Montag, 22. Januar 2007

Möbel mit Geschichte

Was Möbel und Kleidung betrifft, bin ich nicht reich genug für meinen Geschmack. Auf das schwedische Möbelhaus habe ich auch nicht in allen Fällen Lust. Als ich die Stadtschreiberwohnung vor etwas mehr als einem Jahr bezog, war sie nicht mal zur Hälfte möbliert, das lag am Auszug von Mitmietern.

Ich fand eine neue Freundin, Jule, die hier als Holzkünstlerin mit der Bohrmaschine schon vorkam, sie half mir ab und zu, ich lernte aufmerksam. Als Schreinerin kann ich ihr nun auch einen Auftrag erteilen, zum Beispiel, für den ultraschmalen Flur ein Möbel mit Bauhaus-Türen aus einer Abrissvilla zu entwerfen und zu bauen.

Parallel dazu entdeckte ich einen Trödelladen in der Nähe, der abgeschliffene Möbel verkauft. Dessen Besitzer bot sich als Abschleifer an, das macht er selbst in einer Werkstatt in der Nähe. Das eine oder andere Ding fand ich dort: Mein Tischchen für den Drucker zum Beispiel. Die andren Sachen hab ich im wahrsten Wortsinn ausgebuddelt: aus Hinterzimmer-Möbelclustern in ranzigen Haushaltsauflösungsläden meinen schönen eingeschliffenen Spiegel mit Holzrahmen für drei Euro; ein Stück zog ich aus dem Müllcontainer, als unser Gemeinschaftskeller geleert wurde; ein Küchenregal verdanke ich einer betagten Nachbarin, die ins Altenheim zog.

Ich setze im Grunde hier nur etwas fort, das früh angelegt war: Schon im zarten Alter von acht habe ich auf dem Marburger Flohmarkt mein erstes Küchenoberteil gekauft - Abbildung rechts. Damals kostete es fünf Mark. 15 hätte es kosten sollen, aber kindlichem Charme konnte sich der Händler offenbar nicht entziehen.

Das Oberteil meines Wohnzimmerbuffets fand ich spätnachts auf der Straße. Es stand vor dem Haus, herrenlos. Und ich raffte all meinen Mut zusammen und bat zwei türkische Gängsta, so um die 18 Jahre jung, die mir gerade begegneten, das Ding für mich hochzutragen. Die waren überaus höflich und nett, weil ich ihre Schwester vom Rauchen abgebracht hatte, das ist aber eine andre Geschichte. Das Möbel ist sehr schön geworden - und vollständig, seit in einem andren Trödelladen das passende Unterteil rumstand. Das hatte eben gerade sein Oberteil verloren an eine Familie, die nur dieses als Bücherschrank haben wollte.

Solche Glücksfunde setzen zweierlei voraus: Geduld und gute Beziehungen zu den verschiedenen Trödlern. Meine Mittagspausen kennen viele Ziele auf den Spaziergängen im Kiez bis hin zum Südstern. Der Rest ist Handwerk und gutes Zuhören bei Jule oder bei Farben und Lacke Sachse vom Schlesischen Tor: Der maschinelle Abschliff des Trödlers geht bis zu einer Körnung von 350 (?), ich lege nach mit 600er und 1000er Körnung. Dann Schellack, dann nochmal schleifen, dann Wachs. Die Maserung kommt schön raus, die Farbe des Holzes, meist Kiefer, ist dann schön warm. Und das streichelzarte Holz ist jedes Mal wieder ein haptisches Erlebnis.

Unterm Strich kostet mich mein praktisches Hobby kaum mehr als Pressspan-Möbel vom Möbeldiscounter plus Zeit. Logisch, dass ich bei meinen Touren durch den Kiez immer Maßbänder in den Taschen aller Jacken habe. Natürlich die aus Papier, vom schwedischen Möbelhaus.

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