Dienstag, 22. März 2011

Indiskretion

Manchmal ertappe ich mich, dass ich nach einem Dolmetschtag die Gespräche vom Nebentisch übersetze. Ich komme aus dem Prenzlauer Berg zurück, wo wir für Arte gedreht haben. Innerhalb von 20 Jahren ist dort die Mieterschaft zu über 90 % ausgetauscht worden ...

Nun bin ich zurück in Nord-Neukölln, löffele mein Süppchen. Am Nebentisch sind alle erregt, sprechen laut. Es geht um die Luxusmodernisierung eines Hauses in der Nachbarschaft, nach der die Mieten auf  neun bis elf Euro je Quadratmeter (netto und kalt) explodieren.

Nein, an der Wand lehnt kein Investor
Mieter fanden sich mit einem Anwalt zusammen, der sie nun berät. Die Worte "Ablösesumme" fallen, "Schonzeit" und  "Vergleich".

Der Anwalt berichtet, dass er eine Zeitlang in Kreuzberg für die Kanzlei neue Räume gesucht habe. Es sei zwar schon ein paar Jährchen her, aber am Kudamm seien exakt neun bis elf Euro je Quadratmeter (netto und kalt) aufgerufen worden — für Büroraum wohlgemerkt. Im Vergleich zu allen anderen Lagen sei der Kurfürstendamm die günstigste Adresse gewesen, viel günstiger als Kreuberg.

"Es ist traurig zu sehen, was aus Kreuzberg wird", sagt darauf ein anderer. Über ein Pärchen aus Westdeutschland wird berichtet, das auf Wohnungssuche die günstigen Preise und die vielen Cafés, Geschäfte und Naturnähe lobte. "Wenn das so weitergeht, ist in Kreuzberg bald kein Kreuzberger mehr da." Und jetzt ginge das auch in Neukölln los. "Es steht uns jetzt bevor, was den Prenzlauerbergern vor fünfzehn Jahren passiert ist", stellt ein anderer fest. Das ist keine Indiskretion: das Süppchen, das die Politik eher mittellosen Mietern eingebrockt hat, ist versalzen ...

Der Aufbruch klang aber optimistischer. Die Mieter scheinen kampfbereit zu sein.

Dann kommen neue Kunden. Sie sprechen von der Abwanderung von Betrieben wegen steigender Gewerbemieten. Das selling argument für Nordneukölln, die Nähe zu Kreativen, Künstlern, jungen Familien, scheint bald gefährdet.

_____________________________
Foto: C.E. 
Die Abgebildeten sind nicht mit den 
Protagonisten meiner Story identisch.

Dienstag, 15. März 2011

Kreuzkölln?

Diese sprachliche Neuschöpfung ist fast schon wieder alt: Kreuzkölln wie das an Kreuzberg grenzende Gebiet des Berliner Bezirks Neu­kölln seit zwei, drei Jahren immer öfter (von der Im­mo­bi­li­en­wirt­schaft) genannt wird.


Seit langem lebe ich im Kiez und beobachte, dass jene, die hier wohnen, den neuen Begriff selten bis nie verwenden. 

Auch ich mag das ranschmeißerische "Kreuzkölln" nicht. Neukölln ist auch ohne die Vorsilbe "Kreuz" spitze!

Besonders in Geografie!

Außerdem sind wir lernfähig in meinem Kiez. Das ist in Deutschland nicht überall so. Hier die gleiche Stelle im Dezember 2010:


Damals fragte ich mich noch, wo genau Deutschland ans Mittelmeer stößt. 

Oder hat ein Betreiberwechsel stattgefunden?

______________________________ 
Fotos: Caroline Elias