Freitag, 15. Juli 2022

Talent gesucht!

In Neukölln verlegen sich manche in Zeiten der Kri­se aufs Upcycling. Ich auch, wobei ich mein Ta­lent als Näherin für nicht so groß erachte.

Also bräuchte ich mal einen Rat. Ich habe von ei­ner Freundin ein Kleid übernommen, das nicht nur aus einem groß­­ar­­tigen Stoff in einer wun­der­schö­nen Farbe ist, sondern auch weit ge­schnitten und zwei Größen zu groß. Kennt jemand eine sehr be­gab­te Än­de­rungs­schnei­de­rin, die es für mich etwas schma­ler machen würde (und die Drei­vier­telärmel in lange Ärmel umwan­deln kann)? Meine lang­jäh­ri­ge Nä­he­rin hat leider aufgehört und die talentierte Nach­barin hat ihr eigenes Label ge­grün­det und ist da­her ausgebucht.

Änderungsschneiderin gesucht!


Dienstag, 7. Januar 2020

Mietwucher

Ab wann ist etwas Mietwucher? Wir Nachbarinnen am Maybachufer haben letztes Jahr unseren Bäcker ver­lo­ren.

Umzug der Bread Station vom Maybachufer 16 ans Planufer 92D, jetzt Brod Stätte
Verdrängung, wie sie im Buche steht
Bezogen auf die Miete, die der Vor­mie­ter gezahlt hat, vor fünf Jahren waren die Räume ein Künstleratlelier, verlangt der Ei­gen­tü­mer jetzt 540 Prozent so viel Miete.

Das Butter­hörnchen für fünf Euro findet keinen Käufer.

Schade.

Kein Bäcker mehr im Haus, kein spontanes Kaffee-und-Kuchen-Holen, keine Croissants am Morgen, keine Pa­ke­te, die dort abgegeben werden.

Berlin, Du kannst so fies sein. Und dem spekulierenden Hausbesitzer wünschen wir Betroffenen, dass er mög­lichst so schnell niemanden finden wird. Denn wer sollte hier einziehen? Eine Edel-Drogen-Boutique? Ein Kat­zen­mas­seur? Ein Porno­schuppen? Maybachufer 16 Gewerbe überteuert

Freitag, 7. Juni 2019

Jingle Bells

Und dann ist da noch die Gruppe kleiner Kinder, so irgendwas um die vier, fünf Jahre, sommerlich in hellen und pastellfarbenen kurzen Hosen und T-Shirts, ein Kind hatte sogar ein Muskelshirt an, die lauthals singend sich das Ufer herunter bewegen, sie tanzen, sie marschieren, und die dabei voller Inbrunst singen: „Jingle bells, jingle bells, jingle all my way ..“, begleitet vom lauten Gelächter ihrer beiden Betreuerinnen und dem Kopfschütteln eines älteren Paares, dem sie begegnen.

Freitag, 17. Mai 2019

Stinkbomben

Nein, ich halte mich nicht für spießig. Aber vielleicht bin ich das sogar.

Am Maybachufer zu wohnen bedeutet, normalerweise in den Genuss guter Musik zu kommen. Seit die Stunden vorne am Markt (jeden Dienstag und Freitag) begrenzt worden sind, sitzen zwischendurch allerlei Leute mit ihren Klampfen, Schlag- oder Klingelgerätschaften vor dem Fenster auf der Bank und machen Töne.

Laute, leise, regelmäßige, stundenlang sich wie­der­ho­len­de Töne. Heute einer, der sich den halben Vormit­tag einer Art metallene Klapper vor den Bauch hält und die­se rüt­telt. Es ist, als würde eine Straßenbahn im Dau­er­klin­gel­mo­dus vor dem Haus stehen.

Bitte nicht missverstehen: Ich liebe gute Musik und gebe Straßenmusikern gerne was. Aber hier ver­sucht je­mand, Kun­den für sein Kunsthandwerk an den wild auf­ge­stell­ten Ta­pe­zier­tisch zu locken.

Wo gibt es außerhalb der Karnevalssaison eigentlich Stinkbomben?

Freitag, 26. April 2019

Rumschrömmeln

Frage: Warum müssen manche Leute ihre Uraltgitarre ans May­bach­ufer ausführen und ihr dann die ver­meint­li­che Ehre antun, auf ihr öffentlich rumzuschrömmeln?

Hintergrund: Früher gab es vorne am Markt eine Art Bühne, auf der Profimusiker spielten. Manche Anwohner haben dafür gesorgt, dass nur noch zu begrenzten Zeiten gespielt werden darf. Stattdessen setzen sich Ama­teure auf den Weg Richtung Markt auf die nächst­beste Parkbank. Und die steht aus­gerechnet unter meinem Fenster.

Antwort: Weil der Probenraum Geld kostet.

Mittwoch, 28. März 2018

Postmurks, die Zweite

Gestern ging ich einen Stoffladen in der Nachbarschaft: Ich suchte einen kleinen Rest Chif­fon­stoff, um mein Lieb­lings­­som­mer­kleid repa­rieren zu lassen, in das ich mir letztes Jahr ein Löchlein gesessen hat­te auf einer der ab­ge­rock­ten Berliner Park­bänke.

Passender Stoff ward flugs gefunden, von passender Webdichte und in einem Farbton, der im sonst bun­ten Kleid auch vor­kommt. Ich wür­de mir, das war der Plan, von der bekopf­tuch­ten Schnei­de­rin in der Rei­chen­ber­ger vier sehr lang­ge­streckte Drei­ecke in den locker fal­len­den Rock­teil setzen lassen, der dann etwas glockiger wirken würde als zu­vor, und schon hätte ich mit Schnei­der­kos­ten von 20 Euro ein neu­es Kleid. (Das Ist die Neu­kölln-Kreuz­berger Rest­nut­zungs­öko­no­mie.)

Der Stoff war ein Schnäpp­chen. "Drei Euro!", raunte mir der dunkel­haa­ri­ge, dunkeläugige Verkäufer zu. Ich reichte mein Geld, einen größeren Schein, ich war gerade bei der Bank gewesen. Der Mann zog die buschigen Augen­brauen zu einem durch­ge­hen­den Strich zusammen und fragte in bestem Berlinisch: "Willste mir veräppeln?"

Er bat mich um meinen Namen, drückte mir den Stoff in die Hand, rief mir ein fröhliches "... bis die Tage!" zu, gefolgt von einem barschen: "Halt!"

Ich war bereits auf dem Weg zur Tür gewesen, drehte mich um, war versucht, die Hände über den Kopf zu heben, so sehr im Befehlston war seine Ansage: "Halt, Hände hoch!"

Nein, doch kein Hände hoch. Er wiederholte lang­sam meinen Namen. "Ich hab was für Dich!" Er eilte ins Hintergelass in dem sich, das konnte ich sogar von der Tür aus erkennen, Kartons von un­ter­schied­li­cher Größe bis zur Decke stapelten.

Sehr schnell kam er zurück, ein Päckchen in die Hand. "Ist für einen Mann, der bei dir wohnt!", sagte er mit Blick aufs Etikett. Dann las er mit einem Lesegerät das Streifenmuster auf dem Versandetikett aus und hielt es mir hin: "Ein Autogramm, bitte! Und frohes Fest!"

Richtig, Feiertage standen vor der Tür, auch wenn diese dem mus­li­mi­schen Teil der Bevölkerung vielleicht nicht ganz so wichtig waren.

Ostereier und Schokoweihnachtsmann
Ostereier, vom Hasen bewacht
Dergestalt sind die Um­gangsformen in unserem erlauchten Mul­ti­kul­ti­viertel. Ich nahm also die Beu­te an mich und trug sie heim. Später kam besagter Mitbewohner von der Arbeit zurück. Gemeinsam packten wir aus.
Das Päckchen be­in­hal­te­te De­ko­ma­te­ri­ali­en, teils essbar, teils ess- und trinkbar, wie sie für eine gewisse Jah­re­szeit typisch sind. Und da Ostern vor der Tür stand, waren wir gleich total aus dem Häus­chen.

Manche behaupten ja, dass Scho­ko­la­den­fi­guren, an denen ein wenig der Zahn der Zeit genagt hat, in neues Stan­niol­papier verpackt wer­den wür­den. Stimmt gar nicht!

Oder? Wie lange hält sich sowas? Und darf jemand den 50-Euro-Schein für ein Weih­nachts­geschenk von der Tante auch noch im Früh­jahr aus­geben oder muss er bis zum Jahres­ende warten?

Fragen über Fragen.

Das Som­mer­kleid wird sicher sehr schön werden.

Dienstag, 6. Februar 2018

Postmurks, die Erste

Seit Wochen warte ich auf ein Päckchen. Es will einfach nicht an­kom­men. Darin ist ein Buch, das ich für die Arbeit brauche. Ich frage beim Verlag nach, der veranlasst den Versand eines zweiten Exemplars.
 

Der Bürokollege und Mitbewohner erwartet auch Post. Dann landen zwei Päckchen bei Nachbarn ... die wenige Stunden später in den Winterurlaub aufbrechen. Weitere zwei Päckchen und einen Brief mit großem, steifem Umschlag nimmt ein anderer Postbote wieder mit.

Das alles passiert wohlgemerkt an einem Tag, an dem wir natürlich zu Hause arbeiten. Wir dürfen am Tag danach extra ins Postamt fahren, nein, ich, denn auf meinen Namen sind alle Benachrichtigungen aus­ge­stellt. (Das passiert auch an Tagen, an denen nur der Mit­be­woh­ner Post be­kommt; das Wörtchen "bei" ist ent­schei­dend.)

Postbenachrichtigungszettel
Viele Boten verderben die Post
Ich kritisiere das Ganze am Schalter. Die Schal­ter­da­me: "Jeden Tag hö­re ich sowas, ich kann schon gar nicht mehr rich­tig hinhören, sonst wäre ich noch ar­ran­gier­ter damit! Ich will mich aber nicht aufregen."
Das Fremdwort klingt wichtig. Ich muss grin­sen und meine Wut ist ver­dampft. Ich äußere Mit­ge­fühl für die Dame und gehe meines We­ges. Sie weiß allerdings nicht, wie sie meinen Stim­mungs­wandel be­wirkt hat.