Eben las ich im Spiegel und in anderen Medien Artikel über das geplante Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung. Die Verbindungsdaten von Journalisten sollen wie die (fast) aller Bürger sechs Monate lang gespeichert werden und im Prozessfall zugänglich sein.
Dazu ein Gedanke, der leider nur ein Bonmot ist und vielleicht für eine Glosse taugt: Da ja Geistliche weiterhin in ihrer Kommunikation geschützt sind, sollte man eine Religion der Presse ausrufen - es gehört ohnehin starker Glaube dazu, Journalisten noch als vierte Macht im Staate zu sehen.
Dienstag, 30. Oktober 2007
Montag, 29. Oktober 2007
Gastro-Tip: Stadtklause
Ab jetzt hier in loser Folge auch kleine Gastro-Tips, wobei ich nur besondere Orte beschreiben werde. Es sind alles Geheimtips, also bitte: Nur an Ausgewählte weitersagen!
Nach der enttäuschenden Vernissage im Gropius-Bau vom Samstagabend waren wir noch in der nahegelegenen "Stadtklause", die der erste wirklich gemütliche Ort im Umfeld des Potsdamer Platzes ist.
Die Gastwirtschaft ist wie drei Eisenbahnwagons angeordnet: Ein Raum führt in den nächsten. Im ersten Zimmerchen sitzt man auf alten S-Bahn-Stühlen an dunklen Holztischen, an den Wänden historische Fotos der Umgebung, an der Stirnwand ein verglaster Ofen mit Feuerchen drin. Den zweiten Raum dominiert die dunkle Holzvertäfelung, im bleiverglasten Fenster steht Berlin-Literatur; im dritten wird angerichtet, was auf den Tisch kommt, wobei rustikale Küche überwiegt, wovon ein dicker Laib selbstgebackenen Sauerteigbrots auf einem Holzbrett kündet, der, als wir hereinkommen, gerade vom Wirt mit einem alten Leintuch zugedeckt wird.
Bier wird hier in tönernen Humpen kredenzt, dazu gibt es große Portionen Kürbis- und Zwiebelsuppe, und die Tischnachbarn stellen fest, selten so gute Bratkartoffen und Buletten gegessen zu haben. Eine Karte gibt es nicht. Wenn alles weg ist, gibt es immer noch eine "Stulle".
Zwischendurch weiter Kunst: über eine steile Treppe gelangen wir ins Obergeschoss - hier hängen derzeit Großcomics in kleinen Räumen mit knapp zwei Meter hohen Decken. In den Zimmerchen nächtigten einst die Kutscher, die ihre Fahrgäste im benachbarten Anhalter Bahnhof fanden. Die Gastwirtschaft wurde 1909 erstmals urkundlich erwähnt.
Berlin-Kreuzberg, Bernburger Str. 35, Mo-Fr 8.00-24.00 Uhr
Nach der enttäuschenden Vernissage im Gropius-Bau vom Samstagabend waren wir noch in der nahegelegenen "Stadtklause", die der erste wirklich gemütliche Ort im Umfeld des Potsdamer Platzes ist.
Die Gastwirtschaft ist wie drei Eisenbahnwagons angeordnet: Ein Raum führt in den nächsten. Im ersten Zimmerchen sitzt man auf alten S-Bahn-Stühlen an dunklen Holztischen, an den Wänden historische Fotos der Umgebung, an der Stirnwand ein verglaster Ofen mit Feuerchen drin. Den zweiten Raum dominiert die dunkle Holzvertäfelung, im bleiverglasten Fenster steht Berlin-Literatur; im dritten wird angerichtet, was auf den Tisch kommt, wobei rustikale Küche überwiegt, wovon ein dicker Laib selbstgebackenen Sauerteigbrots auf einem Holzbrett kündet, der, als wir hereinkommen, gerade vom Wirt mit einem alten Leintuch zugedeckt wird.
Bier wird hier in tönernen Humpen kredenzt, dazu gibt es große Portionen Kürbis- und Zwiebelsuppe, und die Tischnachbarn stellen fest, selten so gute Bratkartoffen und Buletten gegessen zu haben. Eine Karte gibt es nicht. Wenn alles weg ist, gibt es immer noch eine "Stulle".
Zwischendurch weiter Kunst: über eine steile Treppe gelangen wir ins Obergeschoss - hier hängen derzeit Großcomics in kleinen Räumen mit knapp zwei Meter hohen Decken. In den Zimmerchen nächtigten einst die Kutscher, die ihre Fahrgäste im benachbarten Anhalter Bahnhof fanden. Die Gastwirtschaft wurde 1909 erstmals urkundlich erwähnt.
Berlin-Kreuzberg, Bernburger Str. 35, Mo-Fr 8.00-24.00 Uhr
Sonntag, 28. Oktober 2007
Altes und Neues im Gropius-Bau
Gestern Abend im Gropiusbau. Kaum bin ich wieder in Neukölln, verlasse ich es wieder ...
An der Grenze von Kreuzberg zu Mitte, face à face mit dem Preußischen Landtag, in dem heute der Berliner Senat tagt, liegt der vermutlich wichtigste Berliner Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst und Fotografie, der sich durch Stetigkeit seit seiner Eröffnung in Westberliner Tagen diesen Platz erobert hat. Das Gebäude selbst, italienische Renaissance aus der Zeit des ersten deutschen Einheitsstaats, besticht durch ein gelb bis rostrotes Farbenspektrum mit feuer- und ziegelroten Steinen, Fayencen, floralen und figürlichen Darstellungen. Es war als Kunstgewerbemuseum und -schule geplant und wurde zum Glück ab den späten 70er Jahren restauriert.
September 1989 war ich das erste Mal mit meinem Vater dort. Damals diente der Seiteneingang als Haupteingang, und vor der doppelten Haupttreppe mit überdachtem Vorbau stand die Mauer und verstellte den Blick auf den Preußischen Landtag. Jetzt bin ich wieder mit meinem Vater hier, die Mauer ist lange schon weg, an den Nebeneingang erinnern sich nur noch wenige.
Wir sehen: Atget, Pariser Bilder von kurz vor der Jahrhundertwende bis in die Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und eine Vernissage - vom "Funken zum Pixel" zu neuer Medienkunst.
Atget hat Ecken der Stadt Paris fotografiert, die oft heute verschwunden sind. Er ging dabei systematisch und dokumentarisch vor, bildete "Menschen vor ihren Ladengeschäften" ab und dabei die Bandbreite des damaligen Handels. Das ist aber eine Reihe, die untypisch ist. Menschen kommen bei Atget nur am Rande vor, wie die "zonards" einer anderen Serie, die Underdogs der Stadtrände, die in Blechhütten und Wagen hausen. Meistens bildet er windschiefe, feuchte Häuser ab, die Gebäude von vor der Haussmann-Ära, oder er inventarisiert die Stuckdecken und Marmorkamine der Pariser Palais. In etliche Straßen kehrt er nach zwanzig Jahren noch einmal zurück, und wir sehen das Werk der Zeit: Läden wurden geschlossen, die Wände haben Flecken, hier gibt es plötzlich eine neue Durchsicht, dort steht plötzlich ein Automobil.
Überhaupt sieht Paris ohne Autos abstrakt aus. Und es ist fast menschenleer: Atget war Frühaufsteher, das Morgenlicht ist eindeutig; oder aber ein Bild heißt "Quai soundso ..." (auf der Ile Saint Louis), "... an einem Sonntagvormittag". Beruhigend, dass sich die Gewohnheiten der Pariser so wenig verändern.
Was mir bei Atgets urbanem Inventar, das er an Maler und Archive verkaufte, am besten gefiel: Die Intérieurs verschiedener gesellschaftlicher Schichten und die Inschriften der Werbeplakate für chininhaltige Alkoholika (aus Chinarinde) - einst ein Medikament gegen Malaria, war derlei damals als Apéritif "in". Slogan: "Qui le boit, l'adopte. Qui l'adopte, bien se porte!" - Sinngemäß: "Wer ihn einmal trinkt, trinkt ihn regelmäßig. Wer ihn regelmäßig trinkt, ist fit!" Alkohol plus Wellness, schon damals.
Es sind Originalabzüge ausgestellt, die Mitnahme einer Lupe empfiehlt sich für die Details. Die Ausstellungsmacher hätten einige große Vergrößerungen um eine Sitzbank herum anordnen können, kritisiert mein Vater am Ende in Museen verbrachten Woche.
Mein Lesetipp, der über die Ausstellung weit hinausgeht: Atget Paris, Bibliothèque Nationale/Hazan, 1992
Eine andere Zeitreise verspricht die Ausstellung "Vom Funken zum Pixel". Wir waren zur Vernissage da - und enttäuscht. Viel Flirren, viel Effekt, einige schöne und witzige Exponate, doch das meiste zu banal, vor allem in seiner Zusammenstellung. Hier korrespondiert wenig miteinander, wird keine These durch Antithese(n) hinterfragt, überhaupt scheint hier an allen Ecken ein Problem vieler zeitgenössischer Arbeiten durch: Sie wollen gefallen, sind beliebig in der Aussage, selten politisch und schielen auf den Markt, arbeiten dabei mit billigen und fragwürdigen Effekten. Nur manches gefiel uns durch den Unterhaltungswert oder die Grenzerfahrung, wie die überdimensionierte Petrischale mit elektronischen Würmchen drin, die durch Elektrizität und Licht wuchsen, sich veränderten und die eigene Retina mit ihren Reaktionen auf Lichteffekte an die Grenze des Aushaltbaren führte. Das Publikum liegt dazu auf dem Boden und lässt das schwindelerregende Lichtspiel über sich ergehen.
Die angekündigten "neuen Positionen" von Kunst und Medienkunst fanden wir nicht, stattdessen elektronische Lagerfeuer, Lichtdecken wie aus der Disko, eine 3-D-Installation zu indischen Kultstätten, die so auch im modernen Tourismusbüro stehen könnte.
Das überzeugendste Werk war von 1975: eine Kerze, von Nam Jun Paik in die Hülle eines Fernsehgeräts gestellt.
An der Grenze von Kreuzberg zu Mitte, face à face mit dem Preußischen Landtag, in dem heute der Berliner Senat tagt, liegt der vermutlich wichtigste Berliner Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst und Fotografie, der sich durch Stetigkeit seit seiner Eröffnung in Westberliner Tagen diesen Platz erobert hat. Das Gebäude selbst, italienische Renaissance aus der Zeit des ersten deutschen Einheitsstaats, besticht durch ein gelb bis rostrotes Farbenspektrum mit feuer- und ziegelroten Steinen, Fayencen, floralen und figürlichen Darstellungen. Es war als Kunstgewerbemuseum und -schule geplant und wurde zum Glück ab den späten 70er Jahren restauriert.
September 1989 war ich das erste Mal mit meinem Vater dort. Damals diente der Seiteneingang als Haupteingang, und vor der doppelten Haupttreppe mit überdachtem Vorbau stand die Mauer und verstellte den Blick auf den Preußischen Landtag. Jetzt bin ich wieder mit meinem Vater hier, die Mauer ist lange schon weg, an den Nebeneingang erinnern sich nur noch wenige.
Wir sehen: Atget, Pariser Bilder von kurz vor der Jahrhundertwende bis in die Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und eine Vernissage - vom "Funken zum Pixel" zu neuer Medienkunst.
Atget hat Ecken der Stadt Paris fotografiert, die oft heute verschwunden sind. Er ging dabei systematisch und dokumentarisch vor, bildete "Menschen vor ihren Ladengeschäften" ab und dabei die Bandbreite des damaligen Handels. Das ist aber eine Reihe, die untypisch ist. Menschen kommen bei Atget nur am Rande vor, wie die "zonards" einer anderen Serie, die Underdogs der Stadtrände, die in Blechhütten und Wagen hausen. Meistens bildet er windschiefe, feuchte Häuser ab, die Gebäude von vor der Haussmann-Ära, oder er inventarisiert die Stuckdecken und Marmorkamine der Pariser Palais. In etliche Straßen kehrt er nach zwanzig Jahren noch einmal zurück, und wir sehen das Werk der Zeit: Läden wurden geschlossen, die Wände haben Flecken, hier gibt es plötzlich eine neue Durchsicht, dort steht plötzlich ein Automobil.
Überhaupt sieht Paris ohne Autos abstrakt aus. Und es ist fast menschenleer: Atget war Frühaufsteher, das Morgenlicht ist eindeutig; oder aber ein Bild heißt "Quai soundso ..." (auf der Ile Saint Louis), "... an einem Sonntagvormittag". Beruhigend, dass sich die Gewohnheiten der Pariser so wenig verändern.
Was mir bei Atgets urbanem Inventar, das er an Maler und Archive verkaufte, am besten gefiel: Die Intérieurs verschiedener gesellschaftlicher Schichten und die Inschriften der Werbeplakate für chininhaltige Alkoholika (aus Chinarinde) - einst ein Medikament gegen Malaria, war derlei damals als Apéritif "in". Slogan: "Qui le boit, l'adopte. Qui l'adopte, bien se porte!" - Sinngemäß: "Wer ihn einmal trinkt, trinkt ihn regelmäßig. Wer ihn regelmäßig trinkt, ist fit!" Alkohol plus Wellness, schon damals.
Es sind Originalabzüge ausgestellt, die Mitnahme einer Lupe empfiehlt sich für die Details. Die Ausstellungsmacher hätten einige große Vergrößerungen um eine Sitzbank herum anordnen können, kritisiert mein Vater am Ende in Museen verbrachten Woche.
Mein Lesetipp, der über die Ausstellung weit hinausgeht: Atget Paris, Bibliothèque Nationale/Hazan, 1992
Eine andere Zeitreise verspricht die Ausstellung "Vom Funken zum Pixel". Wir waren zur Vernissage da - und enttäuscht. Viel Flirren, viel Effekt, einige schöne und witzige Exponate, doch das meiste zu banal, vor allem in seiner Zusammenstellung. Hier korrespondiert wenig miteinander, wird keine These durch Antithese(n) hinterfragt, überhaupt scheint hier an allen Ecken ein Problem vieler zeitgenössischer Arbeiten durch: Sie wollen gefallen, sind beliebig in der Aussage, selten politisch und schielen auf den Markt, arbeiten dabei mit billigen und fragwürdigen Effekten. Nur manches gefiel uns durch den Unterhaltungswert oder die Grenzerfahrung, wie die überdimensionierte Petrischale mit elektronischen Würmchen drin, die durch Elektrizität und Licht wuchsen, sich veränderten und die eigene Retina mit ihren Reaktionen auf Lichteffekte an die Grenze des Aushaltbaren führte. Das Publikum liegt dazu auf dem Boden und lässt das schwindelerregende Lichtspiel über sich ergehen.
Die angekündigten "neuen Positionen" von Kunst und Medienkunst fanden wir nicht, stattdessen elektronische Lagerfeuer, Lichtdecken wie aus der Disko, eine 3-D-Installation zu indischen Kultstätten, die so auch im modernen Tourismusbüro stehen könnte.
Das überzeugendste Werk war von 1975: eine Kerze, von Nam Jun Paik in die Hülle eines Fernsehgeräts gestellt.
Samstag, 27. Oktober 2007
Fahrräder in Großstädten
Nun bin ich zurück im Kiez. Berlin ist eine tolle Stadt, eine von Kunst und Kultur geprägte Zukunftswerkstatt. Nur leider bietet sie zu wenig spannende Jobs mit Perspektive. Daher verpflichte ich mich ab und zu anderswo, unterrichte dort oder nehme an Festivals und Märkten teil, um Kontakte zu pflegen.
Hier sind Ende Oktober schon viele Bäume fast ohne Blätter. Und am Fuße eines Baumes im Hof, an dem mein Rad stehen sollte, nur Blätter, Rinde, ein regenbogenfarbener Kinderball, dem die Puste ausgegangen ist.
Das Fahrrad war mein Zweitrad, im Flohmarkt der Arena für neunzig Euro erstanden, ein hübsches, nicht zu altes, blaues Damenrad mit schwarzem Metallkorb vorne an der Lenkstange aus einer No-Name-Fabrik, gerade erst mit neuem Sattel und Pedalen versehen. Es war mit einem feuerroten Stahlrohrschloss wie für die Ewigkeit am Baume festgemacht. Nun isses weg.
Mein Bruder, der zum Kochen und Essen kommt, sagt: "In Großstädten gehört Dir Dein Fahrrad nicht. Du hast es nur geliehen. Der Kaufpreis ist in Wirklichkeit eine Leihgebühr. Das Blöde daran ist, Du weißt nie, für wie lange Du es geliehen hast."
Tröstlich, der Gedanke - ein wenig wenigstens.
Hier sind Ende Oktober schon viele Bäume fast ohne Blätter. Und am Fuße eines Baumes im Hof, an dem mein Rad stehen sollte, nur Blätter, Rinde, ein regenbogenfarbener Kinderball, dem die Puste ausgegangen ist.
Das Fahrrad war mein Zweitrad, im Flohmarkt der Arena für neunzig Euro erstanden, ein hübsches, nicht zu altes, blaues Damenrad mit schwarzem Metallkorb vorne an der Lenkstange aus einer No-Name-Fabrik, gerade erst mit neuem Sattel und Pedalen versehen. Es war mit einem feuerroten Stahlrohrschloss wie für die Ewigkeit am Baume festgemacht. Nun isses weg.
Mein Bruder, der zum Kochen und Essen kommt, sagt: "In Großstädten gehört Dir Dein Fahrrad nicht. Du hast es nur geliehen. Der Kaufpreis ist in Wirklichkeit eine Leihgebühr. Das Blöde daran ist, Du weißt nie, für wie lange Du es geliehen hast."
Tröstlich, der Gedanke - ein wenig wenigstens.
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