Nach einer Woche mit sanften Temperaturen ist die Berliner Frühjahrskälte wieder da. Ich kann mich an keine Stadt erinnern, in der ich im Frühling derart gefroren hätte wie in Berlin. Die Quecksilbersäule fällt besonders nachts in den einstelligen Bereich. Die Felljacke, die kurz im Schrank hing, ist wieder in Gebrauch.
Schade. Letzten Dienstag hatte ich noch die neuen Maybachterrassen genossen und viele mit mir. Am Ende des türkisch dominierten Wochenmarktes gibt es seit einiger Zeit einen Stand mit Biobrot und -kuchen sowie einen mit Kaffee. Und direkt dahinter beginnt schon die erste Maybachterrasse, die über die Böschung ein wenig in den Kanal hineinragt. Von ihr aus bietet sich ein besonders schöner Blick über das Wasser.
Die Terrassen (einen Kilometer weiter östlich gibt es noch eine) sind neu und Ergebnis der sozialen Stadtentwicklung. Das mehr als anderthalb Kilometer lange Maybachufer war heruntergekommen. Idyllisch am am Landwehrkanal lag nur der sogenannte "Kreuzberger Wochenmarkt", der in fast jedem Reiseführer aufgeführt ist - für uns Anrainer manchmal ein Ärgernis, denn von ihm blieb oft mehr Müll übrig, als es wirklich schön war, auch, nachdem die BSR ihre Schicht gefahren hatte. Die Strecke mit fünferlei Pflaster und vielen Schlaglöchern lud zur wilden Müllabladung ein. Der denkmalgeschützte Uferbereich verwahrloste immer mehr. Dennoch blieben die Gründerzeithäuser mit unverbaubarem Wasserblick eine gesuchte Wohnlage.
So war es am der Zeit, dass (auch) mit Geldern der EU die Uferpartie umgestaltet wurde. Insgesamt eine Million Euro wurde verbaut, laut Quartiersmanagement ein Achtel dessen, was die Umgestaltung in eine richtige Spielstraße mit Promenade gekostet hätte.
Aus der Not wurde eine Tugend gemacht: auch die Ideen der Anwohner waren gefragt. Sommer 2002 kam es zu einem ersten Bürgerverfahren. Dabei wurden auf der zu diesem Zwecke für die Dauer eines Wochenendes stillgelegten Straße große Zelte aufgeschlagen, Büdchen mit Getränken, ein Teil Flohmarkt, ein Teil Selbstgebasteltes, Geschäfte der Nachbarschaft stellten sich wiederum an anderen Ständen vor. Das Kiezfest stand unter dem Motto "Ran ans Ufer". Am Spannendsten fand ich das Zelt mit der Ideenwerkstatt. Da wurde ein Modell des Kiezes mit Miniaturen, die hier entstanden, verändert und dabei den Ideen freier Lauf gelassen: anstelle der Bäume säumten plötzlich Palmen das Ufer, die alte "Bedürfnisanstalt" wurde zum Bootshaus, jemand bastelte Terrassen, die über das Wasser reichten. Wer nicht Hand anlegen wollte, konnte seine Ideen in eine Kamera sprechen.
2004 kamen die Bauarbeiter, pflanzten Bäume, erneuerten teilweise das Pflaster, legten die Parkflächen "quer", denn Autos gibt's hier leider genug, dafür ist eine schmalere Straße nicht so zum Rasen geeignet wie die alte, breite. Seit letztem Jahr ist alles fertig.
Jetzt muss es nur noch wieder wärmer werden.
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