Wenn einer eine Reise tut ... Aber auch Leute, die zuhause bleiben, haben was zu erzählen!
Neukölln sah ich lang nur aus der Ferne, und nun bin ich wieder da. Zunächst habe ich in den Sommerwochen mein Patenkind betreut - und zwar bei sich zu Hause. Es ist schon anstrengend genug für ein Filmleutekind, die schönsten Wochen des Jahres ohne Eltern verbringen zu müssen, weil beide drehen, dann sollte nicht noch ein Wechsel der Umgebung hinzukommen. Dann war ich wochenlang fürs kanadische Radio und Fernsehen unterwegs, recherchierte zu zwanzig Jahre deutsche Einheit und Bundestagswahlen.
Spannend: Viele Themen, die ich in den letzten Monaten für die Kanadier aufarbeite, haben mit Neukölln zu tun. Französische Nachwuchskünstler, die nach Berlin ziehen, weil sie sich hier Ateliers leisten können? Zwischennutzungsagentur Neukölln! Kreative, die spät ihr erstes (und vermutlich einziges) Kind bekommen? Ich finde Nachbarn in Neukölln. Junge Leute, die in Kreuzberg chillen, zu gesellschaftlichen Themen befragt ... und wo wohnen sie? In Nord-Neukölln.
Merwürdig genug, wenn ich dann wie letzten Sonntag in mein Neuköllner Wahllokal gehe, zur Abwechslung mal nicht von Kamera oder Mikro begleitet, und seit langem mal wieder ohne berufliche "Brille" auf der Nase meine Umgebung wahrnehme. Der Schulraum, in dem ich wähle, ist erschreckend leer, die Wahlbeteilung gering. Auf dem Hof diskutieren junge Frauen mit Migrationshintergrund, für welche Partei sie stimmen sollen, die fünf Frauen, von denen zwei Kopftuch tragen, entscheiden sich für "Die Linke". Argument: Das sind die Einzigen, die sich noch Unbequemens zu sagen trauen.
So ganz kann ich meinen Berufsblick nicht aufgeben. Und mit einem Blick in mein Lieblingskino stelle ich wieder mal fest, dass ich in meiner Abwesenheit viele schöne Filme verpasst habe, darunter das Wiedersehen mit vielen Filmen von Agnès Varda. Einer meiner Lieblingsfilme dieser französisch-belgischen Regisseurin heißt "Daguerrotypes", die Typen von der rue Daguerre. Damals hat sie ihre Nachbarn portraitiert, und zwar nur in der Reichweite, die das Stromkabel zuließ, das bei ihr zuhause gespeist wurde. So würde ich gerne mal medial arbeiten: Verweilen und das betrachten, was am Nächsten, Bekanntesten erscheint: die direkte Nachbarschaft!
Mittwoch, 30. September 2009
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