Freitag, 29. August 2008

1. Neuköllner Puppentheaterfestival

Ein aktueller Tip: Von heute bis zum 31. August 2008 findet das 1. Puppentheaterfestival am Böhmischen Platz statt. Puppenspieler und Puppentheater aus Neukölln, Berlin, der Türkei, Syrien, Frankreich und Bosnien spielen für Kinder auf einer Bühne auf dem Böhmischen Platz. Abends gibt es für Erwachsene Vorstellungen im Puppentheater mit dem Namen K&K-VolkArt, das direkt gegenüber liegt.

"Was ist Heimat?" "Was ist fremd?" "Fremd in der Heimat oder heimisch in der Fremde?" In einem Stadtteil, der durch vielfältige kulturelle Hintergründe beeinflusst, von Armut, geringen Bildungschancen und Gewalt gezeichnet, aber auch von herzlichen Menschen und dem sozialen Miteinander geprägt ist, veranstaltet K&K VolkArt ein Festival, das auf Fragen kultureller Identitäten Antworten sucht – oder auch erst die richtigen Fragen finden möchte.

Für mehr Infos und das Programm bitte hier klicken.

Donnerstag, 28. August 2008

Historische Bauelemente

Was unser Nachbar "Herr Hartmut" ist, so hat dieser einen Kläffer. Einen immer schmutzigweißen Köter undefinierbarer Rasse, der jedes Türklingeln eilfertig anbellt. Dazu hat Herr Hartmut auch noch Fräulein Tochter, das bald schulreif ist - zwei Gründe, weswegen unser Bewohner im Erdgeschoss peinlich genau darauf achtet, dass die Hauseingangstür oft und lange offensteht.

Bis neulich, es war ein Julimittag zwischen drei und halb vier, ein harmloser Mittwoch noch dazu, ohne jeglichen Markt oder wochenendlichen Touristentrubel, böse Menschen durch diese stets einladend offene Tür das Haus betraten und von sehr vielen Wohnungstüren Türblätter und -knäufe abmontierten bzw. stellenweise sogar abrissen, an einem sonnenhellen, ruhigen Tag wie gesagt, vermutlich in irgendeinen Arbeitsoverall gekleidet, auf dass der Arbeitseinsatz auch schön offiziell aussehe. Die Nachbarn hier passen eigentlich immer auf, wenn hier neue Menschen ein- und ausgehen, so sehr, dass es mir manchmal zu viel ist. Hier aber ging alles so rasch vonstatten, dass von den Hausbewohnern niemand etwas mitbekam. Nicht mal Herrn Hartmuts Köter hatte angeschlagen.

Nur das Ergebnis war nicht zu übersehen. Als ich halb vier gehen und die Tür hinter mir zuziehen wollte, griff ich ins Leere. Da war anstelle des runden Knaufs nur noch ein hässliches Nichts.

Am Sonntag besuchte ich einen der Berliner Flohmärkte und sah haufenweise Türklinken, Knäufe, Schrankschilde, Türbeschläge akkurat präsentiert und was an derlei in manchen schicken Immobilien an Mobilem so vorhanden ist. Und ich erwarb, zum horrenden Preis von 10 Euro, nachstehend abgebildeten Griff.

Und ich stellte mir vor, wie diese Knäufe, Verschlüsse und Türblätter, zunächst nach Form und Stil wohlsortiert, von den Häusern auf die Märkte und dann wieder zurück in die Häuser wandern, von wo aus sie wieder ihre Reise antreten. Dabei müssen sie natürlich immer mehr durcheinander geraten, denn die Ware ist nicht sortiert und die Anzahl der gestohlenen und nachgekauften Messingdinge ist nie gleich ...

Wir Mieter der anderen Geschosse haben jetzt versucht, mit Herrn Hartmut von ganz unten ein ernstes Wörtchen zu reden. Das war wahrlich nicht einfach. Aber immer öfter klappt es und die Eingangstür wird nur kurz geöffnet für Hund und das gnädige Fräulein. So wisset, Ihr potentiellen Diebe, dass unser Haus inzwischen eine Alarmanlage hat. Und überhaupt: Die meisten historischen Türbeschläge sind gestohlen, bei uns ist fast nichts mehr zu holen! Wegbleiben!

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Andere Geschichten von und mit Herrn Hartmut (der natürlich anders heißt): hier und hier bitte klicken.

Samstag, 23. August 2008

Gentrifizierung ...

Hier beim Foto aus dem Reuterkiez fehlen am rechten Bildrand nur Komma und Fragezeichen. Und es fehlt die Antwort, bien sûr !

Samstag, 9. August 2008

Digitales

Fotografiert wird heute immer mehr digital. Die Masse der geknipsten Fotos steigt ... Die Menge bringt ihre Entwertung mit sich - das Wort "knipsen" ist beredt. Auf der anderen Seite bringt die Masse dann auch immer wieder Starbilder zutage. Die Menge der verarbeiteten Filmrollen war früher das Geheimnis der Fotografen, heute verschwindet viel "Belichtetes" rasch auch wieder im digitalen Nirwana.

Partygespräche: Einer berichtet von einer Reise mit Freunden. Es war letzten Winter, sie waren auf einer Hütte, mehrere digitale Apparate im Gepäck, "und alle Fotos sahen scheiße aus".

Bilderdurchsicht von der Party: Die Fotos sind gnadenlos. Schweiß, Hautunreinheiten, Anflüge von Grimmigkeit. Auch die Therapie Ich-knipse-viel-und-lass'-Dich-das-Ding-vergessen hilft bei manchen nicht.

Aber der Gedanke, wie es wäre, wenn ein digitaler Apparat nur schöne Bilder produzierte, die Menschen verschönerte. Ein solches Patent schüfe Milliardäre.

Montag, 4. August 2008

Blick aufs Wasser

Sonntag, 3. August 2008

It's tea time

Eine Absage der etwas anderen ABM vom Arbeitsamt

Jede Woche mindestens zwei: unaufgeforderte Bewerbungen. Seit Jahren schreiben und entwickeln wir Filme, haben auch ein paar produziert, derzeit steht aber das Entwickeln und Forschen im Vordergrund. Aber wer einmal in den Adressbüchern steht, braucht eine Musterabsage wie diese hier:


Sehr geehrter Herr Sonundso,

Sie bewarben sich unaufgefordert bei unserer Filmproduktionsgesellschaft. Wir sind eine auf Dokumentarfilm spezialisierte Firma, wie Sie nach ein wenig Recherche leicht hätten bemerken können. Bei der Herstellung von Dokumentarfilm wird nur sehr selten ein Außenrequisiteur (wahlweise: Schauspieler, Produktionsfahrer, Kostümbildner) benötigt. Weitere Recherche hätte Sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir derzeit unsere Energien auf Stoffentwicklung konzentrieren und in letzter Zeit keinerlei öffentliche Fördergelder erhalten haben, ohne die in Deutschland kaum noch Filme hergestellt werden können, was auch für Fernsehproduktionen einer gewissen Größenodrnung gilt.

Ich weiß nicht, ob es mangelnde Phantasie, Branchenkenntnis oder aber der Druck des Arbeitsamtes ist, aber Ihre Bewerbung kommt mir so vor, als würde sich hier ein Werkzeugschlosser in einer Schreinerei bewerben. Sollte das Arbeitsamt Sie zu einer Mindestzahl an Bewerbungen je Monat nötigen (und damit zu Mehrausgaben, von denen ich gar nicht weiß, wer diese trägt), so dürfen Sie gerne diese Mail hier Ihrem Arbeitsamtsmitarbeiter vorlegen. Die Anzahl der in Berlin tätigen Produktionsfirmen ist recht groß, von ihnen ist eine gewisse Anzahl auch im Spielfilm aktiv, die regelmäßig Aktiven dürfte deutschlandweit die Zahl von 80-100 nicht überschreiten. Insofern ist ein Zuschütten der kleinen Firmen mit Bewerbungen nicht nur volkwirtschaftlicher Unsinn, sondern auch höchst kontraproduktiv. Heute bindet es am Sonntagnachmittag zum Beispiel meine Energie, die ich für die Aufrechterhaltung meiner Arbeitskraft dringend brauche!

Ihre Unterlagen bewahren wir bis einschließlich 8.8.08 hier auf, danach werden Sie entsorgt.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und auch Glück!
Mit freundlichen Grüßen,
- Unterschrift -


Zweiter Akt, Antwortschreiben auf Ihre Antwort vom 06.08.2008


Sehr geehrter Herr D.,

weil Sie uns darauf ansprechen: Die Produktion über die Ackerstraße wurde 2002 gedreht, 2003 bis 2005 auf Festivals gezeigt und hat dort Preise gewonnen. Sich 2008 mit Verweis “auf ihr aktuelles Projekt Ackerstraße” zu beweben kommt nicht gut.

Mein Tipp: Lesen Sie die Fachpresse! Dann wissen Sie, wer was vorbereitet. In den Produktionsnachrichten stehen sogar die Fördersummen, dann können Sie erahnen, da Sie ja Filmwirtschaftler sind, ob es zu Reenactment kommen könnte oder nicht.

Weiterer Tipp: Lernen Sie, was die formale Gestaltung eines Briefes ausmacht. In Mails gelten ausschließlich in Großbuchstaben gehaltene Worte als Schreien, die meisten von uns lesen fast nur noch Mails, übertragen zurück auf den geschriebenen Brief. Außerdem Formalien: Hinter Satzzeichen erfolgt ein Punkt, vor und nach Gedankenstrichen auch, was, wie das Wort verrät, nicht bei Bindestrichen gilt. Verzeihen Sie mir diese Korinthenkackerei, aber da Filmmitarbeiter bei sehr kleinen Produktionen mehrere Aufgaben übertragen bekommen, es also durchaus denkbar ist, dass jemand, der den Set gestaltet und fotografiert auch in der Aufnahmeleitung mitarbeitet, also mit Behörden korrespondieren muss für Drehgenehmigungen etc., schließen Sie sich durch Unkenntnis in diesem Bereich selbst aus.

Das war mein letztes Wort. Wir drehen derzeit nicht, stecken in Projektentwicklung – sicher noch für einige Zeit.
Mit freundlichen Grüßen,

- Unterschrift -

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Ich glaube, der Herr bekam vom Arbeitsamt Kurse in Englisch, Computer und Marketing bezahlt, das ging aus der Bewerbung hervor. Briefeschreiben und Bewerbungstraining wären hier angebracht gewesen. Es handelt sich um einen ausgebildeten, studierten Herrn in den Fünfzigern.

Freitag, 1. August 2008

Digital Love (II)

oder: Wie Technik unser Liebesleben verändert

Berlin, Winter 2007: Rita und Bernd sind ein Paar. Oder sind Rita und Bernd kein Paar? Manchmal weiß Rita das nicht so genau, denn Bernd kann ganz schön kurz angebunden sein, impulsiv und aufbrausend. "Vertrauen braucht Zeit!", denkt Rita, und schenkt ihrer Beziehung welche, denn die Liebe ist gar groß.

Bereits in den Wochen des Honigmonds erzählt Rita neben vielen anderen Dingen auch von früheren Lieben und Flirts. Ihr geht es darum, den Weg deutlich werden zu lassen, den sie gegangen ist, Fragen zu stellen, die dabei zutage traten, Themen aufzuwerfen, zu denen sie gerne Bernds Meinung wüsste. Bernd reagiert mit Skepsis und Misstrauen, einer emotionalen Gemengelage, die ihn auf jeden Nebensatz lauschen lässt, in dem Rita Männer vorkommen lässt.

Rita merkt recht bald, dass bei Bernd in solchen Momenten Wut hochkocht, sie versucht daher so gut sie kann, derlei Anlass zu vermeiden. Aber manchmal genügt eine Kleinigkeit, ein Buch mit Widmung aus früheren Zeiten, eine Urlaubspostkarte, die Bernd zum Ausrasten bringt. Rita versteht nicht, denn natürlich hatten beide ihre jeweiligen Vorleben, Bernd hat mehr "Verflossene" als sie. Und so kommt es alle paar Wochen zum Streit und es fallen Worte wie "Geh!" und "Wir sind getrennt!"

Dann geht Rita und sitzt wenig später am Computer, stellt sich Fragen. Dabei stimmt sie milde, dass Bernd alle Orte, die sie gemeinsam besucht und mit ihrer eigenen Geschichte belebt haben, als virtueller Reiseführer auf einer Internetseite einträgt. Dabei stimmt sie wütend, dass sie jetzt Mails von sogenannten "sozialen Netzwerken" erhält, in denen beide Mitglieder sind. "Bernd hat sein Profil geupdatet" steht da in hässlichem Neudeutsch, und dann sieht Rita, was ihr ebenso hässlich vorkommt: Wo gestern noch "in fester Partnerschaft" stand, steht heute "suche Freundschaft oder Liebe". Sie beschließt, künftig über Privates keine Angaben mehr im Netz zu machen, so hält sie es schon mit religiösen und politischen Ansichten. Bei der anderen Newsgroup, die sie aufruft, findet sie Bernd gar nicht mehr in der Liste ihrer "Freunde". Sie sucht weiter und sieht Frau B., mit der sie sich vor einem Jahr in einer Arbeitsangelegenheit so heftig zerstritten hat, dass es zum totalen Bruch kam, was selten ist in Ritas Leben. Sie sucht nun ihrerseits nach der Löschtaste, findet sie und bekommt die Bestätigung: "You deleted a friend", "sie haben einen Freund ausgelöscht!" Das Makabere an der Sache macht sie so betroffen, dass sie einen Moment lang überlegt, sich selbst überall auszutragen, zu löschen, bei XING, facebook, myspace und wie die Netzwerke alle heißen. Sie lässt es sein, denn oft kommen hier beruflich relevante Informationen rein.

Über mehrere Monate wird die Sache zwischen Bernd und Rita zum Gefühlswalzer im Dreivierteltakt, vorwärts, rückwärts und zur Seit', das kann einem mit oder ohne neue Technologien passieren. Und während am Ende Bernd sagt, Rita sei Schuld mit ihren Männergeschichten, behauptet Rita felsenfest, dass Bernd Schuld habe mit seinem Misstrauen, seiner aufbrausenden und kompromisslosen Art. Und Bernd löscht alle Spuren im Netz, die darauf schließen lassen könnten, dass es jemals eine Verbindung mit Rita gegeben hat.

Monate später resümiert Rita gelassen: "Vertrauen ist am Anfang da, oder eben nicht". Und wenn sie in schwachen Momenten dieser großen Liebe hinterhertrauert, beobachtet sie im Netz, wie Bernd sich mit seinem Net-Spitznamen und unretuschierten Fotos auf Flirtseiten und 'einschlägigen Communities' rumtreibt. Dort, wie sie jetzt weiß, war er auch schon in ihrer gemeinsamen Zeit unterwegs - oder in den Wochen, in der sie mal wieder in zwei Wohnungen getrennt am Rechner saßen.

C'est l'amour - im Jahr 2008, zumindest eine Variante davon.