Mittwoch, 7. März 2007

Mein Schreibtischstuhl

Das wichtigste an meinem Arbeitszimmer ist der Blick in den Himmel. Ich neige zum Frieren und wärme mich sogar an in der Ferne gesehenen Frühlingssonnenstrahlen.

Das zweitwichtigste ist der Schreibtischstuhl. Den bekam ich geschenkt. Und das kam so:
Eines Tages vor nicht allzu langer Zeit, ich wollte mich gerade auf meinen Sessel flezen, ein Bein untergeschlagen, auf dass der Schenkel den Fuß wärme, da gab dieser unter mir nach. Geistesgegenwärtig hielt ich mich an der Tischkante fest, der Stuhl flog hinter mir weg. Die Sachen, die auf der Schreibtischplatte stehen, gerieten mitsamt der Platte kurz ins Wanken.

Ich besah mir das Desaster näher: Ein Haarriss in der Stange, die im Schaft steckt, um die Sitzhöhe zu variieren, hatte sich mit der Zeit zum Bruch entwickelt. Irreparabel, det Dingen. Ich trug es runter zum Müll. Und setzte mich auf den Küchenstuhl.

Eine halbe Stunde später fand ich eine Mail im Postfach: "Bürostuhl zu verschenken". Ich rief an - es handelte sich um eine Kollegin im weitesten Sinne, sie arbeitet im gleichen Bereich, wir waren uns noch nie über den Weg gelaufen. Und nun kommt's: Sie wohnt in Sichtweite, auf der anderen Uferseite, genau fünf Hausnummern weiter. Schon beim Telefonieren konnten wir auf den Balkon gehen und einander zuwinken. Den Stuhl besah ich mir fünfzehn Minuten später und trug ihn dann durch den Schnee nach Hause.

Wie dieses Wunder möglich war? Zufall.

Zufall und freecycle, eine Gruppe im Internet. Hier pinnen Leute die Dinge an die virtuelle Wand, die sie gern verschenken würden. Alte Sachen, die noch gut sind, aber die man dennoch nicht mehr braucht. Gegenstände, zu schade für den Müll, die andre erfreuen. So wie mich mein neu-alter Stuhl. Keine Stunde nach dem Bruch des alten Schreibtischsessels saß ich auf dem Ledersitz des neuen, ebenfalls höhenverstellbar mit Gas-Lift!, und konnte weiterarbeiten, eine knappe Stunde, nachdem der alte Stuhl gebrochen war. So schnell schafft das kein Kaufhaus!

Links: Freecycle Deutschland
Freecycle Berlin

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

echt cool!!

caro_berlin hat gesagt…

ja, finde ich auch. deshalb der text zu meinem winterwunder, das schon etwas zurückliegt.
freecycle gibt's auch in anderen städten. bekannte von uns hatten ihre remise voll mit spielzeug, die kids waren schon größer, die remise wurde zum zweiten büro, das hat wohl auch mit dem verschenken gut geklappt.
die interessenten kontaktieren sich direkt, es entstehen also keine datenschutzprobleme.
viele grüße, liebe julia,
auf bald, c.

Susanne hat gesagt…

Das ist ja eine nette Geschichte!
Freecycle gibts auch bei uns in Kanada...

liebe gruesse aus dem schneeparadis ;)

susanne

caro_berlin hat gesagt…

Salut Susanne, bonjour au Canada! Ja, die Idee ist gar nicht so alt und ziemlich erfolgreich. Was auch nett ist: http://www.bookcrossing.com/ , zum "Freisetzen" von Büchern.
Ihr habt Schnee, wir seit heute die Krokusse auf der Wiese. Grüße von Paradies zu Paradies! Caroline