Sonntag, 3. August 2008

Eine Absage der etwas anderen ABM vom Arbeitsamt

Jede Woche mindestens zwei: unaufgeforderte Bewerbungen. Seit Jahren schreiben und entwickeln wir Filme, haben auch ein paar produziert, derzeit steht aber das Entwickeln und Forschen im Vordergrund. Aber wer einmal in den Adressbüchern steht, braucht eine Musterabsage wie diese hier:


Sehr geehrter Herr Sonundso,

Sie bewarben sich unaufgefordert bei unserer Filmproduktionsgesellschaft. Wir sind eine auf Dokumentarfilm spezialisierte Firma, wie Sie nach ein wenig Recherche leicht hätten bemerken können. Bei der Herstellung von Dokumentarfilm wird nur sehr selten ein Außenrequisiteur (wahlweise: Schauspieler, Produktionsfahrer, Kostümbildner) benötigt. Weitere Recherche hätte Sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir derzeit unsere Energien auf Stoffentwicklung konzentrieren und in letzter Zeit keinerlei öffentliche Fördergelder erhalten haben, ohne die in Deutschland kaum noch Filme hergestellt werden können, was auch für Fernsehproduktionen einer gewissen Größenodrnung gilt.

Ich weiß nicht, ob es mangelnde Phantasie, Branchenkenntnis oder aber der Druck des Arbeitsamtes ist, aber Ihre Bewerbung kommt mir so vor, als würde sich hier ein Werkzeugschlosser in einer Schreinerei bewerben. Sollte das Arbeitsamt Sie zu einer Mindestzahl an Bewerbungen je Monat nötigen (und damit zu Mehrausgaben, von denen ich gar nicht weiß, wer diese trägt), so dürfen Sie gerne diese Mail hier Ihrem Arbeitsamtsmitarbeiter vorlegen. Die Anzahl der in Berlin tätigen Produktionsfirmen ist recht groß, von ihnen ist eine gewisse Anzahl auch im Spielfilm aktiv, die regelmäßig Aktiven dürfte deutschlandweit die Zahl von 80-100 nicht überschreiten. Insofern ist ein Zuschütten der kleinen Firmen mit Bewerbungen nicht nur volkwirtschaftlicher Unsinn, sondern auch höchst kontraproduktiv. Heute bindet es am Sonntagnachmittag zum Beispiel meine Energie, die ich für die Aufrechterhaltung meiner Arbeitskraft dringend brauche!

Ihre Unterlagen bewahren wir bis einschließlich 8.8.08 hier auf, danach werden Sie entsorgt.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und auch Glück!
Mit freundlichen Grüßen,
- Unterschrift -


Zweiter Akt, Antwortschreiben auf Ihre Antwort vom 06.08.2008


Sehr geehrter Herr D.,

weil Sie uns darauf ansprechen: Die Produktion über die Ackerstraße wurde 2002 gedreht, 2003 bis 2005 auf Festivals gezeigt und hat dort Preise gewonnen. Sich 2008 mit Verweis “auf ihr aktuelles Projekt Ackerstraße” zu beweben kommt nicht gut.

Mein Tipp: Lesen Sie die Fachpresse! Dann wissen Sie, wer was vorbereitet. In den Produktionsnachrichten stehen sogar die Fördersummen, dann können Sie erahnen, da Sie ja Filmwirtschaftler sind, ob es zu Reenactment kommen könnte oder nicht.

Weiterer Tipp: Lernen Sie, was die formale Gestaltung eines Briefes ausmacht. In Mails gelten ausschließlich in Großbuchstaben gehaltene Worte als Schreien, die meisten von uns lesen fast nur noch Mails, übertragen zurück auf den geschriebenen Brief. Außerdem Formalien: Hinter Satzzeichen erfolgt ein Punkt, vor und nach Gedankenstrichen auch, was, wie das Wort verrät, nicht bei Bindestrichen gilt. Verzeihen Sie mir diese Korinthenkackerei, aber da Filmmitarbeiter bei sehr kleinen Produktionen mehrere Aufgaben übertragen bekommen, es also durchaus denkbar ist, dass jemand, der den Set gestaltet und fotografiert auch in der Aufnahmeleitung mitarbeitet, also mit Behörden korrespondieren muss für Drehgenehmigungen etc., schließen Sie sich durch Unkenntnis in diesem Bereich selbst aus.

Das war mein letztes Wort. Wir drehen derzeit nicht, stecken in Projektentwicklung – sicher noch für einige Zeit.
Mit freundlichen Grüßen,

- Unterschrift -

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Ich glaube, der Herr bekam vom Arbeitsamt Kurse in Englisch, Computer und Marketing bezahlt, das ging aus der Bewerbung hervor. Briefeschreiben und Bewerbungstraining wären hier angebracht gewesen. Es handelt sich um einen ausgebildeten, studierten Herrn in den Fünfzigern.

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