Freitag, 1. August 2008

Digital Love (II)

oder: Wie Technik unser Liebesleben verändert

Berlin, Winter 2007: Rita und Bernd sind ein Paar. Oder sind Rita und Bernd kein Paar? Manchmal weiß Rita das nicht so genau, denn Bernd kann ganz schön kurz angebunden sein, impulsiv und aufbrausend. "Vertrauen braucht Zeit!", denkt Rita, und schenkt ihrer Beziehung welche, denn die Liebe ist gar groß.

Bereits in den Wochen des Honigmonds erzählt Rita neben vielen anderen Dingen auch von früheren Lieben und Flirts. Ihr geht es darum, den Weg deutlich werden zu lassen, den sie gegangen ist, Fragen zu stellen, die dabei zutage traten, Themen aufzuwerfen, zu denen sie gerne Bernds Meinung wüsste. Bernd reagiert mit Skepsis und Misstrauen, einer emotionalen Gemengelage, die ihn auf jeden Nebensatz lauschen lässt, in dem Rita Männer vorkommen lässt.

Rita merkt recht bald, dass bei Bernd in solchen Momenten Wut hochkocht, sie versucht daher so gut sie kann, derlei Anlass zu vermeiden. Aber manchmal genügt eine Kleinigkeit, ein Buch mit Widmung aus früheren Zeiten, eine Urlaubspostkarte, die Bernd zum Ausrasten bringt. Rita versteht nicht, denn natürlich hatten beide ihre jeweiligen Vorleben, Bernd hat mehr "Verflossene" als sie. Und so kommt es alle paar Wochen zum Streit und es fallen Worte wie "Geh!" und "Wir sind getrennt!"

Dann geht Rita und sitzt wenig später am Computer, stellt sich Fragen. Dabei stimmt sie milde, dass Bernd alle Orte, die sie gemeinsam besucht und mit ihrer eigenen Geschichte belebt haben, als virtueller Reiseführer auf einer Internetseite einträgt. Dabei stimmt sie wütend, dass sie jetzt Mails von sogenannten "sozialen Netzwerken" erhält, in denen beide Mitglieder sind. "Bernd hat sein Profil geupdatet" steht da in hässlichem Neudeutsch, und dann sieht Rita, was ihr ebenso hässlich vorkommt: Wo gestern noch "in fester Partnerschaft" stand, steht heute "suche Freundschaft oder Liebe". Sie beschließt, künftig über Privates keine Angaben mehr im Netz zu machen, so hält sie es schon mit religiösen und politischen Ansichten. Bei der anderen Newsgroup, die sie aufruft, findet sie Bernd gar nicht mehr in der Liste ihrer "Freunde". Sie sucht weiter und sieht Frau B., mit der sie sich vor einem Jahr in einer Arbeitsangelegenheit so heftig zerstritten hat, dass es zum totalen Bruch kam, was selten ist in Ritas Leben. Sie sucht nun ihrerseits nach der Löschtaste, findet sie und bekommt die Bestätigung: "You deleted a friend", "sie haben einen Freund ausgelöscht!" Das Makabere an der Sache macht sie so betroffen, dass sie einen Moment lang überlegt, sich selbst überall auszutragen, zu löschen, bei XING, facebook, myspace und wie die Netzwerke alle heißen. Sie lässt es sein, denn oft kommen hier beruflich relevante Informationen rein.

Über mehrere Monate wird die Sache zwischen Bernd und Rita zum Gefühlswalzer im Dreivierteltakt, vorwärts, rückwärts und zur Seit', das kann einem mit oder ohne neue Technologien passieren. Und während am Ende Bernd sagt, Rita sei Schuld mit ihren Männergeschichten, behauptet Rita felsenfest, dass Bernd Schuld habe mit seinem Misstrauen, seiner aufbrausenden und kompromisslosen Art. Und Bernd löscht alle Spuren im Netz, die darauf schließen lassen könnten, dass es jemals eine Verbindung mit Rita gegeben hat.

Monate später resümiert Rita gelassen: "Vertrauen ist am Anfang da, oder eben nicht". Und wenn sie in schwachen Momenten dieser großen Liebe hinterhertrauert, beobachtet sie im Netz, wie Bernd sich mit seinem Net-Spitznamen und unretuschierten Fotos auf Flirtseiten und 'einschlägigen Communities' rumtreibt. Dort, wie sie jetzt weiß, war er auch schon in ihrer gemeinsamen Zeit unterwegs - oder in den Wochen, in der sie mal wieder in zwei Wohnungen getrennt am Rechner saßen.

C'est l'amour - im Jahr 2008, zumindest eine Variante davon.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

was fuer ein scheiss

caro_berlin hat gesagt…

ja, find ich auch.