Über keifende Nachbarn hab ich früher immer gelacht. Oder über solche, die wegen Lappalien vor den Kadi ziehen. Die unfähig sind zu normalem zwischenmenschlichem Umgang.
Ich werde meinen Nachbarn aus dem Erdgeschoss bei der Polizei anzeigen. Wegen keiner Lappalie: Hausfriedensbruch und Diebstahl. Und das kam so:
Unsere Keller sind nicht gerade ideale Lagerstätten für alles, was empfindlich ist, in Berlin ist der Grundwasserspiegel hoch, das Wasser hier besonders nah an der Oberfläche. Einmal kam Hochwasser - so blieben nur Dinge aus Metall im Keller stehen: Eine Gasheizung für die Datscha, ein Metall-Blumenständer zum Aufarbeiten, das Alu-Gästefahrrad, der Universal-Dachgepäcktrager. "Isch habe gar keine Auto", dafür einen Gepäckträger, den sich auch gern mal Freunde leihen. Das Ganze auf Industriepaletten.
Dann hatte ich jahrelang viel zu tun, neue Firma, neue Liebe, neue Jobs in alten und neuen Städten. Die flexible Arbeitnehmerin sucht den zur der (Arbeits-)Wohnung gehörenden Keller nur selten auf, kommt und geht zu Zeiten, in denen andere vor der Glotze hängen. Hält sich nicht lang auf beim Tratsch mit den Nachbarn.
Dann wieder Hochwasser. Als alles trocken sein musste, nach weltrekordverdächtigem Sommerwetter, wollte ich den Blumenständer aufarbeiten. Ging in den Keller - und fand ein fremdes Schloss an der Tür vor. Die Lücken zwischen den Ritzen zu - von innen ist Teppich dagegengeklebt.
Nach einiger Recherche kam heraus: Der feine "Herr Hartmut" aus dem Erdgeschoss hat sich meinen Keller genommen. Je nach Variation erzählt er nun:
a) der Keller sei offen und leer gewesen
b) der Keller sei von der Hausverwaltung wegen eines defekten Rohres geöffnet worden
c) wie b, dabei war der Keller mit Sachen zugestopft
d) wie b, dabei war der Keller leer
Alles keine Gründe dafür, sich einfach einen Keller mit Namensschild dran anzueignen. Die Hausverwaltung hat mir nun im Austausch "Abteil Nr. 14" angeboten, und das sagt schon viel: Das Abteil ist klein, außerdem haben die früheren Reisenden des Abteils ihren Müll darin hinterlassen, es ist weder beleuchtet (wie mein Keller einst durch das Flurlicht) noch sauber oder abgeschlossen und schon gar nicht mit meinen Sachen befüllt.
Nun gehen Briefe hin und her. Die Hausverwaltung scheut die Aktion, sich mit Herrn Hartmut zu zoffen. Irgendwann wollte sie die Miete um 15 Euro erhöhen, darauf ich: "Nicht ohne meinen Keller!"
Und Herr Hartmut und seine Gattin erdreisteten sich mich anzubrüllen: "Du hast dich nicht um deinen Keller gekümmert, als Du im Gefängnis warst."
Ich: "Wo war ich bitteschön?"
Die Gattin: "Im Gefängnis. Du hast doch gesessen!"
So, liebe Nicht-Neuköllner, wirkt also berufliche Flexibilität in den Augen der Unterschicht. Wer nicht zu Hause sitzt und TV guckt, seine Kinder kujoniert, mit Nachbarn streitet und zur besten Arbeitszeit im Treppenhaus gesichtet wird, der oder die kann eigentlich nur im Gefängnis sitzen. Voll logisch, oder?
Der Gang zur Polizei ist die schiere Notwehr, ja, und spießig darüberhinaus, ich geb's zu.
Freitag, 2. März 2007
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1 Kommentar:
Chère Caro,
das ist ganz so wie wir das besprochen haben: ihr habt die nicht gebildeten Leute bei euch in das Viertel wohnen und nicht wie bei uns in Frankreich in der Cité vor die Stadt. Deine Ärger tun mir Leid, aber du hast selbst gesagte, dass seine Tochter so wenigstens die Chance hat, mit durchschnittliche Klassekinder in die Schule zu gehen und für Freundinnen zu haben.
Je te souhaite une bonne journee,
grosse bise,
Lise
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