gibt es immer noch eine "Stulle".
Zwischendurch weiter Kunst: über eine steile Treppe gelangen wir ins Obergeschoss - hier hängen derzeit Großcomics in kleinen Räumen mit knapp zwei Meter hohen Decken. In den Zimmerchen nächtigten einst die Kutscher, die ihre Fahrgäste im benachbarten Anhalter Bahnhof fanden. Die Gastwirtschaft wurde 1909 erstmals urkundlich erwähnt.
Berlin-Kreuzberg, Bernburger Str. 35, Mo-Fr 8.00-24.00 Uhr
Nach der enttäuschenden Vernissage im Gropius-Bau vom Samstagabend waren wir noch in der nahegelegenen "Stadtklause", die der erste wirklich gemütliche Ort im Umfeld des Potsdamer Platzes ist.
Die Gastwirtschaft ist wie drei Eisenbahnwagons angeordnet: Ein Raum führt in den nächsten. Im ersten Zimmerchen sitzt man auf alten S-Bahn-Stühlen an dunklen Holztischen, an den Wänden historische Fotos der Umgebung, an der Stirnwand ein verglaster Ofen mit Feuerchen drin. Den zweiten Raum dominiert die dunkle Holzvertäfelung, im bleiverglasten Fenster steht Berlin-Literatur; im dritten wird angerichtet, was auf den Tisch kommt, wobei rustikale Küche überwiegt, wovon ein dicker Laib selbstgebackenen Sauerteigbrots auf einem Holzbrett kündet, der, als wir hereinkommen, gerade vom Wirt mit einem alten Leintuch zugedeckt wird.
Bier wird hier in tönernen Humpen kredenzt, dazu gibt es große Portionen Kürbis- und Zwiebelsuppe, und die Tischnachbarn stellen fest, selten so gute Bratkartoffen und Buletten gegessen zu haben. Eine Karte gibt es nicht. Wenn alles weg ist, gibt es immer noch eine "Stulle".
Zwischendurch weiter Kunst: über eine steile Treppe gelangen wir ins Obergeschoss - hier hängen derzeit Großcomics in kleinen Räumen mit knapp zwei Meter hohen Decken. In den Zimmerchen nächtigten einst die Kutscher, die ihre Fahrgäste im benachbarten Anhalter Bahnhof fanden. Die Gastwirtschaft wurde 1909 erstmals urkundlich erwähnt.
Berlin-Kreuzberg, Bernburger Str. 35, Mo-Fr 8.00-24.00 Uhr
Sonntag, 28. Oktober 2007
Altes und Neues im Gropius-Bau
Gestern Abend im Gropiusbau. Kaum bin ich wieder in Neukölln, verlasse ich es wieder ...
An der Grenze von Kreuzberg zu Mitte, face à face mit dem Preußischen Landtag, in dem heute der Berliner Senat tagt, liegt der vermutlich wichtigste Berliner Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst und Fotografie, der sich durch Stetigkeit seit seiner Eröffnung in Westberliner Tagen diesen Platz erobert hat. Das Gebäude selbst, italienische Renaissance aus der Zeit des ersten deutschen Einheitsstaats, besticht durch ein gelb bis rostrotes Farbenspektrum mit feuer- und ziegelroten Steinen, Fayencen, floralen und figürlichen Darstellungen. Es war als Kunstgewerbemuseum und -schule geplant und wurde zum Glück ab den späten 70er Jahren restauriert.
September 1989 war ich das erste Mal mit meinem Vater dort. Damals diente der Seiteneingang als Haupteingang, und vor der doppelten Haupttreppe mit überdachtem Vorbau stand die Mauer und verstellte den Blick auf den Preußischen Landtag. Jetzt bin ich wieder mit meinem Vater hier, die Mauer ist lange schon weg, an den Nebeneingang erinnern sich nur noch wenige.
Wir sehen: Atget, Pariser Bilder von kurz vor der Jahrhundertwende bis in die Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und eine Vernissage - vom "Funken zum Pixel" zu neuer Medienkunst.
Atget hat Ecken der Stadt Paris fotografiert, die oft heute verschwunden sind. Er ging dabei systematisch und dokumentarisch vor, bildete "Menschen vor ihren Ladengeschäften" ab und dabei die Bandbreite des damaligen Handels. Das ist aber eine Reihe, die untypisch ist. Menschen kommen bei Atget nur am Rande vor, wie die "zonards" einer anderen Serie, die Underdogs der Stadtrände, die in Blechhütten und Wagen hausen. Meistens bildet er windschiefe, feuchte Häuser ab, die Gebäude von vor der Haussmann-Ära, oder er inventarisiert die Stuckdecken und Marmorkamine der Pariser Palais. In etliche Straßen kehrt er nach zwanzig Jahren noch einmal zurück, und wir sehen das Werk der Zeit: Läden wurden geschlossen, die Wände haben Flecken, hier gibt es plötzlich eine neue Durchsicht, dort steht plötzlich ein Automobil.
Überhaupt sieht Paris ohne Autos abstrakt aus. Und es ist fast menschenleer: Atget war Frühaufsteher, das Morgenlicht ist eindeutig; oder aber ein Bild heißt "Quai soundso ..." (auf der Ile Saint Louis), "... an einem Sonntagvormittag". Beruhigend, dass sich die Gewohnheiten der Pariser so wenig verändern.
Was mir bei Atgets urbanem Inventar, das er an Maler und Archive verkaufte, am besten gefiel: Die Intérieurs verschiedener gesellschaftlicher Schichten und die Inschriften der Werbeplakate für chininhaltige Alkoholika (aus Chinarinde) - einst ein Medikament gegen Malaria, war derlei damals als Apéritif "in". Slogan: "Qui le boit, l'adopte. Qui l'adopte, bien se porte!" - Sinngemäß: "Wer ihn einmal trinkt, trinkt ihn regelmäßig. Wer ihn regelmäßig trinkt, ist fit!" Alkohol plus Wellness, schon damals.
Es sind Originalabzüge ausgestellt, die Mitnahme einer Lupe empfiehlt sich für die Details. Die Ausstellungsmacher hätten einige große Vergrößerungen um eine Sitzbank herum anordnen können, kritisiert mein Vater am Ende in Museen verbrachten Woche.
Mein Lesetipp, der über die Ausstellung weit hinausgeht: Atget Paris, Bibliothèque Nationale/Hazan, 1992
Eine andere Zeitreise verspricht die Ausstellung "Vom Funken zum Pixel". Wir waren zur Vernissage da - und enttäuscht. Viel Flirren, viel Effekt, einige schöne und witzige Exponate, doch das meiste zu banal, vor allem in seiner Zusammenstellung. Hier korrespondiert wenig miteinander, wird keine These durch Antithese(n) hinterfragt, überhaupt scheint hier an allen Ecken ein Problem vieler zeitgenössischer Arbeiten durch: Sie wollen gefallen, sind beliebig in der Aussage, selten politisch und schielen auf den Markt, arbeiten dabei mit billigen und fragwürdigen Effekten. Nur manches gefiel uns durch den Unterhaltungswert oder die Grenzerfahrung, wie die überdimensionierte Petrischale mit elektronischen Würmchen drin, die durch Elektrizität und Licht wuchsen, sich veränderten und die eigene Retina mit ihren Reaktionen auf Lichteffekte an die Grenze des Aushaltbaren führte. Das Publikum liegt dazu auf dem Boden und lässt das schwindelerregende Lichtspiel über sich ergehen.
Die angekündigten "neuen Positionen" von Kunst und Medienkunst fanden wir nicht, stattdessen elektronische Lagerfeuer, Lichtdecken wie aus der Disko, eine 3-D-Installation zu indischen Kultstätten, die so auch im modernen Tourismusbüro stehen könnte.
Das überzeugendste Werk war von 1975: eine Kerze, von Nam Jun Paik in die Hülle eines Fernsehgeräts gestellt.
An der Grenze von Kreuzberg zu Mitte, face à face mit dem Preußischen Landtag, in dem heute der Berliner Senat tagt, liegt der vermutlich wichtigste Berliner Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst und Fotografie, der sich durch Stetigkeit seit seiner Eröffnung in Westberliner Tagen diesen Platz erobert hat. Das Gebäude selbst, italienische Renaissance aus der Zeit des ersten deutschen Einheitsstaats, besticht durch ein gelb bis rostrotes Farbenspektrum mit feuer- und ziegelroten Steinen, Fayencen, floralen und figürlichen Darstellungen. Es war als Kunstgewerbemuseum und -schule geplant und wurde zum Glück ab den späten 70er Jahren restauriert.
September 1989 war ich das erste Mal mit meinem Vater dort. Damals diente der Seiteneingang als Haupteingang, und vor der doppelten Haupttreppe mit überdachtem Vorbau stand die Mauer und verstellte den Blick auf den Preußischen Landtag. Jetzt bin ich wieder mit meinem Vater hier, die Mauer ist lange schon weg, an den Nebeneingang erinnern sich nur noch wenige.
Wir sehen: Atget, Pariser Bilder von kurz vor der Jahrhundertwende bis in die Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und eine Vernissage - vom "Funken zum Pixel" zu neuer Medienkunst.
Atget hat Ecken der Stadt Paris fotografiert, die oft heute verschwunden sind. Er ging dabei systematisch und dokumentarisch vor, bildete "Menschen vor ihren Ladengeschäften" ab und dabei die Bandbreite des damaligen Handels. Das ist aber eine Reihe, die untypisch ist. Menschen kommen bei Atget nur am Rande vor, wie die "zonards" einer anderen Serie, die Underdogs der Stadtrände, die in Blechhütten und Wagen hausen. Meistens bildet er windschiefe, feuchte Häuser ab, die Gebäude von vor der Haussmann-Ära, oder er inventarisiert die Stuckdecken und Marmorkamine der Pariser Palais. In etliche Straßen kehrt er nach zwanzig Jahren noch einmal zurück, und wir sehen das Werk der Zeit: Läden wurden geschlossen, die Wände haben Flecken, hier gibt es plötzlich eine neue Durchsicht, dort steht plötzlich ein Automobil.
Überhaupt sieht Paris ohne Autos abstrakt aus. Und es ist fast menschenleer: Atget war Frühaufsteher, das Morgenlicht ist eindeutig; oder aber ein Bild heißt "Quai soundso ..." (auf der Ile Saint Louis), "... an einem Sonntagvormittag". Beruhigend, dass sich die Gewohnheiten der Pariser so wenig verändern.
Was mir bei Atgets urbanem Inventar, das er an Maler und Archive verkaufte, am besten gefiel: Die Intérieurs verschiedener gesellschaftlicher Schichten und die Inschriften der Werbeplakate für chininhaltige Alkoholika (aus Chinarinde) - einst ein Medikament gegen Malaria, war derlei damals als Apéritif "in". Slogan: "Qui le boit, l'adopte. Qui l'adopte, bien se porte!" - Sinngemäß: "Wer ihn einmal trinkt, trinkt ihn regelmäßig. Wer ihn regelmäßig trinkt, ist fit!" Alkohol plus Wellness, schon damals.
Es sind Originalabzüge ausgestellt, die Mitnahme einer Lupe empfiehlt sich für die Details. Die Ausstellungsmacher hätten einige große Vergrößerungen um eine Sitzbank herum anordnen können, kritisiert mein Vater am Ende in Museen verbrachten Woche.
Mein Lesetipp, der über die Ausstellung weit hinausgeht: Atget Paris, Bibliothèque Nationale/Hazan, 1992
Eine andere Zeitreise verspricht die Ausstellung "Vom Funken zum Pixel". Wir waren zur Vernissage da - und enttäuscht. Viel Flirren, viel Effekt, einige schöne und witzige Exponate, doch das meiste zu banal, vor allem in seiner Zusammenstellung. Hier korrespondiert wenig miteinander, wird keine These durch Antithese(n) hinterfragt, überhaupt scheint hier an allen Ecken ein Problem vieler zeitgenössischer Arbeiten durch: Sie wollen gefallen, sind beliebig in der Aussage, selten politisch und schielen auf den Markt, arbeiten dabei mit billigen und fragwürdigen Effekten. Nur manches gefiel uns durch den Unterhaltungswert oder die Grenzerfahrung, wie die überdimensionierte Petrischale mit elektronischen Würmchen drin, die durch Elektrizität und Licht wuchsen, sich veränderten und die eigene Retina mit ihren Reaktionen auf Lichteffekte an die Grenze des Aushaltbaren führte. Das Publikum liegt dazu auf dem Boden und lässt das schwindelerregende Lichtspiel über sich ergehen.
Die angekündigten "neuen Positionen" von Kunst und Medienkunst fanden wir nicht, stattdessen elektronische Lagerfeuer, Lichtdecken wie aus der Disko, eine 3-D-Installation zu indischen Kultstätten, die so auch im modernen Tourismusbüro stehen könnte.
Das überzeugendste Werk war von 1975: eine Kerze, von Nam Jun Paik in die Hülle eines Fernsehgeräts gestellt.
Samstag, 27. Oktober 2007
Fahrräder in Großstädten
Nun bin ich zurück im Kiez. Berlin ist eine tolle Stadt, eine von Kunst und Kultur geprägte Zukunftswerkstatt. Nur leider bietet sie zu wenig spannende Jobs mit Perspektive. Daher verpflichte ich mich ab und zu anderswo, unterrichte dort oder nehme an Festivals und Märkten teil, um Kontakte zu pflegen.
Hier sind Ende Oktober schon viele Bäume fast ohne Blätter. Und am Fuße eines Baumes im Hof, an dem mein Rad stehen sollte, nur Blätter, Rinde, ein regenbogenfarbener Kinderball, dem die Puste ausgegangen ist.
Das Fahrrad war mein Zweitrad, im Flohmarkt der Arena für neunzig Euro erstanden, ein hübsches, nicht zu altes, blaues Damenrad mit schwarzem Metallkorb vorne an der Lenkstange aus einer No-Name-Fabrik, gerade erst mit neuem Sattel und Pedalen versehen. Es war mit einem feuerroten Stahlrohrschloss wie für die Ewigkeit am Baume festgemacht. Nun isses weg.
Mein Bruder, der zum Kochen und Essen kommt, sagt: "In Großstädten gehört Dir Dein Fahrrad nicht. Du hast es nur geliehen. Der Kaufpreis ist in Wirklichkeit eine Leihgebühr. Das Blöde daran ist, Du weißt nie, für wie lange Du es geliehen hast."
Tröstlich, der Gedanke - ein wenig wenigstens.
Hier sind Ende Oktober schon viele Bäume fast ohne Blätter. Und am Fuße eines Baumes im Hof, an dem mein Rad stehen sollte, nur Blätter, Rinde, ein regenbogenfarbener Kinderball, dem die Puste ausgegangen ist.
Das Fahrrad war mein Zweitrad, im Flohmarkt der Arena für neunzig Euro erstanden, ein hübsches, nicht zu altes, blaues Damenrad mit schwarzem Metallkorb vorne an der Lenkstange aus einer No-Name-Fabrik, gerade erst mit neuem Sattel und Pedalen versehen. Es war mit einem feuerroten Stahlrohrschloss wie für die Ewigkeit am Baume festgemacht. Nun isses weg.
Mein Bruder, der zum Kochen und Essen kommt, sagt: "In Großstädten gehört Dir Dein Fahrrad nicht. Du hast es nur geliehen. Der Kaufpreis ist in Wirklichkeit eine Leihgebühr. Das Blöde daran ist, Du weißt nie, für wie lange Du es geliehen hast."
Tröstlich, der Gedanke - ein wenig wenigstens.
Samstag, 15. September 2007
Sommerende
Berlin-Neukölln, Reuterstraße. Im Bioladen "LPG" steht eine Schlange. Unter der Woche sind tagsüber nur selten mehr als drei, vier Kunden parallel im Geschäft, jetzt muss ich das Ende der Schlage erst suchen. Es ist im Nebenraum - am Ende von 18 Menschen. So voll war's hier nie. Ferienende? Das ist ja lange schon vorbei. Sommerende? An das kann sich auch kaum einer erinnern, so herbstlich ist es seit der letzten Augustwoche.
"Naja," meint eine Wartende, "es sind halt sehr viele Leute hergezogen, der Gräfekiez rollt an. Und Studenten, Künstler ..."
Und eine Studentin sagt zu ihrem Freund: "Selbst schuld, dass Du hier stehst, bei Euch drüben ist doch der weltgrößte LPG-Markt!" Drüben meint am Prenzlauer Berg, LPG stand einst für "Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft", heute stehen die Kürzel für "lecker, preiswert und gesund", ein Bioladen, bei dem die Kunden Anteile kaufen, um dann Rabatte zu erhalten.
Der Sommer ist, scheint es, zu Ende. Das reisende Völkchen kehrt nach Neukölln zurück, sofern es denn überhaupt weg war.
"Naja," meint eine Wartende, "es sind halt sehr viele Leute hergezogen, der Gräfekiez rollt an. Und Studenten, Künstler ..."
Und eine Studentin sagt zu ihrem Freund: "Selbst schuld, dass Du hier stehst, bei Euch drüben ist doch der weltgrößte LPG-Markt!" Drüben meint am Prenzlauer Berg, LPG stand einst für "Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft", heute stehen die Kürzel für "lecker, preiswert und gesund", ein Bioladen, bei dem die Kunden Anteile kaufen, um dann Rabatte zu erhalten.
Der Sommer ist, scheint es, zu Ende. Das reisende Völkchen kehrt nach Neukölln zurück, sofern es denn überhaupt weg war.
Dienstag, 7. August 2007
Der Geist der Wasserflasche
Sommer ist auch Besuchszeit. Meine Gäste werfen ihre Wasserplastikflaschen in den Müll, kennen die Recyclingtonne nicht. Beim Sortieren fallen mir merkwürdige Etiketten auf.
In den USA im Flughafen hinter den Kontrollen erworben:
Aus Frankreich stammt die Badoit-Flasche mit folgendem Etikett und historischer Jahreszahl drauf (1778):
Ich bin mal gespannt, was auf den nächsten Flaschen so steht, die im Reisegepäck sind, leider ist die Versuchsreihe durch die Flughafenkontrollen ein wenig behindert.
In den USA im Flughafen hinter den Kontrollen erworben:
"Natural minal water, 100 % fat-free"Solche Flaschen waren mir vor Ewigkeiten mal dort aufgefallen und ich hatte es für eine Aktion der America's Heart Association im Monat des Herzens gehalten, also für etwas Vorübergehendes.
Aus Frankreich stammt die Badoit-Flasche mit folgendem Etikett und historischer Jahreszahl drauf (1778):
"Im Untergrund der Ebene des Forez entspringt die Badoit-Quelle. Schon im Mittelalter schätzten die Grafen von Forez die appetitanregenden, verdauungsfördernden und kräftigenden Eigenschaften des Wassers von Saint Glamier. Ihr Wappen zierte ein Delphin, ein emblematisches Wesen, das für den Heiland und Freundschaft steht."Ende des Flaschentexts. Was lernen wir daraus? Die Amerikaner wissen nicht viel über Ernährung, würden das aber gerne ändern. Die Franzosen versichern sich ihrer in den unsicheren Zeiten unter Verweis auf Adel, Gott und Freundschaft.
Ich bin mal gespannt, was auf den nächsten Flaschen so steht, die im Reisegepäck sind, leider ist die Versuchsreihe durch die Flughafenkontrollen ein wenig behindert.
Sonntag, 5. August 2007
Ein Jahr Stadtschreiberin von Neukölln
Vor einem Jahr wurde ich zur Stadtschreiberin von Neukölln! Ich habe spannende Menschen kennengelernt, diverse Viertel erkundet und auch den einen oder anderen Text diesen Neuköllner Momenten gewidmet. Ich habe eine Gegend kennengelernt, die mir kaum vertraut war und finde den Berliner Stadtteil, der so viel Eigenes hat, ganz faszninierend.
Aber dann war ich letztes Jahr auch in Spanien, Frankreich, Nordafrika, habe an Festivals teilgenommen, bin als Dozentin rumgekommen. Die Stadt auf der Durchreise also - das geht vielen Stadtschreibern so.
Deshalb durfte ich verlängern - ein weiteres Jahr werde ich hier also die Stellung halten und hoffentlich etwas mehr "ankommen" - und das wird sich hier niederschlagen.
Aber dann war ich letztes Jahr auch in Spanien, Frankreich, Nordafrika, habe an Festivals teilgenommen, bin als Dozentin rumgekommen. Die Stadt auf der Durchreise also - das geht vielen Stadtschreibern so.
Deshalb durfte ich verlängern - ein weiteres Jahr werde ich hier also die Stellung halten und hoffentlich etwas mehr "ankommen" - und das wird sich hier niederschlagen.
Freitag, 3. August 2007
Ähren
"Sehr verährte Kundschaft,Das mit der Kundschaft steht da wirklich so. Ich suche nach einem zweiten Fehler und finde ihn nicht. Dann hebe ich den Blick um zu sehen, um welches Geschäft es sich handelt, das da parallel zum Kotty so freundlich seine werte Klientel informiert.
in den Ferien ist dieses Geschäft bis zum 8.9.2007 geschlossen.
Wir wünschen schönen Urlaub."
Ein Bäcker. Logo ...
Dienstag, 31. Juli 2007
Neue Frauen hat das Land
Im Chat mit Freundinnen. Wir sind alle hochgebildet, super sozial und kulturell engagiert - und mehr oder weniger alleinstehend.
Conny: "Ich wünsch mir mehr Ruhe. Derzeit hab ich mit drei Männern intensiv zu tun. Richtig, das Man-sollte-mehrere-Männer-haben-Prinzip. Bernd zum Kuscheln, Hans als Begleiter meiner Wissenschaftskarriere und für Kultur und Party und Peter kenn' ich noch von früher aus dem alten Job, wir schreiben uns fast täglich, es ist wie meine Brieffreundschaft, als ich Teenie war. "
Vera: "Reicht das? Ich finde, Dir fehlt der Kerl zum Joggen und mit der Bohrmaschine!"
Ich: "Bei mir ist meine Arbeitswelt so. Über den einen Job hab ich's Geld (Dolmetschen), über den anderen die soziale Anerkennung (Uni) und der dritte ist noch mehr wieder Hobby geworden, seit ich dem Journalismus den Rücken gekehrt hab: Schreiben. Das ist jetzt für mich."
Sophie: "Als Soziologin versuche ich natürlich immer gesellschaftliche Regelmäßigkeiten zu erkennen, aber dieses Job-Konstrukt hat noch keinen Eingang in die einschlägige Literatur gefunden. Da gibt es die Stories aus den USA à la "drei Jobs zum Überleben", aber die Wahl-mehrere-Jobs-Aufteil-Fraktion mit intellektueller Begründung ist mir bisher noch nie begegnet ..."
Ich: "Dann sollten wir was drüber schreiben. Und so richtig freie Wahl ist das aber auch nicht. Die Unis und die Medien sind sehr feudalistisch organisierte Welten, mir scheint, deutlich mehr als andere Berufsbereiche. Die sind extrem kompliziert reguliert und alles andere als optimal. Kurz: Ohne den Kürzungswahn überall hätte ich längst schon meinen Bereich in Uni oder Sender, in dem ich mehrerlei verbinden könnte. Deshalb jongliere ich das heute als Ergebnis einer freien Entscheidung - aber als Reaktion auf missliche Umstände."
Conny: "Jonglieren ist das richtige Wort. Immer rennen, immer alle informieren, Kontakte pflegen im Beruf, es geht oft nicht mehr um Qualität, sondern Connections sind das Zauberwort, naja, und privat eh, mit Vielmännerei ist das echt mehr Arbeit. Und die Zeit wird knapp und knapper."
Vera: "Vergesst das Kinderkriegen nicht, Mädels!"
Conny: "Ich wünsch mir mehr Ruhe. Derzeit hab ich mit drei Männern intensiv zu tun. Richtig, das Man-sollte-mehrere-Männer-haben-Prinzip. Bernd zum Kuscheln, Hans als Begleiter meiner Wissenschaftskarriere und für Kultur und Party und Peter kenn' ich noch von früher aus dem alten Job, wir schreiben uns fast täglich, es ist wie meine Brieffreundschaft, als ich Teenie war. "
Vera: "Reicht das? Ich finde, Dir fehlt der Kerl zum Joggen und mit der Bohrmaschine!"
Ich: "Bei mir ist meine Arbeitswelt so. Über den einen Job hab ich's Geld (Dolmetschen), über den anderen die soziale Anerkennung (Uni) und der dritte ist noch mehr wieder Hobby geworden, seit ich dem Journalismus den Rücken gekehrt hab: Schreiben. Das ist jetzt für mich."
Sophie: "Als Soziologin versuche ich natürlich immer gesellschaftliche Regelmäßigkeiten zu erkennen, aber dieses Job-Konstrukt hat noch keinen Eingang in die einschlägige Literatur gefunden. Da gibt es die Stories aus den USA à la "drei Jobs zum Überleben", aber die Wahl-mehrere-Jobs-Aufteil-Fraktion mit intellektueller Begründung ist mir bisher noch nie begegnet ..."
Ich: "Dann sollten wir was drüber schreiben. Und so richtig freie Wahl ist das aber auch nicht. Die Unis und die Medien sind sehr feudalistisch organisierte Welten, mir scheint, deutlich mehr als andere Berufsbereiche. Die sind extrem kompliziert reguliert und alles andere als optimal. Kurz: Ohne den Kürzungswahn überall hätte ich längst schon meinen Bereich in Uni oder Sender, in dem ich mehrerlei verbinden könnte. Deshalb jongliere ich das heute als Ergebnis einer freien Entscheidung - aber als Reaktion auf missliche Umstände."
Conny: "Jonglieren ist das richtige Wort. Immer rennen, immer alle informieren, Kontakte pflegen im Beruf, es geht oft nicht mehr um Qualität, sondern Connections sind das Zauberwort, naja, und privat eh, mit Vielmännerei ist das echt mehr Arbeit. Und die Zeit wird knapp und knapper."
Vera: "Vergesst das Kinderkriegen nicht, Mädels!"
Donnerstag, 26. Juli 2007
Fehlerkultur
Wir brauchen eine neue Kultur der Fehler und des Scheiterns, nur so ist Fortschritt möglich. Das findet auch der französische Filmregisseur Claude Lelouch, der heute auf RFI sagte:
"Scheitern ist ein Geschenk. Scheitern ist die größte Universität der Welt, vorausgesetzt, man erkennt sein Nichtwissen an."
"Scheitern ist ein Geschenk. Scheitern ist die größte Universität der Welt, vorausgesetzt, man erkennt sein Nichtwissen an."
Mittwoch, 25. Juli 2007
Wahre Bildung oder Ware Bildung?
Welthandel hat mit Bildung zu tun, dies stellten gestern die Teilnehmer am 5. Weltlehrerkongress in Neukölln fest. Denn um Welthandel zu treiben, muss der Mensch gebildet sein. Aber Bildung wird zunehmend zur Ware - und diese Entwicklung könne das hohe Gut Bildung als Menschenrecht demokratischer Gesellschaften gefährden, so die Pädagogen.
Die zunehmende Privatisierung der Bildung wird nicht nur von Lehrern, auch von der Welthandelsorganisation (WTO) mit großem Interesse verfolgt. Hier stehen Bildungsdienstleistungen auf dem Programm einiger Länder, die diesen Sektor am liebsten liberalisiert, das heißt zum Markt erklärt wüssten. Laut OECD ist der Bildungssektor zwei Billionen US-Dollar jährlich "schwer". Nur ein Fünftel davon wird bislang von privaten Anbietern umgesetzt. Die Weltwirtschaft diskutiert das Thema im Rahmen der GATS-Verhandlungen.
Rücksprung in der Zeit: Seit der Nachkriegszeit verhandeln die Völker miteinander über den Abbau von Handelshemmnissen. Unter der Bezeichnung GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) entstand in Ergänzung zum Internationalen Währungsfonds ein Welthandelssystem, das stabil und global vernetzt sein sollte, um weitere kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Völkern zu verhindern. Die Verhandlungen finden in sogenannten "Runden" statt, die jeweils nach dem Ort benannt werden, in dem die Gespräche wieder aufgenommen wurden. Die letzte "Runde" führte 1995 zur Gründung der WTO. Für die Zustimmung der beteiligten Länder setzten die Entwicklungsländer ihren Wunsch nach Einbeziehung von Landwirtschaft und Textilindustrie durch; die Industrieländer verfochten die Einbeziehung der Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) und den Schutz geistiger Eigentumsrechte (Agreement on Trade Related Intellectual Property Rights, TRIPS) und (TRIPS). Die WTO ruht demnach auf drei Säulen: GATT, GATS und TRIPS.
Wichtig ist zu wissen, dass diese Entwicklung aufgrund der internationalen Verträge sich nur in Richtung zunehmender Liberalisierung gehen kann. Die Vertragsstaaten erhalten mit der Unterschrift durch die Länder die Zusage der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung, was bedeutet, dass alle, die am Marktgeschehen eines anderen Landes teilnehmen möchten, einen Anspruch nicht nur auf die günstigsten Handelsbedingungen des jeweiligen Landes haben, sondern auch den inländischen Anbietern gleichgestellt werden müssen. Ist ein Freihandelsvertrag einmal unterzeichnet, können einmal gewährte Freiheiten im Dienstleistungsbereich nicht mehr zurückgenommen werden. Ein entsprechendes Gericht wird auf Anfrage dann den Vertragsbruch ahnden; die Benachteiligten können auf Ersatzleistungen pochen.
Derzeit stagnieren die Verhandlungen im Landwirtschaftsbereich der aktuellen Runde, der "Doha-Round". Daher ist jetzt Bildung in den Focus der Liberalisierungsverhandlungen geraten. Bildung, Ausbildung, Erziehung und Erwachsenenbildung sind schon heute zum Teil ein privater Markt: Von EI-Kitas über Reit- und Sportschulen über konfessionell gebundene Schulen bis zu Berufsakademien oder Privatunis wie Witten/Herdecke reicht in Deutschland das etablierte Spektrum. In den letzten zehn Jahre wuchs die Zahl der Privathochschulen von 14 auf über 60, Schulen, die vor allem Manager ausbilden. Bekanntestes Beispiel ist sicher die 2006 im ehemaligen Staatsratsgebäude am Berliner Schlossplatz eröffnete "European School of Management and Technology" (esmt).
Die EU hat 1995 bei den GATS-Verhandlungen bereits ihre Bereitschaft erklärt, private Bildungseinrichtungen für den Freihandel zu öffnen.
Doch wo "privat" anfängt und "staatlich" aufhört, ist nicht genau festgelegt. Immer häufiger werden Bildungseinrichtungen durch Stiftungen und Sponsering unterstützt. Könnten nicht auch Studiengebühren als private Bildungsinvestitionen gewertet werden? Und privatwirtschaftliche An-Institute, die in Grundlagenforschung investieren? Viele Kunst- und Fachhochschulen finanzieren seit Jahren ihren Lehrbetrieb durch kommerzielle Angebote quer, zum Beispiel Kompaktkurse für die Wirtschaft oder Aufbaustudiengänge.
Das Ansinnen der Verhandlungspartner, dass auch Europa die Öffnung staatlicher Einrichtungen unterzeichnen möge, könnte sich als Bumerang erweisen. Denn alle Richtlinien und Vorschriften gelten als „Handelshemmnis“, die sicherstellen sollen, dass Schulen und Hochschulen Qualität anbieten und eigenen Charakter aufweisen - zum Beispiel durch Gesetze und Lehrpläne, die regionale Geschichte berücksichtigen, Lehrerausbildung kontrollieren und Curricula festlegen. Europäische Staaten beaufsichtigen natürlich auch private Schulen und Universitäten, um Qualität sicherzustellen. Erfahrungen mit Nachhilfe per Internet gibt es bereits; Kinder in den USA haben Lehrer in Indien, die sie nur per Chat kennen. Etliche private Schulanbieter aus Europa würden auch gern in Europa tätig werden - so, wie nordamerikanische Firmen schon in südamerikanischen Staaten auftreten, die den Vertrag auch zur Öffnung des öffentlichen Bildungswesens bereits unterzeichnet haben.
Ein in dem Kontext entstehender Markt ist die Evaluierung und Beratung von Schulen - PISA in privater Hand mit konkreten marktwirtschaftlichen Empfehlungen. Jeder Anbieter, der in seinem Herkunftsland eine Lizenz erhalten hat, bekäme durch den nächsten Schritt der Liberalisierung hierzulande die gleichen Rechte erhalten wie angestammte Einrichtungen - inklusive der Vorteile und Subventionen. Denn diese stellen aus der Perspektive des nichtregulierten Welthandels einen den Markt verzerrenden Eingriff in den freien Wettbewerb dar.
Wie gesagt, je nachdem, welche Definition angewandt wird, sind viele der öffentlichen Bildungseinrichtungen längst private Institutionen, die unter die GATS-Verträge fallen. Bislang hat es noch keine Konflikte gegeben. Das Szenario, das Fachleute für einen sich verschärfenden Wettkampf entwerfen, ist düster: Das Verbot der Schlechterstellung ausländischer Wettbewerber könnte dazu führen, dass die Staaten gezwungen wären, auch ihnen Subventionen zukommen zu lassen. Die Mittel für Bildung sind überall begrenzt, das Geld würde sich also auf mehr Einrichtungen verteilen, das Niveau der öffentlichen Einrichtungen sinken, die Forschungsfreiheit wäre bedroht. Bis zu dem Moment, in dem das vergrößerte Angebot ein Argument für die Regierungen sein könnte, sich stärker aus dem Bildungssektor zurückziehen. Dabei drohte eine Konzentration der Bildung und Forschung auf marktgängige und industrierelevante Studiengänge - zum Nachteil der gesellschaftswissenschaftlichen, sozialen und künstlerisch ausgerichteten Bildungsangebote.
Die Freihandelsverträge haben zu einer langen Phase relativen Friedens auf den Territorien der entwickelten Staaten geführt. Der Krieg, so scheint es hat sicher verlagert, manche nennen ihn heute "Globalisierung". Seit 1997 gibt es in Paris bereits eine Schule, die sich mit ihren Begleiterscheinungen beschäftigt, eine Privatschule mit dem bezeichnenden Namen "ecole de guerre économique", auf Deutsch: Schule für Wirtschaftskrieg.
Die zunehmende Privatisierung der Bildung wird nicht nur von Lehrern, auch von der Welthandelsorganisation (WTO) mit großem Interesse verfolgt. Hier stehen Bildungsdienstleistungen auf dem Programm einiger Länder, die diesen Sektor am liebsten liberalisiert, das heißt zum Markt erklärt wüssten. Laut OECD ist der Bildungssektor zwei Billionen US-Dollar jährlich "schwer". Nur ein Fünftel davon wird bislang von privaten Anbietern umgesetzt. Die Weltwirtschaft diskutiert das Thema im Rahmen der GATS-Verhandlungen.
Rücksprung in der Zeit: Seit der Nachkriegszeit verhandeln die Völker miteinander über den Abbau von Handelshemmnissen. Unter der Bezeichnung GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) entstand in Ergänzung zum Internationalen Währungsfonds ein Welthandelssystem, das stabil und global vernetzt sein sollte, um weitere kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Völkern zu verhindern. Die Verhandlungen finden in sogenannten "Runden" statt, die jeweils nach dem Ort benannt werden, in dem die Gespräche wieder aufgenommen wurden. Die letzte "Runde" führte 1995 zur Gründung der WTO. Für die Zustimmung der beteiligten Länder setzten die Entwicklungsländer ihren Wunsch nach Einbeziehung von Landwirtschaft und Textilindustrie durch; die Industrieländer verfochten die Einbeziehung der Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) und den Schutz geistiger Eigentumsrechte (Agreement on Trade Related Intellectual Property Rights, TRIPS) und (TRIPS). Die WTO ruht demnach auf drei Säulen: GATT, GATS und TRIPS.
Wichtig ist zu wissen, dass diese Entwicklung aufgrund der internationalen Verträge sich nur in Richtung zunehmender Liberalisierung gehen kann. Die Vertragsstaaten erhalten mit der Unterschrift durch die Länder die Zusage der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung, was bedeutet, dass alle, die am Marktgeschehen eines anderen Landes teilnehmen möchten, einen Anspruch nicht nur auf die günstigsten Handelsbedingungen des jeweiligen Landes haben, sondern auch den inländischen Anbietern gleichgestellt werden müssen. Ist ein Freihandelsvertrag einmal unterzeichnet, können einmal gewährte Freiheiten im Dienstleistungsbereich nicht mehr zurückgenommen werden. Ein entsprechendes Gericht wird auf Anfrage dann den Vertragsbruch ahnden; die Benachteiligten können auf Ersatzleistungen pochen.
Derzeit stagnieren die Verhandlungen im Landwirtschaftsbereich der aktuellen Runde, der "Doha-Round". Daher ist jetzt Bildung in den Focus der Liberalisierungsverhandlungen geraten. Bildung, Ausbildung, Erziehung und Erwachsenenbildung sind schon heute zum Teil ein privater Markt: Von EI-Kitas über Reit- und Sportschulen über konfessionell gebundene Schulen bis zu Berufsakademien oder Privatunis wie Witten/Herdecke reicht in Deutschland das etablierte Spektrum. In den letzten zehn Jahre wuchs die Zahl der Privathochschulen von 14 auf über 60, Schulen, die vor allem Manager ausbilden. Bekanntestes Beispiel ist sicher die 2006 im ehemaligen Staatsratsgebäude am Berliner Schlossplatz eröffnete "European School of Management and Technology" (esmt).
Die EU hat 1995 bei den GATS-Verhandlungen bereits ihre Bereitschaft erklärt, private Bildungseinrichtungen für den Freihandel zu öffnen.
Doch wo "privat" anfängt und "staatlich" aufhört, ist nicht genau festgelegt. Immer häufiger werden Bildungseinrichtungen durch Stiftungen und Sponsering unterstützt. Könnten nicht auch Studiengebühren als private Bildungsinvestitionen gewertet werden? Und privatwirtschaftliche An-Institute, die in Grundlagenforschung investieren? Viele Kunst- und Fachhochschulen finanzieren seit Jahren ihren Lehrbetrieb durch kommerzielle Angebote quer, zum Beispiel Kompaktkurse für die Wirtschaft oder Aufbaustudiengänge.
Das Ansinnen der Verhandlungspartner, dass auch Europa die Öffnung staatlicher Einrichtungen unterzeichnen möge, könnte sich als Bumerang erweisen. Denn alle Richtlinien und Vorschriften gelten als „Handelshemmnis“, die sicherstellen sollen, dass Schulen und Hochschulen Qualität anbieten und eigenen Charakter aufweisen - zum Beispiel durch Gesetze und Lehrpläne, die regionale Geschichte berücksichtigen, Lehrerausbildung kontrollieren und Curricula festlegen. Europäische Staaten beaufsichtigen natürlich auch private Schulen und Universitäten, um Qualität sicherzustellen. Erfahrungen mit Nachhilfe per Internet gibt es bereits; Kinder in den USA haben Lehrer in Indien, die sie nur per Chat kennen. Etliche private Schulanbieter aus Europa würden auch gern in Europa tätig werden - so, wie nordamerikanische Firmen schon in südamerikanischen Staaten auftreten, die den Vertrag auch zur Öffnung des öffentlichen Bildungswesens bereits unterzeichnet haben.
Ein in dem Kontext entstehender Markt ist die Evaluierung und Beratung von Schulen - PISA in privater Hand mit konkreten marktwirtschaftlichen Empfehlungen. Jeder Anbieter, der in seinem Herkunftsland eine Lizenz erhalten hat, bekäme durch den nächsten Schritt der Liberalisierung hierzulande die gleichen Rechte erhalten wie angestammte Einrichtungen - inklusive der Vorteile und Subventionen. Denn diese stellen aus der Perspektive des nichtregulierten Welthandels einen den Markt verzerrenden Eingriff in den freien Wettbewerb dar.
Wie gesagt, je nachdem, welche Definition angewandt wird, sind viele der öffentlichen Bildungseinrichtungen längst private Institutionen, die unter die GATS-Verträge fallen. Bislang hat es noch keine Konflikte gegeben. Das Szenario, das Fachleute für einen sich verschärfenden Wettkampf entwerfen, ist düster: Das Verbot der Schlechterstellung ausländischer Wettbewerber könnte dazu führen, dass die Staaten gezwungen wären, auch ihnen Subventionen zukommen zu lassen. Die Mittel für Bildung sind überall begrenzt, das Geld würde sich also auf mehr Einrichtungen verteilen, das Niveau der öffentlichen Einrichtungen sinken, die Forschungsfreiheit wäre bedroht. Bis zu dem Moment, in dem das vergrößerte Angebot ein Argument für die Regierungen sein könnte, sich stärker aus dem Bildungssektor zurückziehen. Dabei drohte eine Konzentration der Bildung und Forschung auf marktgängige und industrierelevante Studiengänge - zum Nachteil der gesellschaftswissenschaftlichen, sozialen und künstlerisch ausgerichteten Bildungsangebote.
Die Freihandelsverträge haben zu einer langen Phase relativen Friedens auf den Territorien der entwickelten Staaten geführt. Der Krieg, so scheint es hat sicher verlagert, manche nennen ihn heute "Globalisierung". Seit 1997 gibt es in Paris bereits eine Schule, die sich mit ihren Begleiterscheinungen beschäftigt, eine Privatschule mit dem bezeichnenden Namen "ecole de guerre économique", auf Deutsch: Schule für Wirtschaftskrieg.
Montag, 23. Juli 2007
Die Lehrer der Welt zu Gast in Neukölln
"Bildung befähigt den Menschen, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und etwas aus seinem Leben zu machen" - mit diesen Worten eröffnete Bundespräsident Horst Köhler heute den 5. Weltlehrerkongress, der in Neukölln stattfindet. Fünf Tage lang debattieren 1600 Pädagogen und Wissenschaftler aus 160 Ländern über die Situation in ihrer jeweiligen Heimat, über Trends und gemeinsame Ziele. Die Hauptziele sind auf einen einfachen Nenner zu bringen: Das Recht auf Bildung für alle jungen Menschen und die Frage, wie das öffentliche Bildungssystem gestärkt werden könnte.
Bildung ist ein öffentliches, für jeden zugängliches Gut - und damit ein Grundrecht. Aber dieses Grundrecht wird bis heute mehr als 100 Mio. Kindern verwehrt, die fern jeder Schule aufwachsen. Die Lehrer stellten außerdem übereinstimmend fest, dass dieses Grundrecht in vielen anderen Ländern zum Teil bereits wieder bedroht ist.
Übereinstimmend berichteten sie, dass nahezu weltweit der Trend besteht, Schulen, berufsbildende Einrichtungen und Hochschulen ganz oder teilweise zu privatisieren. Dagegen sprachen sich die Pädagogen aus, weil nur eine staatliche Handlung hier hohe Niveaus, Chancengleichheit für den Nachwuchs und Unabhängigkeit der Einrichtungen sichern kann.
Hintergrund der Situation ist, dass hier an die Stelle (oder die Seite) der öffentlichen Hand immer häufiger Privatunternehmen, Sponsoren und Stiftungen treten. Die Kommerzialisierung der Bildung geht einher mit der Prekarisierung der Lehrer: Pädagogen, die in den Ruhestand treten, werden von freiberuflichen Kollegen ersetzt, die zu deutlich schlechteren Bedingungen beschäftigt werden. Der Kongress hat sich dafür ausgesprochen, dass auch die Würde des Lehrer- und Hochschullehrerberufs sowie das Recht auf pädagogische Freiheit schützenswerte Güter sind.
Um die Bedeutung der Bildung wissen auch die UN-Mitgliedsstaaten, die sich vor sieben Jahren in der sogenannten Millenniumserklärung dazu verpflichtet hatten, bis 2015 allen Kindern eine gute und gebührenfreie Grundbildung anzubieten. Davon sind wir weit entfernt. Wollte man dies ändern, müssten ca. 18 Mio. Lehrer neu eingestellt werden.
Unser Bundespräsident bekam sehr freundlichen Beifall, als er bekräftigte: "Gute Bildung sollte keine Glückssache sein. Gute Bildung ist ein Menschenrecht."
Bildung ist ein öffentliches, für jeden zugängliches Gut - und damit ein Grundrecht. Aber dieses Grundrecht wird bis heute mehr als 100 Mio. Kindern verwehrt, die fern jeder Schule aufwachsen. Die Lehrer stellten außerdem übereinstimmend fest, dass dieses Grundrecht in vielen anderen Ländern zum Teil bereits wieder bedroht ist.
Übereinstimmend berichteten sie, dass nahezu weltweit der Trend besteht, Schulen, berufsbildende Einrichtungen und Hochschulen ganz oder teilweise zu privatisieren. Dagegen sprachen sich die Pädagogen aus, weil nur eine staatliche Handlung hier hohe Niveaus, Chancengleichheit für den Nachwuchs und Unabhängigkeit der Einrichtungen sichern kann.
Hintergrund der Situation ist, dass hier an die Stelle (oder die Seite) der öffentlichen Hand immer häufiger Privatunternehmen, Sponsoren und Stiftungen treten. Die Kommerzialisierung der Bildung geht einher mit der Prekarisierung der Lehrer: Pädagogen, die in den Ruhestand treten, werden von freiberuflichen Kollegen ersetzt, die zu deutlich schlechteren Bedingungen beschäftigt werden. Der Kongress hat sich dafür ausgesprochen, dass auch die Würde des Lehrer- und Hochschullehrerberufs sowie das Recht auf pädagogische Freiheit schützenswerte Güter sind.
Um die Bedeutung der Bildung wissen auch die UN-Mitgliedsstaaten, die sich vor sieben Jahren in der sogenannten Millenniumserklärung dazu verpflichtet hatten, bis 2015 allen Kindern eine gute und gebührenfreie Grundbildung anzubieten. Davon sind wir weit entfernt. Wollte man dies ändern, müssten ca. 18 Mio. Lehrer neu eingestellt werden.
Unser Bundespräsident bekam sehr freundlichen Beifall, als er bekräftigte: "Gute Bildung sollte keine Glückssache sein. Gute Bildung ist ein Menschenrecht."
Auf rund 50 Veranstaltungen diskutieren die Delegierten verschiedenster Gewerkschaften, die insgesamt mehr als 30 Mio. Pädagogen repräsentieren. Der Kongress findet seit 1973 alle drei Jahre statt. Außerdem ist der internationale Weltkongress der Bildungsinternationalen, wie er in voller Länge heißt, Ansprechpartner bei Diskussionen mit dem G8, der WTO und anderen supranationalen Einrichtungen.
Mehr Infos: http://www.ei-ie.org/congress5/en/index.php
Samstag, 21. Juli 2007
Fast nichts Neues vom Ufer
Ein Samstag in der besten Ferienzeit mit Sonnenschein: zwischen Einkaufen und Kaffeetrinken spazieren hunderte von Nachbarn den Landwehrkanal entlang und bilden eine Menschenkette gegen die Kettensäge.
Das WSA möchte inzwischen gefährdete Bäume an die Kette legen, abgestützt durch monströste Betonklötze. Als Verfahren gibt es hierfür keine Präzedenzfälle in Größenordnung. Im Gegenzug wurde die Ufersituation noch immer nicht durch unabhängige Experten untersucht. Nur ein beeidigter Sachverständiger für Statik und Verkehrssicherheit hat zu Protokoll gegeben, dass die meisten Bäume ohne "Sicherungsmaßnahmen" stehen bleiben könnten und dass im Gegenteil Abholzungen in vielen Fällen das Ufer unsicherer machen.
In der Zwischenzeit wurden vom Amt Dutzende Bäume gestutzt, andere wie oben beschrieben an die Kette gelegt. Dies geschah, so der Baumsachverständige weiter, nicht nach Regeln der Kunst und die Berliner Baumschutzverordnung wurde an vielen Stellen auch nicht eingehalten. Außerdem haben die Arbeiter vielfach die Wurzeln unnötig beschädigt.
Eigentlich müsste hier jetzt die Landespolitik eingreifen, aber die scheint im Urlaub zu sein.
Überhaupt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier per Salamitaktik Tatsachen geschaffen werden. Schau ich vom Balkon und zähle die Bäume, komme ich auf Sichtweite, die etwa dreihundert Meter beträgt, auf mindestens zwanzig bedrohte Bäume, schenke ich dem Leiter des WSA Glauben, der vor Monaten angekündigt hat, alle Bäume auf den ersten zwei, drei Metern und alles, was höher ist als 15 Meter" sei 'fällig'. Nach diesen Kriterien auf die ganze Kanallänge hochgerechnet komme ich auf 770 Bäume ...
Ein Samstagnachmittag bei Sonnenschein, nichts geht mehr auf dem Kottbusser Damm. Am Ende sind wir 1500 Menschen.
Das WSA möchte inzwischen gefährdete Bäume an die Kette legen, abgestützt durch monströste Betonklötze. Als Verfahren gibt es hierfür keine Präzedenzfälle in Größenordnung. Im Gegenzug wurde die Ufersituation noch immer nicht durch unabhängige Experten untersucht. Nur ein beeidigter Sachverständiger für Statik und Verkehrssicherheit hat zu Protokoll gegeben, dass die meisten Bäume ohne "Sicherungsmaßnahmen" stehen bleiben könnten und dass im Gegenteil Abholzungen in vielen Fällen das Ufer unsicherer machen.
In der Zwischenzeit wurden vom Amt Dutzende Bäume gestutzt, andere wie oben beschrieben an die Kette gelegt. Dies geschah, so der Baumsachverständige weiter, nicht nach Regeln der Kunst und die Berliner Baumschutzverordnung wurde an vielen Stellen auch nicht eingehalten. Außerdem haben die Arbeiter vielfach die Wurzeln unnötig beschädigt.
Eigentlich müsste hier jetzt die Landespolitik eingreifen, aber die scheint im Urlaub zu sein.
Überhaupt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier per Salamitaktik Tatsachen geschaffen werden. Schau ich vom Balkon und zähle die Bäume, komme ich auf Sichtweite, die etwa dreihundert Meter beträgt, auf mindestens zwanzig bedrohte Bäume, schenke ich dem Leiter des WSA Glauben, der vor Monaten angekündigt hat, alle Bäume auf den ersten zwei, drei Metern und alles, was höher ist als 15 Meter" sei 'fällig'. Nach diesen Kriterien auf die ganze Kanallänge hochgerechnet komme ich auf 770 Bäume ...
Ein Samstagnachmittag bei Sonnenschein, nichts geht mehr auf dem Kottbusser Damm. Am Ende sind wir 1500 Menschen.
Freitag, 20. Juli 2007
Berliner Bildungsmauer
Heute am Maybachufer: Der Fischhändler verkauft mir eine Scholle, legt Eis drauf, packt sie in Folie ein, wickelt eine Zeitung drum. Beim Runtertragen des Altpapiers fällt mein Blick auf einen Artikel dieser Zeitung, es war der "Tagesspiegel" vom 23. April 2997, Wirtschaftsseite. Unter "Topvolkswirte zieht es ins Ausland" steht hier unter anderem: "Nach ihrem Volkswirtschaftsvordiplom ging Stephanie Schmitt-Grohé Ende der achtziger Jahre an eine kleine amerikanische Uni (...) Zu unattraktiv erschienen ihr die Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen. (...) Die 40-jährige gehört zu einer wachsenden Gruppe von deutschen Ökonomen, die ihr berufliches Heil in der Fremde suchen. Mehr als 120 Wirtschaftswissenschaftler haben dem Land den Rücken gekehrt, zeigt eine Untersuchung des „Handelsblatts“. Damit arbeitet mindestens jeder zehnte deutsche Hochschulvolkswirt außerhalb der Landesgrenzen. (...) Vor allem junge, erfolgreiche Forscher verlassen das Land. Von den 100 forschungsstärksten Ökonomen unter 45 Jahren arbeitet jeder zweite an einer ausländischen Universität. (...) Auffällig ist: In den fünf angesehensten ökonomischen Fachzeitschriften der Welt sind Deutsche, die im Ausland arbeiten, deutlich häufiger vertreten als ihre heimischen Kollegen. „Unsere Studenten sind heute international konkurrenzfähig“, sagt Friedrich Schneider, Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik, einer wichtigen Vereinigung von VWL-Professoren."
Berichte wie dieser stehen inzwischen nahezu täglich in deutschen Gazetten. Und der beschriebene brain drain wird immer wieder als Grund genannt, weshalb wir jetzt unsere Hochschulen wieder attraktiv gestalten müssen. Dies soll mit dem Umbau auf Bachelor und Master geschehen.
Als logisch denkender Mensch habe ich da Fragen. Wieso soll unser Hochschulsystem so schlecht sein, wenn so viele Absolventen derart begehrt sind? Warum schafft es das angeblich überlegene amerikanische System nicht, seinen eigenen Nachwuchs auszubilden? Weshalb sprechen wir hier dauernd von "Bachelor" als Hochschulabschluss, der, soweit ich weiß, in den USA gleichbedeutend ist mit dem unserem Abitur?
Denn dort ist die high school eher mit unserer Gesamtschule zu vergleichen - und der Abschluss ist ein high school diploma, die Absolventen sind meist 16 bis 17, wenn sie das erlangen. Danach geht es aufs college, das unserer gymnasialen Oberstufe entspricht. Der dort nach zwei Jahren erworbene Abschluss, der bachelor, wird an der Pariser Sorbonne in den 80er Jahren mit dem französischen baccalauréat gewertet, der Abiturient heißt auf Französisch bachot, die Ähnlichkeit findet sich sogar im Wort wieder. Auch in Nordamerika geht es erst danach weiter mit einer weiterführenden Bildungseinrichtung, der university oder einer anderen "Schule" des Privatsektors.
Paradox, aber wahr: an manchen dieser teuer zu bezahlenden Eliteschulen wird jetzt darüber nachgedacht, ein Studium generale vorzuschalten und Diplomstudiengänge nach deutschem Vorbild zu begründen. Hier werden die Gebrüder Humboldt heftig diskutiert, die einst mit dem Begriff „Einheit von Lehre und Forschung“ die deutsche Hochschullandschaft modernisiert hatten. Dazu hatte einst auch die Einheit der Lehrenden und der Forschenden und die Einheit von Theorie und Praxis gehört, letztere war im universitären Alltag ohnehin schon fast nicht angekommen. Zum Forschen gehört indes auch der Irrweg, das Querdenken, das Verwerfen von möglichen Lösungswegen, kurz: das Scheitern. Und dafür braucht es Zeit und Müßiggang, beides sieht die starre Studienordnung nicht mehr vor.
Die Umstellung auf "Bachelor" und "Master" empfinden vor allem jene als Studienzeitverkürzung, die schon selbst erleben durften, dass mit dem ersten Abschluss der Rechtsanspruch auf BAFÖG endet. Und wenn ich an die Idee eines "Lehrprofessors" mit 18 Semesterwochenstunden und ohne Forschungsaufgaben denke, muss ich feststellen: Hier wird Humboldt'scher Geist mit dem Eisenbesen aus deutschen Hochschulen rausgekehrt. Die gleichen Regierenden, die überdies Studiengebühren fordern, fördern daneben die Gründungen privater Eliteschulen, meistens im Managementbereich, hier engagieren sich selbst arme Länder mit dreistelligen Millionensummen in der Startphase - wir haben ja hier "Nachholbedarf".
Anstatt auf der Basis unserer Geschichte und Erfahrungen das System universitärer Ausbildung zu modernisieren, schielen wir weiter auf die USA. Bei mündlichen Verhandlungen von Anträgen, so wurde mir von Kollegen berichtet, hätte man nach Auslandsaufenthalten gefragt. "Ja, war die Antwort, Frankreich und Italien!" Das Gegenüber wollte das aber nicht gelten lassen: "Sie wissen schon, wir meinen, ob sie auch in den USA waren?"
Oder geht's wirklich nur um die Ökonomie? "WIR haben unsere Leute ausgebildet, die WIR auch behalten wollen ...!?" Wenn das Niveau der deutschen Unis sinkt, werden unsere Absolventen fürs Ausland bald weniger Interessant sein. Es ist, als würden wir eine Berliner Mauer um das Erbe der Humboldts errichten, das scheinen wir als Industrieland nötig zu haben.
Das wäre auch eine Art, den brain drain zu stoppen ...
Berichte wie dieser stehen inzwischen nahezu täglich in deutschen Gazetten. Und der beschriebene brain drain wird immer wieder als Grund genannt, weshalb wir jetzt unsere Hochschulen wieder attraktiv gestalten müssen. Dies soll mit dem Umbau auf Bachelor und Master geschehen.
Als logisch denkender Mensch habe ich da Fragen. Wieso soll unser Hochschulsystem so schlecht sein, wenn so viele Absolventen derart begehrt sind? Warum schafft es das angeblich überlegene amerikanische System nicht, seinen eigenen Nachwuchs auszubilden? Weshalb sprechen wir hier dauernd von "Bachelor" als Hochschulabschluss, der, soweit ich weiß, in den USA gleichbedeutend ist mit dem unserem Abitur?
Denn dort ist die high school eher mit unserer Gesamtschule zu vergleichen - und der Abschluss ist ein high school diploma, die Absolventen sind meist 16 bis 17, wenn sie das erlangen. Danach geht es aufs college, das unserer gymnasialen Oberstufe entspricht. Der dort nach zwei Jahren erworbene Abschluss, der bachelor, wird an der Pariser Sorbonne in den 80er Jahren mit dem französischen baccalauréat gewertet, der Abiturient heißt auf Französisch bachot, die Ähnlichkeit findet sich sogar im Wort wieder. Auch in Nordamerika geht es erst danach weiter mit einer weiterführenden Bildungseinrichtung, der university oder einer anderen "Schule" des Privatsektors.
Paradox, aber wahr: an manchen dieser teuer zu bezahlenden Eliteschulen wird jetzt darüber nachgedacht, ein Studium generale vorzuschalten und Diplomstudiengänge nach deutschem Vorbild zu begründen. Hier werden die Gebrüder Humboldt heftig diskutiert, die einst mit dem Begriff „Einheit von Lehre und Forschung“ die deutsche Hochschullandschaft modernisiert hatten. Dazu hatte einst auch die Einheit der Lehrenden und der Forschenden und die Einheit von Theorie und Praxis gehört, letztere war im universitären Alltag ohnehin schon fast nicht angekommen. Zum Forschen gehört indes auch der Irrweg, das Querdenken, das Verwerfen von möglichen Lösungswegen, kurz: das Scheitern. Und dafür braucht es Zeit und Müßiggang, beides sieht die starre Studienordnung nicht mehr vor.
Die Umstellung auf "Bachelor" und "Master" empfinden vor allem jene als Studienzeitverkürzung, die schon selbst erleben durften, dass mit dem ersten Abschluss der Rechtsanspruch auf BAFÖG endet. Und wenn ich an die Idee eines "Lehrprofessors" mit 18 Semesterwochenstunden und ohne Forschungsaufgaben denke, muss ich feststellen: Hier wird Humboldt'scher Geist mit dem Eisenbesen aus deutschen Hochschulen rausgekehrt. Die gleichen Regierenden, die überdies Studiengebühren fordern, fördern daneben die Gründungen privater Eliteschulen, meistens im Managementbereich, hier engagieren sich selbst arme Länder mit dreistelligen Millionensummen in der Startphase - wir haben ja hier "Nachholbedarf".
Anstatt auf der Basis unserer Geschichte und Erfahrungen das System universitärer Ausbildung zu modernisieren, schielen wir weiter auf die USA. Bei mündlichen Verhandlungen von Anträgen, so wurde mir von Kollegen berichtet, hätte man nach Auslandsaufenthalten gefragt. "Ja, war die Antwort, Frankreich und Italien!" Das Gegenüber wollte das aber nicht gelten lassen: "Sie wissen schon, wir meinen, ob sie auch in den USA waren?"
Oder geht's wirklich nur um die Ökonomie? "WIR haben unsere Leute ausgebildet, die WIR auch behalten wollen ...!?" Wenn das Niveau der deutschen Unis sinkt, werden unsere Absolventen fürs Ausland bald weniger Interessant sein. Es ist, als würden wir eine Berliner Mauer um das Erbe der Humboldts errichten, das scheinen wir als Industrieland nötig zu haben.
Das wäre auch eine Art, den brain drain zu stoppen ...
Samstag, 7. Juli 2007
Rechnung
Das Netto-Monatseinkommen eines 26-jährigen ledigen Polizeimeisters liegt bei 1630 Euro, den Staat - uns - kostet das schätzungsweise das Doppelte, gehen wir von 3260 Euro aus. Ein Vierzigstel davon entspricht einem halben Arbeitstag, multipliziert mal 150 Beamte, die Donnerstag am Ufer die Abholzung dreier gesunder Bäume 'schützten', ergibt 12.225 Euro.
Da ja auch ältere und verheiratete Wachtmeister dabei gewesen sind, gehe ich mal von einer Größenordnung von 15.000 Euro nur für die Polizei aus - je halbem Tag. 22 Bäume wurden insgesamt gefällt, mir fehlt die Übersicht dessen, wie lange das gedauert haben mag.
15.000 Euro - genau diese Summe gibt die Reederei Riedel als Verlust an, der ihr täglich durch die Sperrung des Landwehrkanals entsteht, alle Reeder zusammen beziffern den Verlust auf über sechzigtausend Euro. Die Reeder zahlen seit langem Steuern, die auch zur Instandhaltung der Ufermauern hätten aufgewendet werden müssen.
Der Sperrungsbeschluss vom 23. Juni war wiederum das Mittel, den Druck zu erhöhen - merkwürdig nur, dass hinter den Absperrungen nicht umgehend Sanierungsmaßnahmen an den Mauern begonnen wurden. Oder Aufschüttungen der unterirdischen Trichter, die im Boden des Kanals an den Wende- und Anlegestellen entstanden sind - an genau den Stellen, an denen konkret Ufermauern eingebrochen sind. Es heißt doch, es sei Gefahr im Verzuge ...
Wie ist das Ganze zu erklären? Die Aufwendungen für den Polizeischutz sind kostenneutral, die Beamten stehen längst im Budget. Reparaturmaßnahmen werden weiter in der Finanzierung gestreckt, hier scheint keine große Eile geboten - und jetzt, nach Absägen der "Bedrohung", darf der Kanal auch wieder partiell befahren werden. Auf dass die Reeder weiter ihre Abgaben entrichten.
Tja, schade, Bäume zahlen leider keine Steuern.
Da ja auch ältere und verheiratete Wachtmeister dabei gewesen sind, gehe ich mal von einer Größenordnung von 15.000 Euro nur für die Polizei aus - je halbem Tag. 22 Bäume wurden insgesamt gefällt, mir fehlt die Übersicht dessen, wie lange das gedauert haben mag.
15.000 Euro - genau diese Summe gibt die Reederei Riedel als Verlust an, der ihr täglich durch die Sperrung des Landwehrkanals entsteht, alle Reeder zusammen beziffern den Verlust auf über sechzigtausend Euro. Die Reeder zahlen seit langem Steuern, die auch zur Instandhaltung der Ufermauern hätten aufgewendet werden müssen.
Der Sperrungsbeschluss vom 23. Juni war wiederum das Mittel, den Druck zu erhöhen - merkwürdig nur, dass hinter den Absperrungen nicht umgehend Sanierungsmaßnahmen an den Mauern begonnen wurden. Oder Aufschüttungen der unterirdischen Trichter, die im Boden des Kanals an den Wende- und Anlegestellen entstanden sind - an genau den Stellen, an denen konkret Ufermauern eingebrochen sind. Es heißt doch, es sei Gefahr im Verzuge ...
Wie ist das Ganze zu erklären? Die Aufwendungen für den Polizeischutz sind kostenneutral, die Beamten stehen längst im Budget. Reparaturmaßnahmen werden weiter in der Finanzierung gestreckt, hier scheint keine große Eile geboten - und jetzt, nach Absägen der "Bedrohung", darf der Kanal auch wieder partiell befahren werden. Auf dass die Reeder weiter ihre Abgaben entrichten.
Tja, schade, Bäume zahlen leider keine Steuern.
Mittwoch, 4. Juli 2007
Gefällt!
Am Maybachufer, direkt in unserer Nachbarschaft, wurden heute drei Bäume gefällt. Es waren drei Euramerikanische Hybridpappeln, sie standen sehr dicht am Wasser und waren sehr hoch. In ihnen nisteten Vögel, die Grillen waren dort auch zu Hause und im Spätsommer sammelten sich dort Vögel für den Flug in den Süden.
Sie standen so dicht an der Mauer, dass ihre Wurzeln bei einer Mauersanierung verletzt worden wären. In der Reihe stehen jetzt nur noch 'normalhohe' Bäume, das Ufer ist lückenhaft.
Es hat mir physisch wehgetan. Zugleich sehe ich, dass die Nachbarn bis zum 3. Stock jetzt mehr Licht in den Balkonzimmern haben.
Es wurden indes heute auch Bäume abgesagt, deren Zukunft nicht so düster gewesen ist wie die der Pappeln. Was mich wütend macht, ist, dass die Fällaktion mit 150 Polizisten abgesichert und dass zu nämlicher Stunde im Wasserschutzamt weiter offiziell verhandelt wurde. Man verwendet die Mechanismen der Demokratie, um unter Polizeischutz Verhandlungergebnisse vorwegzunehmen. Einer zynischere Form der Demokratiesimulation gibt es kaum.
Die Herren und Damen Regierenden lade ich herzlich dazu ein, sich die Kommentare der Kids im Kiez mal anzuhören, die das Treiben durchschauen. Wie sollen die zu Verteidigern der Demokratie heranwachsen?
In den Medien werden derweil die wackeren Reedereichefs vorstellt und ihr Bemühen, Arbeitsplätze zu erhalten. Ihre Situation tut mir aufrichtig Leid und auch, wie hier Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Man spielt Schach mit uns, und die Journalisten scheinen mitzumachen. Das Argument der überhöhten Geschwindigkeit, der explosionsartigen Zunahme des Fährverkehrs in den letzten zehn Jahren, das den Verfall der vernachlässigten Ufer beschleunigt hat, steht fast nirgends mehr zu lesen.
Ein Kompromiss bestünde sicher auch darin, dass die Wasserschutzpolizei hier die Überwachung der Höchstgeschwindigkeit wieder einführte, denn das schützt vor weiteren Uferunterspülungen. Anstatt sich auf die "Verursacher zweiten Grades", die schweren Bäume, zu stürzen. Für deren Fällung plötzlich Gehälter von Polizisten aufgewandt werden.
Und wie gehen Paris oder Amsterdam mit dem Problem um? Hier sind unsere unterbezahlten Journalisten meist nur noch Résuméschreiber und Anrufer in einem Land, einer Sprache. Nicht ihnen gilt der Vorwurf, oder ihnen nicht allein: Auch hier Fehlinvestitionen, wenn wie in den audiovisuellen Medien die Verwaltungskosten explodiert sind und die Honorare gekürzt werden.
Vom Balkon am Maybachufer aus sehe ich die großen Zusammenhänge, die Kollision der Interessen, Machtverteilung und -missbrauch, geringen Respekt vor schützenswerten Gütern: Demokratie, kindlichem Zukunftsoptimismus, Natur und Informationsfreiheit.
Das gefällt mir alles gar nicht.
Sie standen so dicht an der Mauer, dass ihre Wurzeln bei einer Mauersanierung verletzt worden wären. In der Reihe stehen jetzt nur noch 'normalhohe' Bäume, das Ufer ist lückenhaft.
Es hat mir physisch wehgetan. Zugleich sehe ich, dass die Nachbarn bis zum 3. Stock jetzt mehr Licht in den Balkonzimmern haben.
Es wurden indes heute auch Bäume abgesagt, deren Zukunft nicht so düster gewesen ist wie die der Pappeln. Was mich wütend macht, ist, dass die Fällaktion mit 150 Polizisten abgesichert und dass zu nämlicher Stunde im Wasserschutzamt weiter offiziell verhandelt wurde. Man verwendet die Mechanismen der Demokratie, um unter Polizeischutz Verhandlungergebnisse vorwegzunehmen. Einer zynischere Form der Demokratiesimulation gibt es kaum.
Die Herren und Damen Regierenden lade ich herzlich dazu ein, sich die Kommentare der Kids im Kiez mal anzuhören, die das Treiben durchschauen. Wie sollen die zu Verteidigern der Demokratie heranwachsen?
In den Medien werden derweil die wackeren Reedereichefs vorstellt und ihr Bemühen, Arbeitsplätze zu erhalten. Ihre Situation tut mir aufrichtig Leid und auch, wie hier Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Man spielt Schach mit uns, und die Journalisten scheinen mitzumachen. Das Argument der überhöhten Geschwindigkeit, der explosionsartigen Zunahme des Fährverkehrs in den letzten zehn Jahren, das den Verfall der vernachlässigten Ufer beschleunigt hat, steht fast nirgends mehr zu lesen.
Ein Kompromiss bestünde sicher auch darin, dass die Wasserschutzpolizei hier die Überwachung der Höchstgeschwindigkeit wieder einführte, denn das schützt vor weiteren Uferunterspülungen. Anstatt sich auf die "Verursacher zweiten Grades", die schweren Bäume, zu stürzen. Für deren Fällung plötzlich Gehälter von Polizisten aufgewandt werden.
Und wie gehen Paris oder Amsterdam mit dem Problem um? Hier sind unsere unterbezahlten Journalisten meist nur noch Résuméschreiber und Anrufer in einem Land, einer Sprache. Nicht ihnen gilt der Vorwurf, oder ihnen nicht allein: Auch hier Fehlinvestitionen, wenn wie in den audiovisuellen Medien die Verwaltungskosten explodiert sind und die Honorare gekürzt werden.
Vom Balkon am Maybachufer aus sehe ich die großen Zusammenhänge, die Kollision der Interessen, Machtverteilung und -missbrauch, geringen Respekt vor schützenswerten Gütern: Demokratie, kindlichem Zukunftsoptimismus, Natur und Informationsfreiheit.
Das gefällt mir alles gar nicht.
Freitag, 29. Juni 2007
Urlaub von Neukölln
Die letzten Wochen war ich auf einem französischen Filmfestival und im Hochschulseminar. Daher: Urlaub von Neukölln.
Währenddessen steht in den Zeitungen, dass ab dem Herbst in Neukölln Personenschutzunternehmen die Sicherheit der Schüler und Lehrer auf Schulhof und -weg fördern sollen, denn zu häufig gebe es Übergriffe von Youngsters untereinander.
Eine Seite weiter steht, dass die Managergehälter 2005 in Deutschland durchschnittlich dem 42fachen Gehalt der Angestellten entsprochen hätten - im Vergleich dazu lag dieser Unterschied in den 80er Jahren nur bei Faktor 20.
Die Verbindung zwischen den beiden Gedanken? Es ist der Verlust eines Gemeinschaftsgefühls und geteilter Verantwortung, so brüchig beides vor Jahrzehnten in Deutschland auch gewesen sein mag. Zu oft erlebe ich, wie Probleme auf ihre vermeintlich schnellen Lösungen reduziert werden und dass Partikularinteressen im Vordergrund stehen, um es nicht für "Zeitgeist" zu halten.
Währenddessen steht in den Zeitungen, dass ab dem Herbst in Neukölln Personenschutzunternehmen die Sicherheit der Schüler und Lehrer auf Schulhof und -weg fördern sollen, denn zu häufig gebe es Übergriffe von Youngsters untereinander.
Eine Seite weiter steht, dass die Managergehälter 2005 in Deutschland durchschnittlich dem 42fachen Gehalt der Angestellten entsprochen hätten - im Vergleich dazu lag dieser Unterschied in den 80er Jahren nur bei Faktor 20.
Die Verbindung zwischen den beiden Gedanken? Es ist der Verlust eines Gemeinschaftsgefühls und geteilter Verantwortung, so brüchig beides vor Jahrzehnten in Deutschland auch gewesen sein mag. Zu oft erlebe ich, wie Probleme auf ihre vermeintlich schnellen Lösungen reduziert werden und dass Partikularinteressen im Vordergrund stehen, um es nicht für "Zeitgeist" zu halten.
Dienstag, 12. Juni 2007
Brücke und TV-Tipp
Christian Ströbele, der Schultes Franz Schulz und andere - Politiker wurden gerufen, und sie kamen in den letzten Tagen auf die Brücke.
Gestern nun trafen sich Wasserschutzamt und Bezirke, jetzt haben "nur noch" 34 Bäume Faktor 1,1 haben - den Faktor der höchsten Unsicherheit. 38 Bäume stehen "optional" unter Gefahr.
In den nächsten Wochen wird weiter geprüft und die WSA lädt zu einer Infoveranstaltung ein, auch uns Anwohner.
Die Bäume im Fernsehen. Weitersagen!
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Mittwoch, 13.06., RBB, ab 21.30: Das rbb Politik-Magazin "Klartext" berichtet über den Kanal, die Bäume und uns protestierende Anwohner unter dem Titel: "Zerstörungen am Landwehrkanal waren absehbar".
Gestern nun trafen sich Wasserschutzamt und Bezirke, jetzt haben "nur noch" 34 Bäume Faktor 1,1 haben - den Faktor der höchsten Unsicherheit. 38 Bäume stehen "optional" unter Gefahr.
In den nächsten Wochen wird weiter geprüft und die WSA lädt zu einer Infoveranstaltung ein, auch uns Anwohner.
Die Bäume im Fernsehen. Weitersagen!
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Mittwoch, 13.06., RBB, ab 21.30: Das rbb Politik-Magazin "Klartext" berichtet über den Kanal, die Bäume und uns protestierende Anwohner unter dem Titel: "Zerstörungen am Landwehrkanal waren absehbar".
Samstag, 9. Juni 2007
Filmsequenz ...
Eben in der Bank. Es ist Samstag, Schlag zwei Uhr. Die Auszubildende schiebt die Milchglaswand zu, die aus drei Teilen besteht und den Innenraum vom Vorraum trennt. Sie bittet die letzten Wartenden einzutreten, hakt das zweite Glasteil ein, verschließt beide mit einem Spezialschlüssel, holt das dritte Glasteil mit Tür drinnen aus der Wandnische.
Sie schäkert denen zu, die noch gerade in den Innenraum getreten sind. “So, und hier werden sie jetzt das Wochenende mit uns verbringen. Na, wird das schön?” Die Wartenden sind perplex. Einer, er sieht nett aus, ist aber ärmlich gekleidet, mustert die junge Frau eindringlich, grinst dann, schaut kurz in die Runde, zwinkert ihr zu: “Das hängt ganz von den Umständen ab.” Sie: “Naja, alle liegen auf dem Boden, dürfen nur flach atmen und auf Klo gehen is’ nich’!”
Der Mann steht sprachlos da. Es klopft an der Glastür in der Glaswand. Die Frau hakt seelenruhig das dritte Element ein, verschließt es, sagt zufrieden: “So, jetzt isses propper!” Es klopft wieder. Sie öffnet die Tür einen Spalt breit. Dahinter steht ein junger, teuer gekleideter Mann. “Darf ich noch was einzahlen?” Die Auszubildende: “Wir haben schon geschlossen, aber gut, ausnahmsweise!” Sie macht kurz auf. Dann geht sie hinter einen der Tresen, fragt laut in die Runde: “Noch jemand für Kasse?”
Klar, dass mein Hirn weiterarbeitet: Der teuer gekleidete Mann zieht sich plötzlich einen Damenstrumpf über das Gesicht, greift in die Tasche und ...
Dann bin ich dran. Mit breitem Grinsen hebe ich Geld ab und wünsche allseits ein schönes Wochenende mit viel Luft und Natur ...
Sie schäkert denen zu, die noch gerade in den Innenraum getreten sind. “So, und hier werden sie jetzt das Wochenende mit uns verbringen. Na, wird das schön?” Die Wartenden sind perplex. Einer, er sieht nett aus, ist aber ärmlich gekleidet, mustert die junge Frau eindringlich, grinst dann, schaut kurz in die Runde, zwinkert ihr zu: “Das hängt ganz von den Umständen ab.” Sie: “Naja, alle liegen auf dem Boden, dürfen nur flach atmen und auf Klo gehen is’ nich’!”
Der Mann steht sprachlos da. Es klopft an der Glastür in der Glaswand. Die Frau hakt seelenruhig das dritte Element ein, verschließt es, sagt zufrieden: “So, jetzt isses propper!” Es klopft wieder. Sie öffnet die Tür einen Spalt breit. Dahinter steht ein junger, teuer gekleideter Mann. “Darf ich noch was einzahlen?” Die Auszubildende: “Wir haben schon geschlossen, aber gut, ausnahmsweise!” Sie macht kurz auf. Dann geht sie hinter einen der Tresen, fragt laut in die Runde: “Noch jemand für Kasse?”
Klar, dass mein Hirn weiterarbeitet: Der teuer gekleidete Mann zieht sich plötzlich einen Damenstrumpf über das Gesicht, greift in die Tasche und ...
Dann bin ich dran. Mit breitem Grinsen hebe ich Geld ab und wünsche allseits ein schönes Wochenende mit viel Luft und Natur ...
Donnerstag, 7. Juni 2007
Die Sägen vorerst gestoppt
Am Landwehrkanal droht das Baumsterben - von Menschenhand. Um die maroden Ufermauern zu sichern, plant das Schifffahrtsamt eine radikale "Verjüngung" des Baumbestandes.
Heute Abend war bei der täglichen Lagebesprechung nach 18.00 Uhr am Landwehrkanal Bezirksbürgermeister Franz Schulz anwesend. Er hat sich alles angehört und sagte zu, sich in der Sache zu engagieren.
Anwohner haben heute zusammen mit einer Anwältin Akteneinsicht beim Schifffahrtsamt genommen. In fünf Akten stehen seitenlange Untersuchungs- und Tauchergebnisse - und nur wenig zum Thema Bäume. Gründliche und von Messergebnissen gedeckte Untersuchungsergebnisse über die tatsächliche Last auf die Uferwände, die von den Bäumen als Verursacher ausgehen soll, fehlen überraschenderweise.
Dabei haben das Amt bzw. ihre Vertreter in persönlichen Gesprächen mit Anwohnern eingestanden, jahrelang die Wartungsarbeiten vernachlässigt zu haben.
Die eigentlichen Verursacher sind, auch das beschreiben die Untersuchungen, die Schiffe. Die modernen Touristenschiffe haben ein viel größeres Volumen als die alten; sie fahren schneller, als sie dürfen, zum Teil im zwei-Minuten-Takt. Ihre Bugwelle drückt erst auf die Uferwand und übt im Anschluss einen Druck in die andere Richtung aus. Etliche Steine der Verblendung wurden so bereits rausgezogen. Das Erdreich darunter wird nass und zum Teil ausgespült. Die sonst im Wasser befindlichen Elemente des Fundaments, sie sind aus Holz, kommen so immer wieder mit Luft in Berührung, was ihren Verfall beschleunigt.
Noch stehen die Bäume hier am Ufer. Widerstand formiert sich - zumindest in Kreuzberg, nicht in Charlottenburg, wo das große Bäumeschlachten begonnen wurde.
Sicher, alles ist endlich, auch ein Baum. Aber hier ist es schon komisch, dass ein Monat nach den abgesackten Kaimauern schon das Urteil über mindestens 200 Bäume gefällt wurde - und dass dabei die Kausalitäten außer Acht gelassen werden.
Heute Abend war bei der täglichen Lagebesprechung nach 18.00 Uhr am Landwehrkanal Bezirksbürgermeister Franz Schulz anwesend. Er hat sich alles angehört und sagte zu, sich in der Sache zu engagieren.
Anwohner haben heute zusammen mit einer Anwältin Akteneinsicht beim Schifffahrtsamt genommen. In fünf Akten stehen seitenlange Untersuchungs- und Tauchergebnisse - und nur wenig zum Thema Bäume. Gründliche und von Messergebnissen gedeckte Untersuchungsergebnisse über die tatsächliche Last auf die Uferwände, die von den Bäumen als Verursacher ausgehen soll, fehlen überraschenderweise.
Dabei haben das Amt bzw. ihre Vertreter in persönlichen Gesprächen mit Anwohnern eingestanden, jahrelang die Wartungsarbeiten vernachlässigt zu haben.
Die eigentlichen Verursacher sind, auch das beschreiben die Untersuchungen, die Schiffe. Die modernen Touristenschiffe haben ein viel größeres Volumen als die alten; sie fahren schneller, als sie dürfen, zum Teil im zwei-Minuten-Takt. Ihre Bugwelle drückt erst auf die Uferwand und übt im Anschluss einen Druck in die andere Richtung aus. Etliche Steine der Verblendung wurden so bereits rausgezogen. Das Erdreich darunter wird nass und zum Teil ausgespült. Die sonst im Wasser befindlichen Elemente des Fundaments, sie sind aus Holz, kommen so immer wieder mit Luft in Berührung, was ihren Verfall beschleunigt.
Noch stehen die Bäume hier am Ufer. Widerstand formiert sich - zumindest in Kreuzberg, nicht in Charlottenburg, wo das große Bäumeschlachten begonnen wurde.
Sicher, alles ist endlich, auch ein Baum. Aber hier ist es schon komisch, dass ein Monat nach den abgesackten Kaimauern schon das Urteil über mindestens 200 Bäume gefällt wurde - und dass dabei die Kausalitäten außer Acht gelassen werden.
Montag, 4. Juni 2007
Bäume am Landwehrkanal
Gerade sind die Tage der Schafskälte. Und doch treffe ich am Ufer nur auf erhitzte Gemüter. Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Berlin will am Landwehrkanal 200 Bäume abholzen lassen, mindestens. Grund: Die Schifffahrt unterspült seit Jahren die Fundamente der 100 Jahre alten und stellenweise hölzernen "Uferspundwände" und hat sie marode werden lassen, und zwar sowohl die Touristenschiffe als auch Privatboote. Hinzu kommt, dass die Bäume mit ihrem Gewicht auf die Befestigungsmauern drücken.
Die Ufer, so das Amt, stünden also eine akute Gefahr dar für jeden Spaziergänger, für jedes spielende Kind. Um den Schaden evaluieren zu können, sei "eine kurzfristige Entfernung des Bewuchses unumgänglich." Die "Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr" erlaube keinen Aufschub, hieß es beim Amt.
Nachbarn berichten, dass anderenorts Fällungen nur durch Anwohner verhindert werden konnten, die nach der Polizei riefen. Jene fragte nach Genehmigung von Bezirk- und Grünflächenamt; da die Papiere nicht vorgelegen hatten, mussten die Herren mit der Kettensäge unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Doch es ist nur ein Aufschub. In den kommenden zwei bis drei Wochen will das WSA nun dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen Zeitplan für die Fällungen vorlegen. Der Bezirk hat kein Mitspracherecht, das Gelände gehört dem Bund, er wird aber konsultiert.
Das ganze Ausmaß ist noch unklar. Wiederholt sprachen die von Anwohnern befragten Arbeiter und auch Vertreter des Amtes von bis zu 450 zu fällenden Bäumen - auf einer Strecke von 11,6 Kilometern. Alle Bäume, die näher als drei Meter an die Wasserkante heranreichen und die höher als 15 Meter sind, sollen weichen. Darunter malerisch schöne Pappeln, Weiden, Erlen, Eschen und Ahorne. Viele Bäume sind Naturdenkmale, überall brüten derzeit die Vögel.
Im Herbst sei frühestens Baubeginn, meldet "die Welt", die stählernen Spundbohlen aus Luxemburg hätten ca. 16 Wochen Lieferzeit. Erneut die Frage: wozu die Eile?
Das Schifffahrtsamt wiederum pocht auf ordnungsgemäße Abläufe, es sei Gefahr im Verzug. Und Ausgleichspflanzungen würden natürlich durchgeführt, aber "an anderen, nicht gefährdeten Standorten".
Nächstes Jahr wird der Landwehrkanal 150 Jahre alt. Wenn es so kommt, wie es das Amt vorsieht, ist er dann an weiten Stellen eine Baustelle, an anderen ein neu einbetoniertes Gewässer mit Sandsteinverblendung, dazu einige wenige Bäumchen links und rechts.
Allein diese Sanierung der Uferbefestigung wird mit 100-130 Millionen Euro veranschlagt. Kosteneinschätzungen über eine Sanierung mit Baumschutz wurden noch nicht veröffentlicht. Bislang scheint auch von amtswegen sich keiner zu fragen, wie das in anderen Städten geregelt wird, zum Beispiel in Amsterdam oder in Paris. Weitere Vergleichszahlen wären sicher interessant, der Kanal vor meinen Fenstern ist ein sehr belebtes Gewässer: Die zentrale Berliner Schleuse zählt 8000 Ausflugsdampfer jährlich, vor 12 Jahren war es die Hälfte. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Sportboote verfünffacht (auf jetzt 5000)!
Die Reeder haben sich wenigstens mit dem Wasseramt darauf geeinigt, jetzt nur noch in eine Richtung zu fahren, und zwar "zu Tal", das solle die Uferbefestigung entlasten.
Etliche Anwohner machen jetzt gegen das Bäumefällen mobil, hatten ein Transparent auf der Admiralsbrücke aufgehängt, das polizeilich entfernt wurde, drucken und verteilen Zettel, treffen sich nun täglich um 18.00 Uhr auf eben dieser Brücke zur Diskussion.
Quelle für das Foto und mehr Infos hier: http://www.baeume-am-landwehrkanal.de
Die Ufer, so das Amt, stünden also eine akute Gefahr dar für jeden Spaziergänger, für jedes spielende Kind. Um den Schaden evaluieren zu können, sei "eine kurzfristige Entfernung des Bewuchses unumgänglich." Die "Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr" erlaube keinen Aufschub, hieß es beim Amt.
Die Gefahren sind offensichtlich. Am 19. April brach bereits etwas vom Steg der Reederei Riedel am Maybachufer ab. Auch in der Nähe des Technikmuseums hat's gebröckelt. Viele Wegabschnitte wurden über Nacht gesperrt. Allein, es verwirrt, dass nach Jahrzehnten der Vernachlässigung nun diese Eile an den Tag gelegt wird: Kurz nach dem 22. Mai ging es mit Rodungen am Charlottenburger Einsteinufer los; letzten Freitag wurden am Kreuzberger Carl-Herz-Ufer die ersten drei Bäume gefällt, es waren Pappeln.In der ersten Woche 16 Bäume gefällt
Nachbarn berichten, dass anderenorts Fällungen nur durch Anwohner verhindert werden konnten, die nach der Polizei riefen. Jene fragte nach Genehmigung von Bezirk- und Grünflächenamt; da die Papiere nicht vorgelegen hatten, mussten die Herren mit der Kettensäge unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Doch es ist nur ein Aufschub. In den kommenden zwei bis drei Wochen will das WSA nun dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen Zeitplan für die Fällungen vorlegen. Der Bezirk hat kein Mitspracherecht, das Gelände gehört dem Bund, er wird aber konsultiert.
Das ganze Ausmaß ist noch unklar. Wiederholt sprachen die von Anwohnern befragten Arbeiter und auch Vertreter des Amtes von bis zu 450 zu fällenden Bäumen - auf einer Strecke von 11,6 Kilometern. Alle Bäume, die näher als drei Meter an die Wasserkante heranreichen und die höher als 15 Meter sind, sollen weichen. Darunter malerisch schöne Pappeln, Weiden, Erlen, Eschen und Ahorne. Viele Bäume sind Naturdenkmale, überall brüten derzeit die Vögel.
Im Herbst sei frühestens Baubeginn, meldet "die Welt", die stählernen Spundbohlen aus Luxemburg hätten ca. 16 Wochen Lieferzeit. Erneut die Frage: wozu die Eile?
Das Schifffahrtsamt wiederum pocht auf ordnungsgemäße Abläufe, es sei Gefahr im Verzug. Und Ausgleichspflanzungen würden natürlich durchgeführt, aber "an anderen, nicht gefährdeten Standorten".
Nächstes Jahr wird der Landwehrkanal 150 Jahre alt. Wenn es so kommt, wie es das Amt vorsieht, ist er dann an weiten Stellen eine Baustelle, an anderen ein neu einbetoniertes Gewässer mit Sandsteinverblendung, dazu einige wenige Bäumchen links und rechts.
Allein diese Sanierung der Uferbefestigung wird mit 100-130 Millionen Euro veranschlagt. Kosteneinschätzungen über eine Sanierung mit Baumschutz wurden noch nicht veröffentlicht. Bislang scheint auch von amtswegen sich keiner zu fragen, wie das in anderen Städten geregelt wird, zum Beispiel in Amsterdam oder in Paris. Weitere Vergleichszahlen wären sicher interessant, der Kanal vor meinen Fenstern ist ein sehr belebtes Gewässer: Die zentrale Berliner Schleuse zählt 8000 Ausflugsdampfer jährlich, vor 12 Jahren war es die Hälfte. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Sportboote verfünffacht (auf jetzt 5000)!
Die Reeder haben sich wenigstens mit dem Wasseramt darauf geeinigt, jetzt nur noch in eine Richtung zu fahren, und zwar "zu Tal", das solle die Uferbefestigung entlasten.
Etliche Anwohner machen jetzt gegen das Bäumefällen mobil, hatten ein Transparent auf der Admiralsbrücke aufgehängt, das polizeilich entfernt wurde, drucken und verteilen Zettel, treffen sich nun täglich um 18.00 Uhr auf eben dieser Brücke zur Diskussion.
Quelle für das Foto und mehr Infos hier: http://www.baeume-am-landwehrkanal.de
Dienstag, 29. Mai 2007
Prozente
Karl Marx-Straße in Neukölln, an der U-Bahn-Station "Rathaus Neukölln": Ich bin in der Berliner Bank und habe beim Warten in der Schlange Zeit, mir die Werbung anzuschauen. An den Wänden Plakate wie in allen Filialen dieser Bank, nur in der Tür steht ein Flip Chart: 3,6 % ... und wie's weitergeht, kann ich nicht lesen. Auch die Überschrift verstehe ich nicht. Die Werbung ist ausschließlich auf Türkisch. Ich fühle mich, als wäre ich auf Reisen.
Samstag, 26. Mai 2007
NK-/Xberg-Parlando zum Thema Essen
Die sommerliche Stadtlandschaft von Nord-Neukölln hat sich, verglichen mit den letzten Jahren, stark verändert. Zumindest direkt an der Grenze zu Kreuzberg. Cafés und Restaurants stellen Tische und Stühle vor die Tür, auch an die Uferseite, auf den Bürgersteig, für den Wasserblick. Es sind wesentlich mehr Spaziergänger unterwegs, junge Leute, aber auch Touristen. Der Landwehrkanal ist nicht mehr die trennende Grenze. Auf der Ohlauer Brücke steht wieder Carsten, der Schauspieler, mit seinem Eiswagen, ab und zu besucht von seiner Frau und der inzwischen 5-monatigen Tochter.
Auf dem Landwehrkanal sind wie jeden Sommer die Sight-seeing-Schiffe unterwegs, aber sie fahren derzeit meistens nur in eine Richtung. Der Bootssteg an der Kottbusser Brücke ist Mitte April teilweise ins Wasser gebröckelt - und nun wird nicht nur hier saniert, an der ganzen Uferkante könne es jederzeit losbrechen, so das Ergebnis einer Untersuchung. Einst, als die Stadt sich an der Stelle der Stadtbefestigungen und der Schlachtfelder einen Bahnring und einen Kanal baute, um die Versorgung der Stadt auch mit Baumaterial zu erleichtern, war an solchem gespart worden. Aufwändige Bauarbeiten zur Befestigung des Kanals stehen bevor, die bis zu 200 Bäume kosten wird.
Sonst weiß ich nichts Neues aus NK, wie Neukölln immer häufiger genannt wird, oder aber "Kreuzkölln" wegen der von 'drüben' langsam in den unseren Bezirk diffundierenden Bevölkerung. Nur Kreuz(X)berg ist weiterhin in den Schlagzeilen. Nein, kein erster Mai mit seinen "Deeskalationswürstchen" für zwei Euro, auch keine "Kübel" auf Edelrestaurants wie in den 80er Jahren. McDonald eröffnet hier eine Filiale. Der Schnellbräter, der am Kreml und in der verbotenen Stadt in Beijing vertreten ist (für Peking verbürge ich mich höchstpersönlich), McDo also hatte in Xberg bislang noch keine Niederlassung.
Das ist nun anders und die Kommentatoren der Gazetten überschlagen sich. Es ist nicht das ungesunde Essen allein, das aufregt, derlei "können" auch viele Schnellimbissbuden. Die Lebensmittelindustrie mit ihren Abholzungen in Schwellenländern, die Sojaplantagen, die Massenaufzucht von Schlachtvieh, die Arbeitsbedingungen in den Restaurants werden hier wieder diskutiert. Das ist neu, Kreuzberg mit seiner Alternativkultur hatte das Thema längst ad acta gelegt. In der Kantine der Regenbogenfabrik, eines der alternativen Projekte, das vor ziemlich genau 25 Jahren mit einer Hausbesetzung begann, sieht man die Sache weiterhin gelassen: 'Außer Touris und ein paar verzweifelten Kids aus veganen WGs, die sich dort aus Protest treffen werden', bliebe der Ort sicher leer.
Eigentlich habe ich bislang nur übers Essen geschrieben. Und bin geneigt, dem einen Schlenker hinzuzufügen. Und von Gesprächen zu berichten, die vorhin auf einer Parkbank am Landwehrkanal geführt wurden. Daran beteiligt: Drei Akademiker von um die Mitte Dreißig/Anfang vierzig. Sie sitzen hier bei Carstens wunderbarem Eis, weil die Caféterrasse am Ufer für sie zu teuer ist. Sie leben von Lektoraten, gelegentlichen Jobs im gelernten Beruf, Re-writing - und hoffen auf eine Perspektive an der Uni. Deshalb verdingen sie sich dort als akademische Tagelöhner, unterrichten zum Teil seit 10 Jahren und bei ewig unklaren Perspektiven. Nun erwägen sie, mit anderen zusammen zu streiken. Aufhänger ist die Mindestlohndebatte. Was wollen sie? Nichts als den Mindestlohn - 7 Euro 50 für jede effektiv gearbeitete Stunde.
Lehrbeauftragte an deutschen Hochschulen erhalten (im geisteswissenschaftlichen Bereich) das gleiche Geld wie vor 40 Jahren: Um die 40 Mark. Ca. 20 Euro für die gehaltene Einzelstunde, der oft sechs, acht Stunden Vor- und Nachbereitung gegenüberstehen. Wer dann noch Bücher selbst kauft, weil die Berliner Bibliotheken "sparen" müssen und auch sein Fahrgeld selbst zahlen muss, steht am Ende mit einem Euro je Arbeitsstunde da. Ein Streik wäre da kein enormer Verlust. Nur für die Unis: an Berliner Hochschulen kommen inzwischen 30 Prozent der Angebote von freien Mitarbeitern.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral - mir geht's genauso. Einen Tag die Woche zahlt der Staat mir genau das, was mich "mein Schreibtisch" an genau diesem Tag kostet, also die Miete für mein Arbeitszimmer, das Telefon, die Abschreibung des Rechners, die Druckertinte. Mehr nicht. Die anderen Lehrbeauftragten, sie wohnen in ein- bis anderthalb Zimmerwohnungen in billigen Kreuzberger und Neuköllner Wohnungen, fahren zu Monatsende auch mal Taxi oder geben Zehlendorfer Gören Musikunterricht. Oder Leuten vom Potsdamer Platz Privatunterricht in Wirtschaftschinesisch - für 60 Euro die Stunde.
Die Einführung des Mindestlohns führte bei den Lehrbeauftragten, rechnet man für jede gehaltene Einzelstunde einen ganzen Arbeitstag, zu einem Honorar von 1.440 Euro (im kürzeren Sommersemester); derzeit gezahlt werden für zwei Semesterwochenstunden und 12 Wochen um die 500 Euro. (Im längeren Wintersemester wären es 1.920 statt 680 Euro.)
Und hier sind wir nur beim sozialen Mindestlohn, den auch Ungelernte beanspruchen, noch nicht bei Entlohnungen, die Studium und Berufserfahrung berücksichtigen.
Wundert sich in Deutschland noch einer über PISA? Bon appétit !
Auf dem Landwehrkanal sind wie jeden Sommer die Sight-seeing-Schiffe unterwegs, aber sie fahren derzeit meistens nur in eine Richtung. Der Bootssteg an der Kottbusser Brücke ist Mitte April teilweise ins Wasser gebröckelt - und nun wird nicht nur hier saniert, an der ganzen Uferkante könne es jederzeit losbrechen, so das Ergebnis einer Untersuchung. Einst, als die Stadt sich an der Stelle der Stadtbefestigungen und der Schlachtfelder einen Bahnring und einen Kanal baute, um die Versorgung der Stadt auch mit Baumaterial zu erleichtern, war an solchem gespart worden. Aufwändige Bauarbeiten zur Befestigung des Kanals stehen bevor, die bis zu 200 Bäume kosten wird.
Sonst weiß ich nichts Neues aus NK, wie Neukölln immer häufiger genannt wird, oder aber "Kreuzkölln" wegen der von 'drüben' langsam in den unseren Bezirk diffundierenden Bevölkerung. Nur Kreuz(X)berg ist weiterhin in den Schlagzeilen. Nein, kein erster Mai mit seinen "Deeskalationswürstchen" für zwei Euro, auch keine "Kübel" auf Edelrestaurants wie in den 80er Jahren. McDonald eröffnet hier eine Filiale. Der Schnellbräter, der am Kreml und in der verbotenen Stadt in Beijing vertreten ist (für Peking verbürge ich mich höchstpersönlich), McDo also hatte in Xberg bislang noch keine Niederlassung.
Das ist nun anders und die Kommentatoren der Gazetten überschlagen sich. Es ist nicht das ungesunde Essen allein, das aufregt, derlei "können" auch viele Schnellimbissbuden. Die Lebensmittelindustrie mit ihren Abholzungen in Schwellenländern, die Sojaplantagen, die Massenaufzucht von Schlachtvieh, die Arbeitsbedingungen in den Restaurants werden hier wieder diskutiert. Das ist neu, Kreuzberg mit seiner Alternativkultur hatte das Thema längst ad acta gelegt. In der Kantine der Regenbogenfabrik, eines der alternativen Projekte, das vor ziemlich genau 25 Jahren mit einer Hausbesetzung begann, sieht man die Sache weiterhin gelassen: 'Außer Touris und ein paar verzweifelten Kids aus veganen WGs, die sich dort aus Protest treffen werden', bliebe der Ort sicher leer.
Eigentlich habe ich bislang nur übers Essen geschrieben. Und bin geneigt, dem einen Schlenker hinzuzufügen. Und von Gesprächen zu berichten, die vorhin auf einer Parkbank am Landwehrkanal geführt wurden. Daran beteiligt: Drei Akademiker von um die Mitte Dreißig/Anfang vierzig. Sie sitzen hier bei Carstens wunderbarem Eis, weil die Caféterrasse am Ufer für sie zu teuer ist. Sie leben von Lektoraten, gelegentlichen Jobs im gelernten Beruf, Re-writing - und hoffen auf eine Perspektive an der Uni. Deshalb verdingen sie sich dort als akademische Tagelöhner, unterrichten zum Teil seit 10 Jahren und bei ewig unklaren Perspektiven. Nun erwägen sie, mit anderen zusammen zu streiken. Aufhänger ist die Mindestlohndebatte. Was wollen sie? Nichts als den Mindestlohn - 7 Euro 50 für jede effektiv gearbeitete Stunde.
Lehrbeauftragte an deutschen Hochschulen erhalten (im geisteswissenschaftlichen Bereich) das gleiche Geld wie vor 40 Jahren: Um die 40 Mark. Ca. 20 Euro für die gehaltene Einzelstunde, der oft sechs, acht Stunden Vor- und Nachbereitung gegenüberstehen. Wer dann noch Bücher selbst kauft, weil die Berliner Bibliotheken "sparen" müssen und auch sein Fahrgeld selbst zahlen muss, steht am Ende mit einem Euro je Arbeitsstunde da. Ein Streik wäre da kein enormer Verlust. Nur für die Unis: an Berliner Hochschulen kommen inzwischen 30 Prozent der Angebote von freien Mitarbeitern.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral - mir geht's genauso. Einen Tag die Woche zahlt der Staat mir genau das, was mich "mein Schreibtisch" an genau diesem Tag kostet, also die Miete für mein Arbeitszimmer, das Telefon, die Abschreibung des Rechners, die Druckertinte. Mehr nicht. Die anderen Lehrbeauftragten, sie wohnen in ein- bis anderthalb Zimmerwohnungen in billigen Kreuzberger und Neuköllner Wohnungen, fahren zu Monatsende auch mal Taxi oder geben Zehlendorfer Gören Musikunterricht. Oder Leuten vom Potsdamer Platz Privatunterricht in Wirtschaftschinesisch - für 60 Euro die Stunde.
Die Einführung des Mindestlohns führte bei den Lehrbeauftragten, rechnet man für jede gehaltene Einzelstunde einen ganzen Arbeitstag, zu einem Honorar von 1.440 Euro (im kürzeren Sommersemester); derzeit gezahlt werden für zwei Semesterwochenstunden und 12 Wochen um die 500 Euro. (Im längeren Wintersemester wären es 1.920 statt 680 Euro.)
Und hier sind wir nur beim sozialen Mindestlohn, den auch Ungelernte beanspruchen, noch nicht bei Entlohnungen, die Studium und Berufserfahrung berücksichtigen.
Wundert sich in Deutschland noch einer über PISA? Bon appétit !
Freitag, 25. Mai 2007
Frühjahrspunsch
Eine ordentliche Menge Minze, etwas Brennessel und nach Geschmack Süßholz mit einem Viertelliter siedendem Wasser übergießen. Abkühlen lassen, abseihen. Dann Kräuteressenzen aus dem Reformhaus (in Cannes erworben, gibt's auch im Netz) hinzu: 15 ml Ginseng, Shiitake, Propolis und Gelée Royale (Kombipräparat), 30 ml Ackerraute oder auch Erdrauch genannt, 30 ml Hamamelisextrakt und Zypresse (Kombipräparat), dazu den Saft einer Orange und einer halben Zitrone.
Schmeckt super! Regt den Kreislauf an, stärkt die Abwehrkraft, wirkt krampflösend und ist auch als Behandlung bei Erkältungen geeignet, außerdem entzündungshemmend und harntreibend.
Für Kinder verboten! (Sonst ist gleich alles weg.)
Schmeckt super! Regt den Kreislauf an, stärkt die Abwehrkraft, wirkt krampflösend und ist auch als Behandlung bei Erkältungen geeignet, außerdem entzündungshemmend und harntreibend.
Für Kinder verboten! (Sonst ist gleich alles weg.)
Donnerstag, 24. Mai 2007
Frühsommer
Die Sonne scheint, alle sind fröhlich. Alle? In einem Haus am Rande der City, genauer: am Maybachufer, regt sich Widerspruch. Heuschnupfen! Gegen Getreide und Gräser, die früher niemals gleichzeitig geblüht hatten und die mich in ihrer Gleichzeitigkeit fast lahmlegen.
Dieses Jahr, in dem der Schneewinter schon an einem Samstagvormittag stattgefunden hat, sind wegen Geldmangels Frühjahr und Sommer in eine Jahreszeit verlegt worden.
Sie lachen? Ich nicht. Wir müssen endlich mehr Geld für die Umwelt ausgeben. Stattdessen wurden von der Politik Werbeagenturen damit beauftragt, sanfte Begriffe für das Wort Klimakatastrophe zu finden. Quelle: "Les nouvelles censures", Paul Moreira, Der französische investigative Journalist nimmt kundig das auseinander, was er im Untertitel seines Buches mit "In den Kulissen der Manipulation" beschreibt. Verlegt bei Robert Laffont.
Dieses Jahr, in dem der Schneewinter schon an einem Samstagvormittag stattgefunden hat, sind wegen Geldmangels Frühjahr und Sommer in eine Jahreszeit verlegt worden.
Sie lachen? Ich nicht. Wir müssen endlich mehr Geld für die Umwelt ausgeben. Stattdessen wurden von der Politik Werbeagenturen damit beauftragt, sanfte Begriffe für das Wort Klimakatastrophe zu finden. Quelle: "Les nouvelles censures", Paul Moreira, Der französische investigative Journalist nimmt kundig das auseinander, was er im Untertitel seines Buches mit "In den Kulissen der Manipulation" beschreibt. Verlegt bei Robert Laffont.
Dienstag, 15. Mai 2007
Kieze im Wandel
Neue Läden im Kiez: Der Butter-Lindner auf dem "Kotty" ist weg, ein Berliner Traditionsbetrieb mit Feinkostcharakter, stattdessen ein XL-Euro-"Koaför", jede Frisur ein Zehner. Der Buchladen auf dem Kottbusser Damm Nahe Herrmannplatz ist weg, er war auf der Kreuzberger Seite, stattdessen kann man hier bald türkische Hochzeitsmode und -geschenke erwerben. Der zweite verbliebene Buchladen auf dem Kottbusser Damm, gleichen Seite, aber Nähe Kottbusser Brücke, wich einem Schuhladen.
Noch hält sich der alte Lampen- und Haushaltselektronikladen; schon vor etlichen Jahren, mindestens sieben, machte im Gräfekiez der wunderbare Schrauben- und Bastelbedarfsladen dicht (hier wurden auch Einzelschrauben verkauft). Das "Leistenhaus" in der Hobrechtstraße hat nur noch wenige Stunden in der Woche auf, der alte Uhrenladen in der Gräfestraße auch. Schließungen dies- und jenseits des Kottbusser Damms also: angestammte Betriebe finden keine Nachfolger. Wo auf der Kreuzberger Seite meistens Kneipen und Bars einziehen, bieten auf der Neuköllner Seite verstärkt Trödler und Restposten-Schnäppchen-Kleidersupermärkte ihre Waren feil. Auf beiden Seiten gleich ist die Nutzung von Kleinstläden als Büros.
Noch hält sich der alte Lampen- und Haushaltselektronikladen; schon vor etlichen Jahren, mindestens sieben, machte im Gräfekiez der wunderbare Schrauben- und Bastelbedarfsladen dicht (hier wurden auch Einzelschrauben verkauft). Das "Leistenhaus" in der Hobrechtstraße hat nur noch wenige Stunden in der Woche auf, der alte Uhrenladen in der Gräfestraße auch. Schließungen dies- und jenseits des Kottbusser Damms also: angestammte Betriebe finden keine Nachfolger. Wo auf der Kreuzberger Seite meistens Kneipen und Bars einziehen, bieten auf der Neuköllner Seite verstärkt Trödler und Restposten-Schnäppchen-Kleidersupermärkte ihre Waren feil. Auf beiden Seiten gleich ist die Nutzung von Kleinstläden als Büros.
Montag, 14. Mai 2007
Wandinschrift
... in der Reuterstraße: "Denken gefährdet ihre Dummheit. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Hartz-Berater oder Lehrer"
Donnerstag, 10. Mai 2007
Deutsch-französische Fernsehblödeleien
... Insider-Witze, für die andren: Sorry!
Okay, okay, ich erklär' sie doch.
Ich war neulich bei RFI, dem französischen Auslandsradio, und wurde interviewt. Jemand beschwerte sich darüber, dass letztens mal wieder der Franzose, der im Tatort vorgekommen ist, wie üblich Koch, Weiberheld, Weinkenner usw. hätte sein müssen. Das mit dem Klischeefranzosen verteidigte Søren Schumann, ein rbb-Arte-Mann, augenzwinkernd, müsse so sein, weil das Progamm ja schließlich “t’as tort" heißt :-)
(Tatort, sehr französisch ausgesprochen, klingt wie: Du bist im Unrecht).
... und der Arte-Beauftragte sei der “bof tracté” (B'e'of-trag-té-r), konterte prompt der Redakteur des Radios ... (Das 'e' wäre hier das umgedrehte 'e', das als stummes 'e' oft nicht gesprochen wird.)
Ein Bof ist ein Kumpel, der Schwager eigentlich (beau frère), aber auch irgendwie ein Looser, ein Rumhänger. Tracté heißt so viel wie "flugblattisiert", das Wort gibt's irgendwie auch nicht, aber man meint, es zu verstehen. Also derjenige, der mit den Slogans anderer zugetextet wurde vielleicht.
Ohne doppelten Wortsinn, il y a le “mengengerüst” comme néologisme en Allemand - das Wort "Mengengerüst" ist für das ponderierte Zustandekommen der Arte-Programminhalte unter TV-Franzosen ein angenommenes deutsches Wort, was der neuen “Programmgrille” entspricht, von der die deutschen Kollegen sprechen, la grille des programmes: die Programmstruktur.
Was für 'ne Grille!
Okay, okay, ich erklär' sie doch.
Ich war neulich bei RFI, dem französischen Auslandsradio, und wurde interviewt. Jemand beschwerte sich darüber, dass letztens mal wieder der Franzose, der im Tatort vorgekommen ist, wie üblich Koch, Weiberheld, Weinkenner usw. hätte sein müssen. Das mit dem Klischeefranzosen verteidigte Søren Schumann, ein rbb-Arte-Mann, augenzwinkernd, müsse so sein, weil das Progamm ja schließlich “t’as tort" heißt :-)
(Tatort, sehr französisch ausgesprochen, klingt wie: Du bist im Unrecht).
... und der Arte-Beauftragte sei der “bof tracté” (B'e'of-trag-té-r), konterte prompt der Redakteur des Radios ... (Das 'e' wäre hier das umgedrehte 'e', das als stummes 'e' oft nicht gesprochen wird.)
Ein Bof ist ein Kumpel, der Schwager eigentlich (beau frère), aber auch irgendwie ein Looser, ein Rumhänger. Tracté heißt so viel wie "flugblattisiert", das Wort gibt's irgendwie auch nicht, aber man meint, es zu verstehen. Also derjenige, der mit den Slogans anderer zugetextet wurde vielleicht.
Ohne doppelten Wortsinn, il y a le “mengengerüst” comme néologisme en Allemand - das Wort "Mengengerüst" ist für das ponderierte Zustandekommen der Arte-Programminhalte unter TV-Franzosen ein angenommenes deutsches Wort, was der neuen “Programmgrille” entspricht, von der die deutschen Kollegen sprechen, la grille des programmes: die Programmstruktur.
Was für 'ne Grille!
Labels:
Deutsch-Französisches,
Medienarbeit,
Sprache
Mittwoch, 9. Mai 2007
Ein Link
... leider nur für Leute, die Französisch verstehen:
http://www.dailymotion.com/video/x1vfyt_gerard-miller-analyse-sarkozy
(funktioniert nur per 'copy & paste')
http://www.dailymotion.com/video/x1vfyt_gerard-miller-analyse-sarkozy
(funktioniert nur per 'copy & paste')
Montag, 7. Mai 2007
Endlich Regen! / Gefühle einer Dolmetscherin
Berlin, Regierungsviertel, das Haus einer politischen Stiftung. Der Gastgeber eröffnet die Tagung über "Afrika und der G 8-Gipfel". Er bedankt sich bei seinen afrikanischen Gästen, darunter die Premierminister von Togo und Niger, dass diese den langersehnten Regen mitgebracht hätten, denn es gab fünf Wochen lang keine Niederschläge.
Ich sitze in der Dolmetscherkabine und höre zu, wie meine Kollegin Kerstin diese Sätze überträgt.
Die afrikanischen Politiker nicken verständnisvoll.
Gleich bin ich dran. Dolmetschen ist ein geliebter Brotjob, den ich drei Tage im Monat ausübe. Er ist gut bezahlt (wenigstens: oft), er ist anerkannt (zumindest: meist) und er ist Dienstleistung pur. Es ist nicht immer leicht, mit den Sprachen zu jonglieren, wir haben Notizzettel mit Namen und Kürzeln dabei und inzwischen auch die Laptops mit direktem Netzzugang und elektronischen Wörterbüchern. Wir schreiben füreinander Worte und Zahlen auf, überwachen, ob die “Ko-Kabine” den richtigen Kanal einschaltet, oft wird mitten im Satz gewechselt, Schalten kostet Energie. Auch die Vorbereitung, sich mal eben in ein, zwei Tagen die Eckdaten des politischen und wirtschaftlichen Sachstands eines Landes oder ahnungshalber sogar eines ganzen Kontinents aufzuhelfen, ist toll und bietet mir eine schöne Gelegenheit, mein Talent zu Größenwahn und Kleingeistigkeit zeitgleich auszuleben. Größenwahn: Ich spreche mit allen Stimmen, ich sage immer "ich", wenn der zu Dolmetschende “ich” sagt, ich bin alt und jung, Mann und Frau, schwarz und weiß, Schauspieler, Regisseurin, Politiker, berühmter Schriftsteller oder Diplomatin. Kleingeistigkeit: Was ich nicht weiß an Worten, was mir im Alltag über den Weg läuft und mir komisch vorkommt, wird notiert, ich habe ganze Schuhkartons voll mit Vokabelkarteien, höre jeden Tag französisches Radio, habe immer was zum Schreiben dabei. Da ich es liebe zu lernen, ist das für mich ein sehr schöner Aspekt des Berufs.
Selbst der Stress hat sein Gutes, ich erlebe mich weniger kontrolliert, diese Art der Arbeit bringt sogar die Gnade vorübergehender Selbstvergessenheit. Was mir auch gefällt: Nach dem Einsatz bin ich frei von sonstigen Verpflichtungen. Vorher das Lesen-Notieren-Pauken, dann vor Ort das Dolmetschen, am Ende geht's nach Hause und gut is’. Kein Nacharbeiten, Lektorat, Nachbereiten, Besprechen. Und ich darf wortkarg sein. (Wer lacht hier?)
Dafür der Wechsel von Hochleistung mit hohem Adrenalinpegel - angeblich haben wir Dolmetscher so viel davon im Blut wie Piloten beim Start - und seelischer, geistiger, körperlicher Leichtigkeit. Nach einem solchen Arbeitstag bin ich kurz vor Trance: die meditative Stimmung 'danach' ist sicher das Schönste am Job.
Heute ging es auf der Tagung um wirtschaftliche Entwicklungen, Korruption und nebenbei auch um die Klimakatastrophe. In allen Bereichen wurde mir wieder deutlich, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Und wie wichtig das Handeln der Einzelnen ist.
Am Abend regnet es stärker. Es ist kühl geworden. Und wir erleben wieder Frühjahr nach den verfrühten Sommerwochen. Angeblich, so höre ich beim Nachhausekommen, seien schon 3/4 der Ernte durch die Trockenheit zerstört. Bald wird alles teurer. Ich beschließe, dieses Jahr privat keine Flugreise anzutreten und meine Glühbirnen alle durch "Energiesparleuchtmittel" zu ersetzen. Was für ein Wort.
Und wie zur Bestätigung trommelt der Regen weiter sein Tam-tam auf die Fensterbank aus Zinkblech.
Ich sitze in der Dolmetscherkabine und höre zu, wie meine Kollegin Kerstin diese Sätze überträgt.
Die afrikanischen Politiker nicken verständnisvoll.
Gleich bin ich dran. Dolmetschen ist ein geliebter Brotjob, den ich drei Tage im Monat ausübe. Er ist gut bezahlt (wenigstens: oft), er ist anerkannt (zumindest: meist) und er ist Dienstleistung pur. Es ist nicht immer leicht, mit den Sprachen zu jonglieren, wir haben Notizzettel mit Namen und Kürzeln dabei und inzwischen auch die Laptops mit direktem Netzzugang und elektronischen Wörterbüchern. Wir schreiben füreinander Worte und Zahlen auf, überwachen, ob die “Ko-Kabine” den richtigen Kanal einschaltet, oft wird mitten im Satz gewechselt, Schalten kostet Energie. Auch die Vorbereitung, sich mal eben in ein, zwei Tagen die Eckdaten des politischen und wirtschaftlichen Sachstands eines Landes oder ahnungshalber sogar eines ganzen Kontinents aufzuhelfen, ist toll und bietet mir eine schöne Gelegenheit, mein Talent zu Größenwahn und Kleingeistigkeit zeitgleich auszuleben. Größenwahn: Ich spreche mit allen Stimmen, ich sage immer "ich", wenn der zu Dolmetschende “ich” sagt, ich bin alt und jung, Mann und Frau, schwarz und weiß, Schauspieler, Regisseurin, Politiker, berühmter Schriftsteller oder Diplomatin. Kleingeistigkeit: Was ich nicht weiß an Worten, was mir im Alltag über den Weg läuft und mir komisch vorkommt, wird notiert, ich habe ganze Schuhkartons voll mit Vokabelkarteien, höre jeden Tag französisches Radio, habe immer was zum Schreiben dabei. Da ich es liebe zu lernen, ist das für mich ein sehr schöner Aspekt des Berufs.
Selbst der Stress hat sein Gutes, ich erlebe mich weniger kontrolliert, diese Art der Arbeit bringt sogar die Gnade vorübergehender Selbstvergessenheit. Was mir auch gefällt: Nach dem Einsatz bin ich frei von sonstigen Verpflichtungen. Vorher das Lesen-Notieren-Pauken, dann vor Ort das Dolmetschen, am Ende geht's nach Hause und gut is’. Kein Nacharbeiten, Lektorat, Nachbereiten, Besprechen. Und ich darf wortkarg sein. (Wer lacht hier?)
Dafür der Wechsel von Hochleistung mit hohem Adrenalinpegel - angeblich haben wir Dolmetscher so viel davon im Blut wie Piloten beim Start - und seelischer, geistiger, körperlicher Leichtigkeit. Nach einem solchen Arbeitstag bin ich kurz vor Trance: die meditative Stimmung 'danach' ist sicher das Schönste am Job.
Heute ging es auf der Tagung um wirtschaftliche Entwicklungen, Korruption und nebenbei auch um die Klimakatastrophe. In allen Bereichen wurde mir wieder deutlich, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Und wie wichtig das Handeln der Einzelnen ist.
Am Abend regnet es stärker. Es ist kühl geworden. Und wir erleben wieder Frühjahr nach den verfrühten Sommerwochen. Angeblich, so höre ich beim Nachhausekommen, seien schon 3/4 der Ernte durch die Trockenheit zerstört. Bald wird alles teurer. Ich beschließe, dieses Jahr privat keine Flugreise anzutreten und meine Glühbirnen alle durch "Energiesparleuchtmittel" zu ersetzen. Was für ein Wort.
Und wie zur Bestätigung trommelt der Regen weiter sein Tam-tam auf die Fensterbank aus Zinkblech.
Samstag, 5. Mai 2007
Zum Weinen oder zum Lachen?
In den letzten 40 Jahren hat der Output der Medien enorm zugenommen. Ein Mehrfaches an Zeitschriftentiteln liegt an den Kiosken auf, Privatsender, aber auch die privaten, dritten und special interest-Programme bieten ein um ein vielfaches größeres Angebot an tönenden und bewegten Bildern an als einst. Auch in den letzten 15 Jahren ging es mit der Entwicklung trotz Internet weiter bergauf - während paradoxerweise die Zahl der Journalistinnen und Journalisten deutlich zurückgegangen ist.
Da nimmt es nicht wunder, dass mindere Ereignisse hervorragend gefeatured werden, also eine hohe Medienpräsenz genießen. Zum Beispiel der morgige Weltlachtag, den 1998 eine Lachgruppe in Indien ausgerufen haben soll, in einem Land also, das wir in den westlichen Gesellschaften meistens erst einmal mit Armut assoziieren.
"Nicht viel zu lachen" haben offenbar unsere modernen Gesellschaften. Verhaltensforscher vermelden nun seit Jahren immer zum ersten Sonntag im Mai, eben jenem Weltlachtag, dass die absolute Lachmenge der Individuen rapide gesunken sei. Lachten wir vor 40 Jahren angeblich noch 18 Minuten durchschnittlich, so seien es heute nur noch lächerliche 6 Minuten. Gute Nachrichten muss man eben so oft wie möglich wiederholen, und so trägt ein herzerfrischendes "Lach' mal wieder!" nun jeden Mai zum Großrauschen der Medien bei. Zu dessen Legitimierung müssen Sprichworte hinhalten: "Lachen ist gesund!", heißt es - das meinten schon die Ärzte in der Antike, das Lachen nämlich gut für die Leber sei, und in ihr wohnten nun einmal die Gefühle.
So machen uralte Weisheiten heute frisches Geld - und verstopfen leider auch die Medien, in denen vieles, was in der Gesellschaft wirklich brennt oder echte gute Nachrichten sein könnten, kaum noch verhandelt wird. Lächerlich!
Da nimmt es nicht wunder, dass mindere Ereignisse hervorragend gefeatured werden, also eine hohe Medienpräsenz genießen. Zum Beispiel der morgige Weltlachtag, den 1998 eine Lachgruppe in Indien ausgerufen haben soll, in einem Land also, das wir in den westlichen Gesellschaften meistens erst einmal mit Armut assoziieren.
"Nicht viel zu lachen" haben offenbar unsere modernen Gesellschaften. Verhaltensforscher vermelden nun seit Jahren immer zum ersten Sonntag im Mai, eben jenem Weltlachtag, dass die absolute Lachmenge der Individuen rapide gesunken sei. Lachten wir vor 40 Jahren angeblich noch 18 Minuten durchschnittlich, so seien es heute nur noch lächerliche 6 Minuten. Gute Nachrichten muss man eben so oft wie möglich wiederholen, und so trägt ein herzerfrischendes "Lach' mal wieder!" nun jeden Mai zum Großrauschen der Medien bei. Zu dessen Legitimierung müssen Sprichworte hinhalten: "Lachen ist gesund!", heißt es - das meinten schon die Ärzte in der Antike, das Lachen nämlich gut für die Leber sei, und in ihr wohnten nun einmal die Gefühle.
So machen uralte Weisheiten heute frisches Geld - und verstopfen leider auch die Medien, in denen vieles, was in der Gesellschaft wirklich brennt oder echte gute Nachrichten sein könnten, kaum noch verhandelt wird. Lächerlich!
Mittwoch, 2. Mai 2007
Auf dem Schreibtisch ...
Was ist die Arbeit einer Stadtschreiberin? Zum Beispiel Bücher überarbeiten.
Heute hatte ich ein Drehbuch in der Mangel. Es wurde auf Französisch geschrieben, hat in der Originalfassung etwa 130.000 Anschläge, Leerzeichen inbegriffen, das sind 100 Drehbuchseiten. In der deutschen Fassung sind es 145.000 Anschläge. Solch einen Text zu übersetzen dauert eine gute Arbeitswoche, ca. 50 Stunden - und dann kommt noch das Schlusslektorat. Wenn bereits eine gute Übersetzung vorliegt, bekommt ein gutes Drehbuch durch eine geübte Autorin den 'letzten Schliff'. Am Ende liest es sich so, als hätte es eine deutsche Autorin/ein deutscher Autor verfasst.
In meinem Fall dreht es sich um das Buch eines Nachwuchsautors, der als "französischer Ken Loach" gehandelt wird. Ich hatte früher für ihn schon einige Tage als Journalistin recherchiert, denn sein neuer Film soll in Berlin spielen und auch hier gedreht werden. Es geht um Lothar, einen in die Jahre gekommenen Berufsschullehrer und seine Alltagsprobleme, die auch mit der Berliner Wirtschaftskrise und der Globalisierung zusammenhängen.
Ein Teil des Films spielt in Neukölln, in Rudow, ein anderer in Kreuzberg, an einer Oberschule. Wenn es soweit ist, werde ich als Beraterin dabei sein und vielleicht eine Reportage über das Ganze drehen. Ich freue mich schon drauf.
Heute hatte ich ein Drehbuch in der Mangel. Es wurde auf Französisch geschrieben, hat in der Originalfassung etwa 130.000 Anschläge, Leerzeichen inbegriffen, das sind 100 Drehbuchseiten. In der deutschen Fassung sind es 145.000 Anschläge. Solch einen Text zu übersetzen dauert eine gute Arbeitswoche, ca. 50 Stunden - und dann kommt noch das Schlusslektorat. Wenn bereits eine gute Übersetzung vorliegt, bekommt ein gutes Drehbuch durch eine geübte Autorin den 'letzten Schliff'. Am Ende liest es sich so, als hätte es eine deutsche Autorin/ein deutscher Autor verfasst.
In meinem Fall dreht es sich um das Buch eines Nachwuchsautors, der als "französischer Ken Loach" gehandelt wird. Ich hatte früher für ihn schon einige Tage als Journalistin recherchiert, denn sein neuer Film soll in Berlin spielen und auch hier gedreht werden. Es geht um Lothar, einen in die Jahre gekommenen Berufsschullehrer und seine Alltagsprobleme, die auch mit der Berliner Wirtschaftskrise und der Globalisierung zusammenhängen.
Ein Teil des Films spielt in Neukölln, in Rudow, ein anderer in Kreuzberg, an einer Oberschule. Wenn es soweit ist, werde ich als Beraterin dabei sein und vielleicht eine Reportage über das Ganze drehen. Ich freue mich schon drauf.
Dienstag, 1. Mai 2007
Raus zum revolutionären ersten Mai!
... lauteten einst die Parolen. Heute gemahnt das bunte Treiben auf den Straßen Kreuzbergs und Nord-Neuköllns an Folklore.
Wir schreiben den ersten Mai - und seit zwanzig Jahren treffen hier die Spontis mit den Polizisten zu Raufereien zusammen. Dafür werden extra "Westbullen" importiert, wie die Leute sich auf der Straße erzählen.
Die Sonne scheint. Viele Schaufenster sind mit Holz oder mit stoffbespanntem Etwas verrammelt, an den Straßen werden Süßigkeiten und Bier angeboten, ein Grillbräter hält neben "Steaks" auch "Deeskalationswürste" feil zum Stückpreis von zwei Euro. Familien und Schlachtenbummler promenieren am Nachmittag über die Chaussee. Wenn im schwäbischen Vaihingen der "Maientag" eingeläutet wird mit Volkstanz, Gesang und Rummel, herrscht auch keine andere Stimmung.
In den Nebenstraße überall Parkverbotsschilder. Reihenweise Mannschaftswagen der Polizei. Drinnen wartet der grüngekleidete Nachwuchs auf ihre schwarzgekleideten Altersgenossen.
Halb fünf kommt die große "revolutionäre Erste-Mai-Demo" am Haus vorbei. Zweitausend Marschierer, mindestens die doppelte Anzahl Grüne. Eine Stunde später die, so der Wirt vom Eck, Internationalisten-Schwulen-Lesben und-vegane-Kommunisten-Demo. Achtzig Leute, zweihundert von der Polizei, damit die Sache überhaupt aus der Masse der Sonnenspaziergänger heraussticht.
In den Kneipen sitzen die Leute und stärken sich. Zum Beispiel im "Spätzles Express" an der Wiener. Ein Vater, Piercing an der Nase, kräftiger Körperbau, Freizeitkleidung, erklärt Sohnemann die Bullerei auf der andren Straßenseite. Sohn ist maximal vier. "Schau, da drüben, wieder eine Ladung Bullen, die gehn bei der Feuerwehr pinkeln, stell'n ne Stange Wasser ab, fassen nach. Früher hießen die Mannschaftswagen "Wannen", so heißen sie aber heute nicht mehr. Und früher haben wir uns da immer gekloppt am ersten Mai."
Am Tisch zwei andre in Freizeitkleidung, kurze Haare, braungebrannt. "Wir sind auch von dem Verein", sagen die zwei, die wirklich eher wie Touris aussehen. Ein kurzes Moment des Schweigens tritt ein. "Naja", sagt Daddy zum Sohne, "die hier waren auch dabei! Und heute?" - "Heute haben wir frei!", sagen sie und haben zumindest mich, die ich am Nebentisch sitze und so tu', als läse ich, nicht überzeugt.
"Eigentlich können wir dankbar sein, dass es die Polizei gibt, also euch, sonst hätten sich hier etliche schon längst die Birne eingeschlagen!", sagt Daddy. "Ich bin jetzt Vater von vier Kindern, da wird man zum Spießer. Zum Bespiel meine Große, die will mit 15 zu ihrem Onkel nach Afrika reisen, ganz allein, nächsten Sommer, der Onkel leitet da ein Hostel. Sie jobbt neben der Schule und hat das Geld fast zusammen. Was willste da?, hab ich sie gefragt. Der Kontinent und die afrikanischen Männer, hat se jeantwortet. Wat weeß det Mädel schon von de Männer. Ja, soll ich jetzt meine fünfzehnjähriges Blondchen allein verreisen lassen, mit ihren Hormontitten ist die doch für die Schwarzen ein gefundenes Fressen? Und da Drüben gibt's keene Bullen die uffpassen." sagt da der Ex-Anarcho. Und die Vertreter der Staatsmacht pflichten ihm bei.
Derweil draußen die Jungs mit den Piratenkopftüchern ihre Käsespätzle futtern, während am andern Ende der gleichen Partybank von der Gruppe der Feuerwehr-Klogänger drei Polizisten in Uniform Platz genommen haben und auf ihre Spinatspätzle warten. Grün!
Später, als ich auf dem Nachhauseweg bin, erzählt mir der Wirt aus der Eckkneipe von den Zivilpolizisten, die massenhaft im Kiez rumlaufen sollen. "Gebügelter Parka, aber Tätowierung bis zum Hals, sehen cool aus, du erkennst sie sofort daran, dass sie fit sind und einen klaren Blick haben. Die sind noch von der WM übrig, die Einheit hat man jetzt für besondere Einsätze."
Und für den Abend ist die ganz große Maidemo angekündigt - zwanzig Jahre Bambule in Kreuzberg, in Erinnerung an den Tag 1987, als am Görli der Bolle brannte. "Damals sind die Bullen richtig ausgerastet und mit 120 Sachen auf Menschenmengen losgefahren. Da haben dann auch Rentner Steine geschmissen, echte Bürgerkriegsatmo", sagt der Wirt, und geht noch rasch das Auto umparken.
Im schwäbischen Vaihigen wird auch Jahr für Jahr der Flößertanz neu inszeniert. "'s isch Maiedag!" Nun denn.
Wir schreiben den ersten Mai - und seit zwanzig Jahren treffen hier die Spontis mit den Polizisten zu Raufereien zusammen. Dafür werden extra "Westbullen" importiert, wie die Leute sich auf der Straße erzählen.
Die Sonne scheint. Viele Schaufenster sind mit Holz oder mit stoffbespanntem Etwas verrammelt, an den Straßen werden Süßigkeiten und Bier angeboten, ein Grillbräter hält neben "Steaks" auch "Deeskalationswürste" feil zum Stückpreis von zwei Euro. Familien und Schlachtenbummler promenieren am Nachmittag über die Chaussee. Wenn im schwäbischen Vaihingen der "Maientag" eingeläutet wird mit Volkstanz, Gesang und Rummel, herrscht auch keine andere Stimmung.
In den Nebenstraße überall Parkverbotsschilder. Reihenweise Mannschaftswagen der Polizei. Drinnen wartet der grüngekleidete Nachwuchs auf ihre schwarzgekleideten Altersgenossen.
Halb fünf kommt die große "revolutionäre Erste-Mai-Demo" am Haus vorbei. Zweitausend Marschierer, mindestens die doppelte Anzahl Grüne. Eine Stunde später die, so der Wirt vom Eck, Internationalisten-Schwulen-Lesben und-vegane-Kommunisten-Demo. Achtzig Leute, zweihundert von der Polizei, damit die Sache überhaupt aus der Masse der Sonnenspaziergänger heraussticht.
In den Kneipen sitzen die Leute und stärken sich. Zum Beispiel im "Spätzles Express" an der Wiener. Ein Vater, Piercing an der Nase, kräftiger Körperbau, Freizeitkleidung, erklärt Sohnemann die Bullerei auf der andren Straßenseite. Sohn ist maximal vier. "Schau, da drüben, wieder eine Ladung Bullen, die gehn bei der Feuerwehr pinkeln, stell'n ne Stange Wasser ab, fassen nach. Früher hießen die Mannschaftswagen "Wannen", so heißen sie aber heute nicht mehr. Und früher haben wir uns da immer gekloppt am ersten Mai."
Am Tisch zwei andre in Freizeitkleidung, kurze Haare, braungebrannt. "Wir sind auch von dem Verein", sagen die zwei, die wirklich eher wie Touris aussehen. Ein kurzes Moment des Schweigens tritt ein. "Naja", sagt Daddy zum Sohne, "die hier waren auch dabei! Und heute?" - "Heute haben wir frei!", sagen sie und haben zumindest mich, die ich am Nebentisch sitze und so tu', als läse ich, nicht überzeugt.
"Eigentlich können wir dankbar sein, dass es die Polizei gibt, also euch, sonst hätten sich hier etliche schon längst die Birne eingeschlagen!", sagt Daddy. "Ich bin jetzt Vater von vier Kindern, da wird man zum Spießer. Zum Bespiel meine Große, die will mit 15 zu ihrem Onkel nach Afrika reisen, ganz allein, nächsten Sommer, der Onkel leitet da ein Hostel. Sie jobbt neben der Schule und hat das Geld fast zusammen. Was willste da?, hab ich sie gefragt. Der Kontinent und die afrikanischen Männer, hat se jeantwortet. Wat weeß det Mädel schon von de Männer. Ja, soll ich jetzt meine fünfzehnjähriges Blondchen allein verreisen lassen, mit ihren Hormontitten ist die doch für die Schwarzen ein gefundenes Fressen? Und da Drüben gibt's keene Bullen die uffpassen." sagt da der Ex-Anarcho. Und die Vertreter der Staatsmacht pflichten ihm bei.
Derweil draußen die Jungs mit den Piratenkopftüchern ihre Käsespätzle futtern, während am andern Ende der gleichen Partybank von der Gruppe der Feuerwehr-Klogänger drei Polizisten in Uniform Platz genommen haben und auf ihre Spinatspätzle warten. Grün!
Später, als ich auf dem Nachhauseweg bin, erzählt mir der Wirt aus der Eckkneipe von den Zivilpolizisten, die massenhaft im Kiez rumlaufen sollen. "Gebügelter Parka, aber Tätowierung bis zum Hals, sehen cool aus, du erkennst sie sofort daran, dass sie fit sind und einen klaren Blick haben. Die sind noch von der WM übrig, die Einheit hat man jetzt für besondere Einsätze."
Und für den Abend ist die ganz große Maidemo angekündigt - zwanzig Jahre Bambule in Kreuzberg, in Erinnerung an den Tag 1987, als am Görli der Bolle brannte. "Damals sind die Bullen richtig ausgerastet und mit 120 Sachen auf Menschenmengen losgefahren. Da haben dann auch Rentner Steine geschmissen, echte Bürgerkriegsatmo", sagt der Wirt, und geht noch rasch das Auto umparken.
Im schwäbischen Vaihigen wird auch Jahr für Jahr der Flößertanz neu inszeniert. "'s isch Maiedag!" Nun denn.
Montag, 30. April 2007
Filmtipp: Die Revolution wird nicht im TV übertragen
Der irisch-venezolanische Dokumentarfilm “Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen” - oder auch "Chavez - Inside the Coup" - wird am 4.5.2007 in Berlin-Neukölln gezeigt.
Dieser Film ist ein in Deutschland kaum gezeigtes brillantes Stück politischen Dokumentarfilms, ein Glücksfall des Zufalls, der an der Regie beteiligt war. Der Film erhielt u.a. den Preis “Georges de Beauregard” beim Dokumentarfestival FIDMarseille.
Venezuela, 2002 - Präsident Hugo Chávez regiert seit vier Jahren und verspricht mehr Demokratie, mehr Bildung, eine Landreform und die Umverteilung der Gewinne des viertgrößten Ölexporteurs der Welt zugunsten der armen Bevölkerung. Aber er hat starke Gegner in der Wirtschaftselite und so kommt es am 11. April 2002 zum Putsch.
Chavez wird verschleppt, der Kampf um die Macht entbrennt. Durch einen Zufall ist das Filmteam um Donnacha O’Briain genau zu diesem Zeitpunkt im belagerten Präsidentenpalast und dokumentiert die dramatischen Ereignisse der folgenden Stunden und Tage.
Der vielfach ausgezeichnete Film stellt mit seiner "Heldenerzählung" auch die Frage nach der Objektivität der Kamera: "Welche Wirklichkeit bildet sie ab?"
"Chavez - Inside the Coup", R: Kim Bartley und Donnacha O'Briain Eng/Span. mU, Irland, 2003, 72 Min.
Freitag, 4. Mai 2007, 19.00 Uhr, im kunstraum t27, Thomasstraße 27, 12053 Berlin-Neukölln, www.kunstraum, Eintritt ist frei.
Dieser Film ist ein in Deutschland kaum gezeigtes brillantes Stück politischen Dokumentarfilms, ein Glücksfall des Zufalls, der an der Regie beteiligt war. Der Film erhielt u.a. den Preis “Georges de Beauregard” beim Dokumentarfestival FIDMarseille.
Venezuela, 2002 - Präsident Hugo Chávez regiert seit vier Jahren und verspricht mehr Demokratie, mehr Bildung, eine Landreform und die Umverteilung der Gewinne des viertgrößten Ölexporteurs der Welt zugunsten der armen Bevölkerung. Aber er hat starke Gegner in der Wirtschaftselite und so kommt es am 11. April 2002 zum Putsch.
Chavez wird verschleppt, der Kampf um die Macht entbrennt. Durch einen Zufall ist das Filmteam um Donnacha O’Briain genau zu diesem Zeitpunkt im belagerten Präsidentenpalast und dokumentiert die dramatischen Ereignisse der folgenden Stunden und Tage.
Der vielfach ausgezeichnete Film stellt mit seiner "Heldenerzählung" auch die Frage nach der Objektivität der Kamera: "Welche Wirklichkeit bildet sie ab?"
"Chavez - Inside the Coup", R: Kim Bartley und Donnacha O'Briain Eng/Span. mU, Irland, 2003, 72 Min.
Freitag, 4. Mai 2007, 19.00 Uhr, im kunstraum t27, Thomasstraße 27, 12053 Berlin-Neukölln, www.kunstraum, Eintritt ist frei.
Sonntag, 22. April 2007
Laufen an der Uferpromenade
Sonntagmorgen auf dem Weg am Landwehrkanal. Rechts, hinter Hecken und Zäunen decken die Serviererinnen die Tische in den Cafés, hier spaziert ein Herrchen vorbei, das zu ungeduldig ist für seien Hund, dort ist einer, der sehr spät nach Hause kommt und beim Päuschen auf der Parkbank ein wenig eingenickt ist.
Ich bin wieder laufen gegangen (oder was ich laufen nenne), mit mir Frauen und Männer allen Alters. Wenn wir einander begegnen, lächeln wir uns zu wie alte Bekannte. Die Sportkleidung macht verwechselbar - aber irgendwie sehen wir alle nach kreativer oder nicht kreativer Mittelschicht aus.
Fast alle. Jetzt überholen mich drei junge Türkinnen, eine trägt ein Kopftuch. Da steht ein türkischer Vater mit Steppke, um die zehn, der gestikuliert und Kämpfchen vorspielt, während der Vater Dehnübungen macht.
Nach über einer Woche in Frankreich, wo morgens alle Alter, Hautfarben und soziale Herkünfte einander beim Joggen begegnen, fällt hier an der Kreuzberger und Neuköllner Uferpromenade auf, dass Laufen noch keine unter den Migranten und ihren Kindern weit verbreitete Tätigkeit ist.
Ich bin wieder laufen gegangen (oder was ich laufen nenne), mit mir Frauen und Männer allen Alters. Wenn wir einander begegnen, lächeln wir uns zu wie alte Bekannte. Die Sportkleidung macht verwechselbar - aber irgendwie sehen wir alle nach kreativer oder nicht kreativer Mittelschicht aus.
Fast alle. Jetzt überholen mich drei junge Türkinnen, eine trägt ein Kopftuch. Da steht ein türkischer Vater mit Steppke, um die zehn, der gestikuliert und Kämpfchen vorspielt, während der Vater Dehnübungen macht.
Nach über einer Woche in Frankreich, wo morgens alle Alter, Hautfarben und soziale Herkünfte einander beim Joggen begegnen, fällt hier an der Kreuzberger und Neuköllner Uferpromenade auf, dass Laufen noch keine unter den Migranten und ihren Kindern weit verbreitete Tätigkeit ist.
Donnerstag, 19. April 2007
Gruß aus Cannes
Donnerstag, 12. April 2007
Gut neighborhood
Berlin-Kreuzberg, Körtestraße. Links ein Ladenschild: "Italy Eis". Rechts, einige Meter weiter runter, als wär's die Antwort, wieder ein Ladenschild: "Broken English".
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