Donnerstag, 21. September 2006

Herr Köhler in NK: "Mehr Geld!"

Der Bundespräsident in Neukölln: In Abendnachrichten und Kommentaren wird der Bezirk, in dem er heute einen Vortrag hält, als DER Berliner "Problemkiez" bezeichnet. In der Aula der Kepler-Oberschule - die Promis sitzen vorn, einige Schüler hinten - fordert er mehr Geld für Bildung, ein Klima des Lernens und Sprachkurse für Eltern, die kein Deutsch können.

Das ist alles sehr richtig und sehr wichtig, nur alles andere als eine Überraschung. Wer die deutschen Schulen und Hochschulen von innen kennt, weiß längst: So schlechte Bildung wie hierzulande können wir uns als Land ohne Bodenschätze nicht leisten, dafür sind wir zu arm.

Und so schlecht bezahlte Ausbilder auch nicht. Die freien Hochschullehrer, zum Teil promovierte und habilitierte Kräfte oder (aus der Berufspraxis kommende) Koriphäen in ihrem Bereich, erhalten im Jahr 2006 Honorare, die seit 4o Jahren nicht mehr erhöht worden sind: 21,40 Euro für die gehaltene Stunde, wobei sich Lehrende, die Seminare und Vorlesungen anbieten, für das gleiche Geld auch noch darauf vorbereiten dürfen.

Auch ich unterrichte ab und zu. Ich ziehe das Fahrt- und Büchergeld ab, addiere die Stunden für Vor- und Nachbereitung, das Schreiben von Gutachten, die Betreuung von Abschlussarbeiten, und am Ende dividiere ich. Ergebnis: Im Durchschnitt kostet meine Unterrichtsstunde den Staat einen Euro. Wenigsens steuerfrei ist das Ganze, wenn ich in der Semesterzeit der Gemeinschaft einen Tag in der Woche schenke. Dafür hab ich nicht mal eine Vergünstigung bei der U-Bahn oder in der Bibliothek.

Warum wir das machen, die vielen Kollegen und ich? Lehrerfahrung eröffnet Berufsaussichten, macht Spaß, ist mehr Berufung als Beruf. Und wer erstmal habilitiert ist, also 'Professor im Wartestand' ist, MUSS unterrichten, weil man ihm oder ihr sonst die Lehrbefähigung entzieht. Auf den zweiten Blick sieht das wie Nötigung aus.

Die Honorarsumme war vor 40 Jahren ganz ordentlich. Damals galt das Geld als Ankerkennung für den Aufwand, der neben einer Festanstellung betrieben wurde. Heute gibt es diese festen Stellen kaum noch.

In Berlin decken wir an etlichen Hochschulinstituten bis zu 40 % der Lehr- und Prüfungsangebote ab. Mehr Geld in diesem Sektor ist dringend geboten. Denn Neukölln ist überall, nur in unterschiedlichen Dosierungen.

Bildungstechnisch ist ganz Deutschland ein "Problemkiez".

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr geehrte Frau Caroline,

diese schlechte Bezahlung kann ich kaum glauben, ja wie kann denn sowas sein? Da werde ich demnächst mal meinen Abgeordneten zu ansprechen müssen, das ist mein Schwiegersohn, das ist praktisch!

Vielen Dank für die freundlichen Erklärungen über das Wohnquartier!
Und bleiben Sie so gesund und munter, wie Sie sind!

Ihre

Hilde aus Hildesheim (aus dem Café am Landwehrkanal)

caro_berlin hat gesagt…

Liebe Frau Schmittke,

ja, das fand ich auch sehr nett gestern, der improvisierte Sonnen-Sonntagskaffee.

Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie sich bei Ihrem Schwiegersohn beschweren würden. Und vielleicht kennen Sie auch noch einen Zeitungsredakteur, denn die Medien schreiben auch nur selten darüber. Aber ich glaube, das ändert sich gerade langsam.

Auch weiterhin viel Erfolg beim netten "Internetten", ich finde das ja schon klasse, was die Seniorenclubs heute anbieten!

Viele Grüße,
Caroline