Dienstag, 29. Mai 2007
Prozente
Karl Marx-Straße in Neukölln, an der U-Bahn-Station "Rathaus Neukölln": Ich bin in der Berliner Bank und habe beim Warten in der Schlange Zeit, mir die Werbung anzuschauen. An den Wänden Plakate wie in allen Filialen dieser Bank, nur in der Tür steht ein Flip Chart: 3,6 % ... und wie's weitergeht, kann ich nicht lesen. Auch die Überschrift verstehe ich nicht. Die Werbung ist ausschließlich auf Türkisch. Ich fühle mich, als wäre ich auf Reisen.
Samstag, 26. Mai 2007
NK-/Xberg-Parlando zum Thema Essen
Die sommerliche Stadtlandschaft von Nord-Neukölln hat sich, verglichen mit den letzten Jahren, stark verändert. Zumindest direkt an der Grenze zu Kreuzberg. Cafés und Restaurants stellen Tische und Stühle vor die Tür, auch an die Uferseite, auf den Bürgersteig, für den Wasserblick. Es sind wesentlich mehr Spaziergänger unterwegs, junge Leute, aber auch Touristen. Der Landwehrkanal ist nicht mehr die trennende Grenze. Auf der Ohlauer Brücke steht wieder Carsten, der Schauspieler, mit seinem Eiswagen, ab und zu besucht von seiner Frau und der inzwischen 5-monatigen Tochter.
Auf dem Landwehrkanal sind wie jeden Sommer die Sight-seeing-Schiffe unterwegs, aber sie fahren derzeit meistens nur in eine Richtung. Der Bootssteg an der Kottbusser Brücke ist Mitte April teilweise ins Wasser gebröckelt - und nun wird nicht nur hier saniert, an der ganzen Uferkante könne es jederzeit losbrechen, so das Ergebnis einer Untersuchung. Einst, als die Stadt sich an der Stelle der Stadtbefestigungen und der Schlachtfelder einen Bahnring und einen Kanal baute, um die Versorgung der Stadt auch mit Baumaterial zu erleichtern, war an solchem gespart worden. Aufwändige Bauarbeiten zur Befestigung des Kanals stehen bevor, die bis zu 200 Bäume kosten wird.
Sonst weiß ich nichts Neues aus NK, wie Neukölln immer häufiger genannt wird, oder aber "Kreuzkölln" wegen der von 'drüben' langsam in den unseren Bezirk diffundierenden Bevölkerung. Nur Kreuz(X)berg ist weiterhin in den Schlagzeilen. Nein, kein erster Mai mit seinen "Deeskalationswürstchen" für zwei Euro, auch keine "Kübel" auf Edelrestaurants wie in den 80er Jahren. McDonald eröffnet hier eine Filiale. Der Schnellbräter, der am Kreml und in der verbotenen Stadt in Beijing vertreten ist (für Peking verbürge ich mich höchstpersönlich), McDo also hatte in Xberg bislang noch keine Niederlassung.
Das ist nun anders und die Kommentatoren der Gazetten überschlagen sich. Es ist nicht das ungesunde Essen allein, das aufregt, derlei "können" auch viele Schnellimbissbuden. Die Lebensmittelindustrie mit ihren Abholzungen in Schwellenländern, die Sojaplantagen, die Massenaufzucht von Schlachtvieh, die Arbeitsbedingungen in den Restaurants werden hier wieder diskutiert. Das ist neu, Kreuzberg mit seiner Alternativkultur hatte das Thema längst ad acta gelegt. In der Kantine der Regenbogenfabrik, eines der alternativen Projekte, das vor ziemlich genau 25 Jahren mit einer Hausbesetzung begann, sieht man die Sache weiterhin gelassen: 'Außer Touris und ein paar verzweifelten Kids aus veganen WGs, die sich dort aus Protest treffen werden', bliebe der Ort sicher leer.
Eigentlich habe ich bislang nur übers Essen geschrieben. Und bin geneigt, dem einen Schlenker hinzuzufügen. Und von Gesprächen zu berichten, die vorhin auf einer Parkbank am Landwehrkanal geführt wurden. Daran beteiligt: Drei Akademiker von um die Mitte Dreißig/Anfang vierzig. Sie sitzen hier bei Carstens wunderbarem Eis, weil die Caféterrasse am Ufer für sie zu teuer ist. Sie leben von Lektoraten, gelegentlichen Jobs im gelernten Beruf, Re-writing - und hoffen auf eine Perspektive an der Uni. Deshalb verdingen sie sich dort als akademische Tagelöhner, unterrichten zum Teil seit 10 Jahren und bei ewig unklaren Perspektiven. Nun erwägen sie, mit anderen zusammen zu streiken. Aufhänger ist die Mindestlohndebatte. Was wollen sie? Nichts als den Mindestlohn - 7 Euro 50 für jede effektiv gearbeitete Stunde.
Lehrbeauftragte an deutschen Hochschulen erhalten (im geisteswissenschaftlichen Bereich) das gleiche Geld wie vor 40 Jahren: Um die 40 Mark. Ca. 20 Euro für die gehaltene Einzelstunde, der oft sechs, acht Stunden Vor- und Nachbereitung gegenüberstehen. Wer dann noch Bücher selbst kauft, weil die Berliner Bibliotheken "sparen" müssen und auch sein Fahrgeld selbst zahlen muss, steht am Ende mit einem Euro je Arbeitsstunde da. Ein Streik wäre da kein enormer Verlust. Nur für die Unis: an Berliner Hochschulen kommen inzwischen 30 Prozent der Angebote von freien Mitarbeitern.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral - mir geht's genauso. Einen Tag die Woche zahlt der Staat mir genau das, was mich "mein Schreibtisch" an genau diesem Tag kostet, also die Miete für mein Arbeitszimmer, das Telefon, die Abschreibung des Rechners, die Druckertinte. Mehr nicht. Die anderen Lehrbeauftragten, sie wohnen in ein- bis anderthalb Zimmerwohnungen in billigen Kreuzberger und Neuköllner Wohnungen, fahren zu Monatsende auch mal Taxi oder geben Zehlendorfer Gören Musikunterricht. Oder Leuten vom Potsdamer Platz Privatunterricht in Wirtschaftschinesisch - für 60 Euro die Stunde.
Die Einführung des Mindestlohns führte bei den Lehrbeauftragten, rechnet man für jede gehaltene Einzelstunde einen ganzen Arbeitstag, zu einem Honorar von 1.440 Euro (im kürzeren Sommersemester); derzeit gezahlt werden für zwei Semesterwochenstunden und 12 Wochen um die 500 Euro. (Im längeren Wintersemester wären es 1.920 statt 680 Euro.)
Und hier sind wir nur beim sozialen Mindestlohn, den auch Ungelernte beanspruchen, noch nicht bei Entlohnungen, die Studium und Berufserfahrung berücksichtigen.
Wundert sich in Deutschland noch einer über PISA? Bon appétit !
Auf dem Landwehrkanal sind wie jeden Sommer die Sight-seeing-Schiffe unterwegs, aber sie fahren derzeit meistens nur in eine Richtung. Der Bootssteg an der Kottbusser Brücke ist Mitte April teilweise ins Wasser gebröckelt - und nun wird nicht nur hier saniert, an der ganzen Uferkante könne es jederzeit losbrechen, so das Ergebnis einer Untersuchung. Einst, als die Stadt sich an der Stelle der Stadtbefestigungen und der Schlachtfelder einen Bahnring und einen Kanal baute, um die Versorgung der Stadt auch mit Baumaterial zu erleichtern, war an solchem gespart worden. Aufwändige Bauarbeiten zur Befestigung des Kanals stehen bevor, die bis zu 200 Bäume kosten wird.
Sonst weiß ich nichts Neues aus NK, wie Neukölln immer häufiger genannt wird, oder aber "Kreuzkölln" wegen der von 'drüben' langsam in den unseren Bezirk diffundierenden Bevölkerung. Nur Kreuz(X)berg ist weiterhin in den Schlagzeilen. Nein, kein erster Mai mit seinen "Deeskalationswürstchen" für zwei Euro, auch keine "Kübel" auf Edelrestaurants wie in den 80er Jahren. McDonald eröffnet hier eine Filiale. Der Schnellbräter, der am Kreml und in der verbotenen Stadt in Beijing vertreten ist (für Peking verbürge ich mich höchstpersönlich), McDo also hatte in Xberg bislang noch keine Niederlassung.
Das ist nun anders und die Kommentatoren der Gazetten überschlagen sich. Es ist nicht das ungesunde Essen allein, das aufregt, derlei "können" auch viele Schnellimbissbuden. Die Lebensmittelindustrie mit ihren Abholzungen in Schwellenländern, die Sojaplantagen, die Massenaufzucht von Schlachtvieh, die Arbeitsbedingungen in den Restaurants werden hier wieder diskutiert. Das ist neu, Kreuzberg mit seiner Alternativkultur hatte das Thema längst ad acta gelegt. In der Kantine der Regenbogenfabrik, eines der alternativen Projekte, das vor ziemlich genau 25 Jahren mit einer Hausbesetzung begann, sieht man die Sache weiterhin gelassen: 'Außer Touris und ein paar verzweifelten Kids aus veganen WGs, die sich dort aus Protest treffen werden', bliebe der Ort sicher leer.
Eigentlich habe ich bislang nur übers Essen geschrieben. Und bin geneigt, dem einen Schlenker hinzuzufügen. Und von Gesprächen zu berichten, die vorhin auf einer Parkbank am Landwehrkanal geführt wurden. Daran beteiligt: Drei Akademiker von um die Mitte Dreißig/Anfang vierzig. Sie sitzen hier bei Carstens wunderbarem Eis, weil die Caféterrasse am Ufer für sie zu teuer ist. Sie leben von Lektoraten, gelegentlichen Jobs im gelernten Beruf, Re-writing - und hoffen auf eine Perspektive an der Uni. Deshalb verdingen sie sich dort als akademische Tagelöhner, unterrichten zum Teil seit 10 Jahren und bei ewig unklaren Perspektiven. Nun erwägen sie, mit anderen zusammen zu streiken. Aufhänger ist die Mindestlohndebatte. Was wollen sie? Nichts als den Mindestlohn - 7 Euro 50 für jede effektiv gearbeitete Stunde.
Lehrbeauftragte an deutschen Hochschulen erhalten (im geisteswissenschaftlichen Bereich) das gleiche Geld wie vor 40 Jahren: Um die 40 Mark. Ca. 20 Euro für die gehaltene Einzelstunde, der oft sechs, acht Stunden Vor- und Nachbereitung gegenüberstehen. Wer dann noch Bücher selbst kauft, weil die Berliner Bibliotheken "sparen" müssen und auch sein Fahrgeld selbst zahlen muss, steht am Ende mit einem Euro je Arbeitsstunde da. Ein Streik wäre da kein enormer Verlust. Nur für die Unis: an Berliner Hochschulen kommen inzwischen 30 Prozent der Angebote von freien Mitarbeitern.
Erst kommt das Fressen, dann die Moral - mir geht's genauso. Einen Tag die Woche zahlt der Staat mir genau das, was mich "mein Schreibtisch" an genau diesem Tag kostet, also die Miete für mein Arbeitszimmer, das Telefon, die Abschreibung des Rechners, die Druckertinte. Mehr nicht. Die anderen Lehrbeauftragten, sie wohnen in ein- bis anderthalb Zimmerwohnungen in billigen Kreuzberger und Neuköllner Wohnungen, fahren zu Monatsende auch mal Taxi oder geben Zehlendorfer Gören Musikunterricht. Oder Leuten vom Potsdamer Platz Privatunterricht in Wirtschaftschinesisch - für 60 Euro die Stunde.
Die Einführung des Mindestlohns führte bei den Lehrbeauftragten, rechnet man für jede gehaltene Einzelstunde einen ganzen Arbeitstag, zu einem Honorar von 1.440 Euro (im kürzeren Sommersemester); derzeit gezahlt werden für zwei Semesterwochenstunden und 12 Wochen um die 500 Euro. (Im längeren Wintersemester wären es 1.920 statt 680 Euro.)
Und hier sind wir nur beim sozialen Mindestlohn, den auch Ungelernte beanspruchen, noch nicht bei Entlohnungen, die Studium und Berufserfahrung berücksichtigen.
Wundert sich in Deutschland noch einer über PISA? Bon appétit !
Freitag, 25. Mai 2007
Frühjahrspunsch
Eine ordentliche Menge Minze, etwas Brennessel und nach Geschmack Süßholz mit einem Viertelliter siedendem Wasser übergießen. Abkühlen lassen, abseihen. Dann Kräuteressenzen aus dem Reformhaus (in Cannes erworben, gibt's auch im Netz) hinzu: 15 ml Ginseng, Shiitake, Propolis und Gelée Royale (Kombipräparat), 30 ml Ackerraute oder auch Erdrauch genannt, 30 ml Hamamelisextrakt und Zypresse (Kombipräparat), dazu den Saft einer Orange und einer halben Zitrone.
Schmeckt super! Regt den Kreislauf an, stärkt die Abwehrkraft, wirkt krampflösend und ist auch als Behandlung bei Erkältungen geeignet, außerdem entzündungshemmend und harntreibend.
Für Kinder verboten! (Sonst ist gleich alles weg.)
Schmeckt super! Regt den Kreislauf an, stärkt die Abwehrkraft, wirkt krampflösend und ist auch als Behandlung bei Erkältungen geeignet, außerdem entzündungshemmend und harntreibend.
Für Kinder verboten! (Sonst ist gleich alles weg.)
Donnerstag, 24. Mai 2007
Frühsommer
Die Sonne scheint, alle sind fröhlich. Alle? In einem Haus am Rande der City, genauer: am Maybachufer, regt sich Widerspruch. Heuschnupfen! Gegen Getreide und Gräser, die früher niemals gleichzeitig geblüht hatten und die mich in ihrer Gleichzeitigkeit fast lahmlegen.
Dieses Jahr, in dem der Schneewinter schon an einem Samstagvormittag stattgefunden hat, sind wegen Geldmangels Frühjahr und Sommer in eine Jahreszeit verlegt worden.
Sie lachen? Ich nicht. Wir müssen endlich mehr Geld für die Umwelt ausgeben. Stattdessen wurden von der Politik Werbeagenturen damit beauftragt, sanfte Begriffe für das Wort Klimakatastrophe zu finden. Quelle: "Les nouvelles censures", Paul Moreira, Der französische investigative Journalist nimmt kundig das auseinander, was er im Untertitel seines Buches mit "In den Kulissen der Manipulation" beschreibt. Verlegt bei Robert Laffont.
Dieses Jahr, in dem der Schneewinter schon an einem Samstagvormittag stattgefunden hat, sind wegen Geldmangels Frühjahr und Sommer in eine Jahreszeit verlegt worden.
Sie lachen? Ich nicht. Wir müssen endlich mehr Geld für die Umwelt ausgeben. Stattdessen wurden von der Politik Werbeagenturen damit beauftragt, sanfte Begriffe für das Wort Klimakatastrophe zu finden. Quelle: "Les nouvelles censures", Paul Moreira, Der französische investigative Journalist nimmt kundig das auseinander, was er im Untertitel seines Buches mit "In den Kulissen der Manipulation" beschreibt. Verlegt bei Robert Laffont.
Dienstag, 15. Mai 2007
Kieze im Wandel
Neue Läden im Kiez: Der Butter-Lindner auf dem "Kotty" ist weg, ein Berliner Traditionsbetrieb mit Feinkostcharakter, stattdessen ein XL-Euro-"Koaför", jede Frisur ein Zehner. Der Buchladen auf dem Kottbusser Damm Nahe Herrmannplatz ist weg, er war auf der Kreuzberger Seite, stattdessen kann man hier bald türkische Hochzeitsmode und -geschenke erwerben. Der zweite verbliebene Buchladen auf dem Kottbusser Damm, gleichen Seite, aber Nähe Kottbusser Brücke, wich einem Schuhladen.
Noch hält sich der alte Lampen- und Haushaltselektronikladen; schon vor etlichen Jahren, mindestens sieben, machte im Gräfekiez der wunderbare Schrauben- und Bastelbedarfsladen dicht (hier wurden auch Einzelschrauben verkauft). Das "Leistenhaus" in der Hobrechtstraße hat nur noch wenige Stunden in der Woche auf, der alte Uhrenladen in der Gräfestraße auch. Schließungen dies- und jenseits des Kottbusser Damms also: angestammte Betriebe finden keine Nachfolger. Wo auf der Kreuzberger Seite meistens Kneipen und Bars einziehen, bieten auf der Neuköllner Seite verstärkt Trödler und Restposten-Schnäppchen-Kleidersupermärkte ihre Waren feil. Auf beiden Seiten gleich ist die Nutzung von Kleinstläden als Büros.
Noch hält sich der alte Lampen- und Haushaltselektronikladen; schon vor etlichen Jahren, mindestens sieben, machte im Gräfekiez der wunderbare Schrauben- und Bastelbedarfsladen dicht (hier wurden auch Einzelschrauben verkauft). Das "Leistenhaus" in der Hobrechtstraße hat nur noch wenige Stunden in der Woche auf, der alte Uhrenladen in der Gräfestraße auch. Schließungen dies- und jenseits des Kottbusser Damms also: angestammte Betriebe finden keine Nachfolger. Wo auf der Kreuzberger Seite meistens Kneipen und Bars einziehen, bieten auf der Neuköllner Seite verstärkt Trödler und Restposten-Schnäppchen-Kleidersupermärkte ihre Waren feil. Auf beiden Seiten gleich ist die Nutzung von Kleinstläden als Büros.
Montag, 14. Mai 2007
Wandinschrift
... in der Reuterstraße: "Denken gefährdet ihre Dummheit. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Hartz-Berater oder Lehrer"
Donnerstag, 10. Mai 2007
Deutsch-französische Fernsehblödeleien
... Insider-Witze, für die andren: Sorry!
Okay, okay, ich erklär' sie doch.
Ich war neulich bei RFI, dem französischen Auslandsradio, und wurde interviewt. Jemand beschwerte sich darüber, dass letztens mal wieder der Franzose, der im Tatort vorgekommen ist, wie üblich Koch, Weiberheld, Weinkenner usw. hätte sein müssen. Das mit dem Klischeefranzosen verteidigte Søren Schumann, ein rbb-Arte-Mann, augenzwinkernd, müsse so sein, weil das Progamm ja schließlich “t’as tort" heißt :-)
(Tatort, sehr französisch ausgesprochen, klingt wie: Du bist im Unrecht).
... und der Arte-Beauftragte sei der “bof tracté” (B'e'of-trag-té-r), konterte prompt der Redakteur des Radios ... (Das 'e' wäre hier das umgedrehte 'e', das als stummes 'e' oft nicht gesprochen wird.)
Ein Bof ist ein Kumpel, der Schwager eigentlich (beau frère), aber auch irgendwie ein Looser, ein Rumhänger. Tracté heißt so viel wie "flugblattisiert", das Wort gibt's irgendwie auch nicht, aber man meint, es zu verstehen. Also derjenige, der mit den Slogans anderer zugetextet wurde vielleicht.
Ohne doppelten Wortsinn, il y a le “mengengerüst” comme néologisme en Allemand - das Wort "Mengengerüst" ist für das ponderierte Zustandekommen der Arte-Programminhalte unter TV-Franzosen ein angenommenes deutsches Wort, was der neuen “Programmgrille” entspricht, von der die deutschen Kollegen sprechen, la grille des programmes: die Programmstruktur.
Was für 'ne Grille!
Okay, okay, ich erklär' sie doch.
Ich war neulich bei RFI, dem französischen Auslandsradio, und wurde interviewt. Jemand beschwerte sich darüber, dass letztens mal wieder der Franzose, der im Tatort vorgekommen ist, wie üblich Koch, Weiberheld, Weinkenner usw. hätte sein müssen. Das mit dem Klischeefranzosen verteidigte Søren Schumann, ein rbb-Arte-Mann, augenzwinkernd, müsse so sein, weil das Progamm ja schließlich “t’as tort" heißt :-)
(Tatort, sehr französisch ausgesprochen, klingt wie: Du bist im Unrecht).
... und der Arte-Beauftragte sei der “bof tracté” (B'e'of-trag-té-r), konterte prompt der Redakteur des Radios ... (Das 'e' wäre hier das umgedrehte 'e', das als stummes 'e' oft nicht gesprochen wird.)
Ein Bof ist ein Kumpel, der Schwager eigentlich (beau frère), aber auch irgendwie ein Looser, ein Rumhänger. Tracté heißt so viel wie "flugblattisiert", das Wort gibt's irgendwie auch nicht, aber man meint, es zu verstehen. Also derjenige, der mit den Slogans anderer zugetextet wurde vielleicht.
Ohne doppelten Wortsinn, il y a le “mengengerüst” comme néologisme en Allemand - das Wort "Mengengerüst" ist für das ponderierte Zustandekommen der Arte-Programminhalte unter TV-Franzosen ein angenommenes deutsches Wort, was der neuen “Programmgrille” entspricht, von der die deutschen Kollegen sprechen, la grille des programmes: die Programmstruktur.
Was für 'ne Grille!
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Deutsch-Französisches,
Medienarbeit,
Sprache
Mittwoch, 9. Mai 2007
Ein Link
... leider nur für Leute, die Französisch verstehen:
http://www.dailymotion.com/video/x1vfyt_gerard-miller-analyse-sarkozy
(funktioniert nur per 'copy & paste')
http://www.dailymotion.com/video/x1vfyt_gerard-miller-analyse-sarkozy
(funktioniert nur per 'copy & paste')
Montag, 7. Mai 2007
Endlich Regen! / Gefühle einer Dolmetscherin
Berlin, Regierungsviertel, das Haus einer politischen Stiftung. Der Gastgeber eröffnet die Tagung über "Afrika und der G 8-Gipfel". Er bedankt sich bei seinen afrikanischen Gästen, darunter die Premierminister von Togo und Niger, dass diese den langersehnten Regen mitgebracht hätten, denn es gab fünf Wochen lang keine Niederschläge.
Ich sitze in der Dolmetscherkabine und höre zu, wie meine Kollegin Kerstin diese Sätze überträgt.
Die afrikanischen Politiker nicken verständnisvoll.
Gleich bin ich dran. Dolmetschen ist ein geliebter Brotjob, den ich drei Tage im Monat ausübe. Er ist gut bezahlt (wenigstens: oft), er ist anerkannt (zumindest: meist) und er ist Dienstleistung pur. Es ist nicht immer leicht, mit den Sprachen zu jonglieren, wir haben Notizzettel mit Namen und Kürzeln dabei und inzwischen auch die Laptops mit direktem Netzzugang und elektronischen Wörterbüchern. Wir schreiben füreinander Worte und Zahlen auf, überwachen, ob die “Ko-Kabine” den richtigen Kanal einschaltet, oft wird mitten im Satz gewechselt, Schalten kostet Energie. Auch die Vorbereitung, sich mal eben in ein, zwei Tagen die Eckdaten des politischen und wirtschaftlichen Sachstands eines Landes oder ahnungshalber sogar eines ganzen Kontinents aufzuhelfen, ist toll und bietet mir eine schöne Gelegenheit, mein Talent zu Größenwahn und Kleingeistigkeit zeitgleich auszuleben. Größenwahn: Ich spreche mit allen Stimmen, ich sage immer "ich", wenn der zu Dolmetschende “ich” sagt, ich bin alt und jung, Mann und Frau, schwarz und weiß, Schauspieler, Regisseurin, Politiker, berühmter Schriftsteller oder Diplomatin. Kleingeistigkeit: Was ich nicht weiß an Worten, was mir im Alltag über den Weg läuft und mir komisch vorkommt, wird notiert, ich habe ganze Schuhkartons voll mit Vokabelkarteien, höre jeden Tag französisches Radio, habe immer was zum Schreiben dabei. Da ich es liebe zu lernen, ist das für mich ein sehr schöner Aspekt des Berufs.
Selbst der Stress hat sein Gutes, ich erlebe mich weniger kontrolliert, diese Art der Arbeit bringt sogar die Gnade vorübergehender Selbstvergessenheit. Was mir auch gefällt: Nach dem Einsatz bin ich frei von sonstigen Verpflichtungen. Vorher das Lesen-Notieren-Pauken, dann vor Ort das Dolmetschen, am Ende geht's nach Hause und gut is’. Kein Nacharbeiten, Lektorat, Nachbereiten, Besprechen. Und ich darf wortkarg sein. (Wer lacht hier?)
Dafür der Wechsel von Hochleistung mit hohem Adrenalinpegel - angeblich haben wir Dolmetscher so viel davon im Blut wie Piloten beim Start - und seelischer, geistiger, körperlicher Leichtigkeit. Nach einem solchen Arbeitstag bin ich kurz vor Trance: die meditative Stimmung 'danach' ist sicher das Schönste am Job.
Heute ging es auf der Tagung um wirtschaftliche Entwicklungen, Korruption und nebenbei auch um die Klimakatastrophe. In allen Bereichen wurde mir wieder deutlich, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Und wie wichtig das Handeln der Einzelnen ist.
Am Abend regnet es stärker. Es ist kühl geworden. Und wir erleben wieder Frühjahr nach den verfrühten Sommerwochen. Angeblich, so höre ich beim Nachhausekommen, seien schon 3/4 der Ernte durch die Trockenheit zerstört. Bald wird alles teurer. Ich beschließe, dieses Jahr privat keine Flugreise anzutreten und meine Glühbirnen alle durch "Energiesparleuchtmittel" zu ersetzen. Was für ein Wort.
Und wie zur Bestätigung trommelt der Regen weiter sein Tam-tam auf die Fensterbank aus Zinkblech.
Ich sitze in der Dolmetscherkabine und höre zu, wie meine Kollegin Kerstin diese Sätze überträgt.
Die afrikanischen Politiker nicken verständnisvoll.
Gleich bin ich dran. Dolmetschen ist ein geliebter Brotjob, den ich drei Tage im Monat ausübe. Er ist gut bezahlt (wenigstens: oft), er ist anerkannt (zumindest: meist) und er ist Dienstleistung pur. Es ist nicht immer leicht, mit den Sprachen zu jonglieren, wir haben Notizzettel mit Namen und Kürzeln dabei und inzwischen auch die Laptops mit direktem Netzzugang und elektronischen Wörterbüchern. Wir schreiben füreinander Worte und Zahlen auf, überwachen, ob die “Ko-Kabine” den richtigen Kanal einschaltet, oft wird mitten im Satz gewechselt, Schalten kostet Energie. Auch die Vorbereitung, sich mal eben in ein, zwei Tagen die Eckdaten des politischen und wirtschaftlichen Sachstands eines Landes oder ahnungshalber sogar eines ganzen Kontinents aufzuhelfen, ist toll und bietet mir eine schöne Gelegenheit, mein Talent zu Größenwahn und Kleingeistigkeit zeitgleich auszuleben. Größenwahn: Ich spreche mit allen Stimmen, ich sage immer "ich", wenn der zu Dolmetschende “ich” sagt, ich bin alt und jung, Mann und Frau, schwarz und weiß, Schauspieler, Regisseurin, Politiker, berühmter Schriftsteller oder Diplomatin. Kleingeistigkeit: Was ich nicht weiß an Worten, was mir im Alltag über den Weg läuft und mir komisch vorkommt, wird notiert, ich habe ganze Schuhkartons voll mit Vokabelkarteien, höre jeden Tag französisches Radio, habe immer was zum Schreiben dabei. Da ich es liebe zu lernen, ist das für mich ein sehr schöner Aspekt des Berufs.
Selbst der Stress hat sein Gutes, ich erlebe mich weniger kontrolliert, diese Art der Arbeit bringt sogar die Gnade vorübergehender Selbstvergessenheit. Was mir auch gefällt: Nach dem Einsatz bin ich frei von sonstigen Verpflichtungen. Vorher das Lesen-Notieren-Pauken, dann vor Ort das Dolmetschen, am Ende geht's nach Hause und gut is’. Kein Nacharbeiten, Lektorat, Nachbereiten, Besprechen. Und ich darf wortkarg sein. (Wer lacht hier?)
Dafür der Wechsel von Hochleistung mit hohem Adrenalinpegel - angeblich haben wir Dolmetscher so viel davon im Blut wie Piloten beim Start - und seelischer, geistiger, körperlicher Leichtigkeit. Nach einem solchen Arbeitstag bin ich kurz vor Trance: die meditative Stimmung 'danach' ist sicher das Schönste am Job.
Heute ging es auf der Tagung um wirtschaftliche Entwicklungen, Korruption und nebenbei auch um die Klimakatastrophe. In allen Bereichen wurde mir wieder deutlich, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Und wie wichtig das Handeln der Einzelnen ist.
Am Abend regnet es stärker. Es ist kühl geworden. Und wir erleben wieder Frühjahr nach den verfrühten Sommerwochen. Angeblich, so höre ich beim Nachhausekommen, seien schon 3/4 der Ernte durch die Trockenheit zerstört. Bald wird alles teurer. Ich beschließe, dieses Jahr privat keine Flugreise anzutreten und meine Glühbirnen alle durch "Energiesparleuchtmittel" zu ersetzen. Was für ein Wort.
Und wie zur Bestätigung trommelt der Regen weiter sein Tam-tam auf die Fensterbank aus Zinkblech.
Samstag, 5. Mai 2007
Zum Weinen oder zum Lachen?
In den letzten 40 Jahren hat der Output der Medien enorm zugenommen. Ein Mehrfaches an Zeitschriftentiteln liegt an den Kiosken auf, Privatsender, aber auch die privaten, dritten und special interest-Programme bieten ein um ein vielfaches größeres Angebot an tönenden und bewegten Bildern an als einst. Auch in den letzten 15 Jahren ging es mit der Entwicklung trotz Internet weiter bergauf - während paradoxerweise die Zahl der Journalistinnen und Journalisten deutlich zurückgegangen ist.
Da nimmt es nicht wunder, dass mindere Ereignisse hervorragend gefeatured werden, also eine hohe Medienpräsenz genießen. Zum Beispiel der morgige Weltlachtag, den 1998 eine Lachgruppe in Indien ausgerufen haben soll, in einem Land also, das wir in den westlichen Gesellschaften meistens erst einmal mit Armut assoziieren.
"Nicht viel zu lachen" haben offenbar unsere modernen Gesellschaften. Verhaltensforscher vermelden nun seit Jahren immer zum ersten Sonntag im Mai, eben jenem Weltlachtag, dass die absolute Lachmenge der Individuen rapide gesunken sei. Lachten wir vor 40 Jahren angeblich noch 18 Minuten durchschnittlich, so seien es heute nur noch lächerliche 6 Minuten. Gute Nachrichten muss man eben so oft wie möglich wiederholen, und so trägt ein herzerfrischendes "Lach' mal wieder!" nun jeden Mai zum Großrauschen der Medien bei. Zu dessen Legitimierung müssen Sprichworte hinhalten: "Lachen ist gesund!", heißt es - das meinten schon die Ärzte in der Antike, das Lachen nämlich gut für die Leber sei, und in ihr wohnten nun einmal die Gefühle.
So machen uralte Weisheiten heute frisches Geld - und verstopfen leider auch die Medien, in denen vieles, was in der Gesellschaft wirklich brennt oder echte gute Nachrichten sein könnten, kaum noch verhandelt wird. Lächerlich!
Da nimmt es nicht wunder, dass mindere Ereignisse hervorragend gefeatured werden, also eine hohe Medienpräsenz genießen. Zum Beispiel der morgige Weltlachtag, den 1998 eine Lachgruppe in Indien ausgerufen haben soll, in einem Land also, das wir in den westlichen Gesellschaften meistens erst einmal mit Armut assoziieren.
"Nicht viel zu lachen" haben offenbar unsere modernen Gesellschaften. Verhaltensforscher vermelden nun seit Jahren immer zum ersten Sonntag im Mai, eben jenem Weltlachtag, dass die absolute Lachmenge der Individuen rapide gesunken sei. Lachten wir vor 40 Jahren angeblich noch 18 Minuten durchschnittlich, so seien es heute nur noch lächerliche 6 Minuten. Gute Nachrichten muss man eben so oft wie möglich wiederholen, und so trägt ein herzerfrischendes "Lach' mal wieder!" nun jeden Mai zum Großrauschen der Medien bei. Zu dessen Legitimierung müssen Sprichworte hinhalten: "Lachen ist gesund!", heißt es - das meinten schon die Ärzte in der Antike, das Lachen nämlich gut für die Leber sei, und in ihr wohnten nun einmal die Gefühle.
So machen uralte Weisheiten heute frisches Geld - und verstopfen leider auch die Medien, in denen vieles, was in der Gesellschaft wirklich brennt oder echte gute Nachrichten sein könnten, kaum noch verhandelt wird. Lächerlich!
Mittwoch, 2. Mai 2007
Auf dem Schreibtisch ...
Was ist die Arbeit einer Stadtschreiberin? Zum Beispiel Bücher überarbeiten.
Heute hatte ich ein Drehbuch in der Mangel. Es wurde auf Französisch geschrieben, hat in der Originalfassung etwa 130.000 Anschläge, Leerzeichen inbegriffen, das sind 100 Drehbuchseiten. In der deutschen Fassung sind es 145.000 Anschläge. Solch einen Text zu übersetzen dauert eine gute Arbeitswoche, ca. 50 Stunden - und dann kommt noch das Schlusslektorat. Wenn bereits eine gute Übersetzung vorliegt, bekommt ein gutes Drehbuch durch eine geübte Autorin den 'letzten Schliff'. Am Ende liest es sich so, als hätte es eine deutsche Autorin/ein deutscher Autor verfasst.
In meinem Fall dreht es sich um das Buch eines Nachwuchsautors, der als "französischer Ken Loach" gehandelt wird. Ich hatte früher für ihn schon einige Tage als Journalistin recherchiert, denn sein neuer Film soll in Berlin spielen und auch hier gedreht werden. Es geht um Lothar, einen in die Jahre gekommenen Berufsschullehrer und seine Alltagsprobleme, die auch mit der Berliner Wirtschaftskrise und der Globalisierung zusammenhängen.
Ein Teil des Films spielt in Neukölln, in Rudow, ein anderer in Kreuzberg, an einer Oberschule. Wenn es soweit ist, werde ich als Beraterin dabei sein und vielleicht eine Reportage über das Ganze drehen. Ich freue mich schon drauf.
Heute hatte ich ein Drehbuch in der Mangel. Es wurde auf Französisch geschrieben, hat in der Originalfassung etwa 130.000 Anschläge, Leerzeichen inbegriffen, das sind 100 Drehbuchseiten. In der deutschen Fassung sind es 145.000 Anschläge. Solch einen Text zu übersetzen dauert eine gute Arbeitswoche, ca. 50 Stunden - und dann kommt noch das Schlusslektorat. Wenn bereits eine gute Übersetzung vorliegt, bekommt ein gutes Drehbuch durch eine geübte Autorin den 'letzten Schliff'. Am Ende liest es sich so, als hätte es eine deutsche Autorin/ein deutscher Autor verfasst.
In meinem Fall dreht es sich um das Buch eines Nachwuchsautors, der als "französischer Ken Loach" gehandelt wird. Ich hatte früher für ihn schon einige Tage als Journalistin recherchiert, denn sein neuer Film soll in Berlin spielen und auch hier gedreht werden. Es geht um Lothar, einen in die Jahre gekommenen Berufsschullehrer und seine Alltagsprobleme, die auch mit der Berliner Wirtschaftskrise und der Globalisierung zusammenhängen.
Ein Teil des Films spielt in Neukölln, in Rudow, ein anderer in Kreuzberg, an einer Oberschule. Wenn es soweit ist, werde ich als Beraterin dabei sein und vielleicht eine Reportage über das Ganze drehen. Ich freue mich schon drauf.
Dienstag, 1. Mai 2007
Raus zum revolutionären ersten Mai!
... lauteten einst die Parolen. Heute gemahnt das bunte Treiben auf den Straßen Kreuzbergs und Nord-Neuköllns an Folklore.
Wir schreiben den ersten Mai - und seit zwanzig Jahren treffen hier die Spontis mit den Polizisten zu Raufereien zusammen. Dafür werden extra "Westbullen" importiert, wie die Leute sich auf der Straße erzählen.
Die Sonne scheint. Viele Schaufenster sind mit Holz oder mit stoffbespanntem Etwas verrammelt, an den Straßen werden Süßigkeiten und Bier angeboten, ein Grillbräter hält neben "Steaks" auch "Deeskalationswürste" feil zum Stückpreis von zwei Euro. Familien und Schlachtenbummler promenieren am Nachmittag über die Chaussee. Wenn im schwäbischen Vaihingen der "Maientag" eingeläutet wird mit Volkstanz, Gesang und Rummel, herrscht auch keine andere Stimmung.
In den Nebenstraße überall Parkverbotsschilder. Reihenweise Mannschaftswagen der Polizei. Drinnen wartet der grüngekleidete Nachwuchs auf ihre schwarzgekleideten Altersgenossen.
Halb fünf kommt die große "revolutionäre Erste-Mai-Demo" am Haus vorbei. Zweitausend Marschierer, mindestens die doppelte Anzahl Grüne. Eine Stunde später die, so der Wirt vom Eck, Internationalisten-Schwulen-Lesben und-vegane-Kommunisten-Demo. Achtzig Leute, zweihundert von der Polizei, damit die Sache überhaupt aus der Masse der Sonnenspaziergänger heraussticht.
In den Kneipen sitzen die Leute und stärken sich. Zum Beispiel im "Spätzles Express" an der Wiener. Ein Vater, Piercing an der Nase, kräftiger Körperbau, Freizeitkleidung, erklärt Sohnemann die Bullerei auf der andren Straßenseite. Sohn ist maximal vier. "Schau, da drüben, wieder eine Ladung Bullen, die gehn bei der Feuerwehr pinkeln, stell'n ne Stange Wasser ab, fassen nach. Früher hießen die Mannschaftswagen "Wannen", so heißen sie aber heute nicht mehr. Und früher haben wir uns da immer gekloppt am ersten Mai."
Am Tisch zwei andre in Freizeitkleidung, kurze Haare, braungebrannt. "Wir sind auch von dem Verein", sagen die zwei, die wirklich eher wie Touris aussehen. Ein kurzes Moment des Schweigens tritt ein. "Naja", sagt Daddy zum Sohne, "die hier waren auch dabei! Und heute?" - "Heute haben wir frei!", sagen sie und haben zumindest mich, die ich am Nebentisch sitze und so tu', als läse ich, nicht überzeugt.
"Eigentlich können wir dankbar sein, dass es die Polizei gibt, also euch, sonst hätten sich hier etliche schon längst die Birne eingeschlagen!", sagt Daddy. "Ich bin jetzt Vater von vier Kindern, da wird man zum Spießer. Zum Bespiel meine Große, die will mit 15 zu ihrem Onkel nach Afrika reisen, ganz allein, nächsten Sommer, der Onkel leitet da ein Hostel. Sie jobbt neben der Schule und hat das Geld fast zusammen. Was willste da?, hab ich sie gefragt. Der Kontinent und die afrikanischen Männer, hat se jeantwortet. Wat weeß det Mädel schon von de Männer. Ja, soll ich jetzt meine fünfzehnjähriges Blondchen allein verreisen lassen, mit ihren Hormontitten ist die doch für die Schwarzen ein gefundenes Fressen? Und da Drüben gibt's keene Bullen die uffpassen." sagt da der Ex-Anarcho. Und die Vertreter der Staatsmacht pflichten ihm bei.
Derweil draußen die Jungs mit den Piratenkopftüchern ihre Käsespätzle futtern, während am andern Ende der gleichen Partybank von der Gruppe der Feuerwehr-Klogänger drei Polizisten in Uniform Platz genommen haben und auf ihre Spinatspätzle warten. Grün!
Später, als ich auf dem Nachhauseweg bin, erzählt mir der Wirt aus der Eckkneipe von den Zivilpolizisten, die massenhaft im Kiez rumlaufen sollen. "Gebügelter Parka, aber Tätowierung bis zum Hals, sehen cool aus, du erkennst sie sofort daran, dass sie fit sind und einen klaren Blick haben. Die sind noch von der WM übrig, die Einheit hat man jetzt für besondere Einsätze."
Und für den Abend ist die ganz große Maidemo angekündigt - zwanzig Jahre Bambule in Kreuzberg, in Erinnerung an den Tag 1987, als am Görli der Bolle brannte. "Damals sind die Bullen richtig ausgerastet und mit 120 Sachen auf Menschenmengen losgefahren. Da haben dann auch Rentner Steine geschmissen, echte Bürgerkriegsatmo", sagt der Wirt, und geht noch rasch das Auto umparken.
Im schwäbischen Vaihigen wird auch Jahr für Jahr der Flößertanz neu inszeniert. "'s isch Maiedag!" Nun denn.
Wir schreiben den ersten Mai - und seit zwanzig Jahren treffen hier die Spontis mit den Polizisten zu Raufereien zusammen. Dafür werden extra "Westbullen" importiert, wie die Leute sich auf der Straße erzählen.
Die Sonne scheint. Viele Schaufenster sind mit Holz oder mit stoffbespanntem Etwas verrammelt, an den Straßen werden Süßigkeiten und Bier angeboten, ein Grillbräter hält neben "Steaks" auch "Deeskalationswürste" feil zum Stückpreis von zwei Euro. Familien und Schlachtenbummler promenieren am Nachmittag über die Chaussee. Wenn im schwäbischen Vaihingen der "Maientag" eingeläutet wird mit Volkstanz, Gesang und Rummel, herrscht auch keine andere Stimmung.
In den Nebenstraße überall Parkverbotsschilder. Reihenweise Mannschaftswagen der Polizei. Drinnen wartet der grüngekleidete Nachwuchs auf ihre schwarzgekleideten Altersgenossen.
Halb fünf kommt die große "revolutionäre Erste-Mai-Demo" am Haus vorbei. Zweitausend Marschierer, mindestens die doppelte Anzahl Grüne. Eine Stunde später die, so der Wirt vom Eck, Internationalisten-Schwulen-Lesben und-vegane-Kommunisten-Demo. Achtzig Leute, zweihundert von der Polizei, damit die Sache überhaupt aus der Masse der Sonnenspaziergänger heraussticht.
In den Kneipen sitzen die Leute und stärken sich. Zum Beispiel im "Spätzles Express" an der Wiener. Ein Vater, Piercing an der Nase, kräftiger Körperbau, Freizeitkleidung, erklärt Sohnemann die Bullerei auf der andren Straßenseite. Sohn ist maximal vier. "Schau, da drüben, wieder eine Ladung Bullen, die gehn bei der Feuerwehr pinkeln, stell'n ne Stange Wasser ab, fassen nach. Früher hießen die Mannschaftswagen "Wannen", so heißen sie aber heute nicht mehr. Und früher haben wir uns da immer gekloppt am ersten Mai."
Am Tisch zwei andre in Freizeitkleidung, kurze Haare, braungebrannt. "Wir sind auch von dem Verein", sagen die zwei, die wirklich eher wie Touris aussehen. Ein kurzes Moment des Schweigens tritt ein. "Naja", sagt Daddy zum Sohne, "die hier waren auch dabei! Und heute?" - "Heute haben wir frei!", sagen sie und haben zumindest mich, die ich am Nebentisch sitze und so tu', als läse ich, nicht überzeugt.
"Eigentlich können wir dankbar sein, dass es die Polizei gibt, also euch, sonst hätten sich hier etliche schon längst die Birne eingeschlagen!", sagt Daddy. "Ich bin jetzt Vater von vier Kindern, da wird man zum Spießer. Zum Bespiel meine Große, die will mit 15 zu ihrem Onkel nach Afrika reisen, ganz allein, nächsten Sommer, der Onkel leitet da ein Hostel. Sie jobbt neben der Schule und hat das Geld fast zusammen. Was willste da?, hab ich sie gefragt. Der Kontinent und die afrikanischen Männer, hat se jeantwortet. Wat weeß det Mädel schon von de Männer. Ja, soll ich jetzt meine fünfzehnjähriges Blondchen allein verreisen lassen, mit ihren Hormontitten ist die doch für die Schwarzen ein gefundenes Fressen? Und da Drüben gibt's keene Bullen die uffpassen." sagt da der Ex-Anarcho. Und die Vertreter der Staatsmacht pflichten ihm bei.
Derweil draußen die Jungs mit den Piratenkopftüchern ihre Käsespätzle futtern, während am andern Ende der gleichen Partybank von der Gruppe der Feuerwehr-Klogänger drei Polizisten in Uniform Platz genommen haben und auf ihre Spinatspätzle warten. Grün!
Später, als ich auf dem Nachhauseweg bin, erzählt mir der Wirt aus der Eckkneipe von den Zivilpolizisten, die massenhaft im Kiez rumlaufen sollen. "Gebügelter Parka, aber Tätowierung bis zum Hals, sehen cool aus, du erkennst sie sofort daran, dass sie fit sind und einen klaren Blick haben. Die sind noch von der WM übrig, die Einheit hat man jetzt für besondere Einsätze."
Und für den Abend ist die ganz große Maidemo angekündigt - zwanzig Jahre Bambule in Kreuzberg, in Erinnerung an den Tag 1987, als am Görli der Bolle brannte. "Damals sind die Bullen richtig ausgerastet und mit 120 Sachen auf Menschenmengen losgefahren. Da haben dann auch Rentner Steine geschmissen, echte Bürgerkriegsatmo", sagt der Wirt, und geht noch rasch das Auto umparken.
Im schwäbischen Vaihigen wird auch Jahr für Jahr der Flößertanz neu inszeniert. "'s isch Maiedag!" Nun denn.
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