Samstag, 14. Juni 2008

Wie wir arbeiten ...

Letztens, auf der Konferenz europäischer Betriebsräte, die zu dolmetschen war: Wir waren in Leipzig und da wurde fröhlich erzählt, dass viele Arbeitnehmer unter der Warteritis zu leiden hätten. Warteritis? Das klingt wie das, was mir meine sächsische Verwandtschaft aus der Kleinstadt immer erzählt hatte. Noch zu Zeiten der verblichenen DDR hätte man sehr oft bei der Arbeit Beschäftigtheit simulieren müssen, weil es immer Zulieferschwierigkeiten an der Tagesordnung gewesen seien. Da nun aber jeden Moment der Betriebsleiter oder jemand anderes Offizielles hätte um die Ecke biegen können, also sei es wichtig gewesen, dass man so tat, als arbeitete man.

Sonst wäre man gleich dran gewesen mit Hof fegen oder derlei. Heute, so die Betriebsräte, fegte man wieder sehr oft den Hof oder die Werkhallen, und der Kapitalismus hat sich im Osten dahingehend ausgewirkt, dass die halbe Belegschaft sich dann schon mal ums Streichen des Arbeitsplatzes kümmere - zu DDR-Zeiten eher nicht so denkbar, allein die Materialbeschaffung ...

Und der Grund? Just in Time, die auf die Straße verlagerte Bevorratung der Werkstätten und Fabriken. Anstatt wie früher für eine oder zwei Wochen Material zu lagern, werde oft "aus dem einzigen vorhandenen Karton in die Maschine montiert". Und natürlich löse dies auch wirtschaftliche Probleme aus, wenn Bauteile fehlten, die oft nur Centbeträge wert seien ("die Verpackung war teurer, ganz zu schweigen vom Versand"). Dann geriete ("richtig teuer") die Montagestrecke über Stunden und Tage ins Stocken. Hintergrund: Die Straßen werden immer voller, und in etlichen EU-Staaten streiken die Fernfahrer besonders gerne.

In einem Großunternehmen mit mehreren zehntausend Angestellten ging man davon aus, dass stets 10 % der Beschäftigten nichts zu tun hätten ...

Noch ein interessanter Hintergrund, diesmal zur Arbeitsplatzsituation von Zeitarbeitern. Man habe festgestellt, so einer der Betriebsräte eines Konzerns, dass Zeitarbeiter mehr Arbeitsunfälle als die Festangestellten hätten. Festangestellte seien besser ausgebildet, nähmen häufiger an Arbeitsplatzsicherheitskursen teil und wären konzentrierter bei der Arbeit, weil ihre Gedanken weniger bei der nächsten Bewerbung, dem langen Nachhauseweg oder dem Streit mit dem Vorgesetzten sind, der bei den Zeitarbeitern direkt in Arbeitslosigkeit münden könne. Und die Fehlerquoten bei den Werkstücken sei in der Regel bei Zeitarbeitern auch höher. Es sei letztendlich alles eine Frage der Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen, eine Frage gemeisamer Ziele also.

Da muss ich an Ulbricht denken, Nachrichten aus dem Fernsehen der DDR aus den frühen Siebzigern. Der Parteiratsvorsitzende besucht eine Baustelle am Alexanderplatz, lob alles uns sagt in seinem singenden Ziegenbock-Sächsisch: "So, wie wir heute arbeitn, so wärdn wir morschen läbn!"

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