Nein, kein Foto, die ganze Pracht schafft meine kleine Kamera nicht. Unser Haus ist idyllisch am Ufer des Maybachs gelegen (nee, Landwehrkanal!), seine Fassade hat eine schöne, frische Farbe und anmutigen Zierrat. Das Haus ist ein Altbau und fast das schönste Gebäude hier am Ufer.
Das erste Mal zog ich 1990 in die Nachbarschaft, für die Dauer eines Sommers. Damals recherchierte ich in Archiven der DEFA für ein später verworfenes Promotionsprojekt. Verworfen, das klingt so lax, ich fand damals in der Nachwendezeit die Arbeitswelt einfach spannender, so dass ich nicht mehr zum Beenden der Dissertation kam.
Dann kam ich vor genau 10 Jahren hierher - und habe den Ort als Stätte des Arbeitens erlebt. In unserem Haus wurden Filme konzipiert, Filmmusik geschrieben (und gespielt!), Artikel und Diplomarbeiten geschrieben, ein Medienhaus mit Wohnungen, Büros und Arbeitszimmern. Das war schon witzig: Auf dem Weg zum Fahrradständer winkte immer der Plastik-Oscar von der Glotze unseres Filmmusikkomponisten im Erdgeschoss, der sein Arbeitszimmer "das U-Boot" getauft hatte, weniger wegen des Films als angesichts eklatanten Lichtmangels seiner Bürowohnung.
Und es ist ein Haus mit Vorgeschichte. Einmal, ich war gerade im Auftrag von X-Filme Köln tätig, telefonierte ich mit dem dortigen Herstellungsleiter. Als der meine Adresse erfragte, fragte er knapp: "Welcher Stock?" Er hatte hier auch einige Jahre zugebracht.
Seit etwas mehr als einem Jahr bin ich zurück - und entdecke das Haus auch als elegante Wohnadresse. Was vor allem an der Gegend liegt, die sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Dafür sind viele der alten Nachbarn weitergezogen. Und es gibt neue Nachbarn, und etliche sind wieder aus den Medien.
Mittwoch, 28. Februar 2007
Freitag, 23. Februar 2007
Ein Bild
Ich komme mit dem Rad vom Wochenmarkt. An der Kreuzung zur Hobrechtstraße nimmt mir ein niegelnagelneuer Mercedes die Vorfahrt. Ich ärgere mich, suche Augenkontakt zum Fahrer, stutze. Es ist eine Fahrerin - und außer den Augen sehe ich von ihr nur einen schwarzen Schleier. Und die Hände auf dem Lenkrad - an einer blitzt ein teurer Ring. Auf dem Beifahrersitz ein Mann mit dunklen Haaren. Die Frau spricht, gestikuliert, er hört zu. Ihre Körpersprache ist die einer Chefin. Als ich irrtiert dem Auto hinterhersehe, fällt mir eine sehr dezent neben das Kennzeichen geklebte Form auf: Sylt, die Insel der Reichen und Mächtigen.
Das Bild ist mehrfach ungewohnt, und ich weiß: In anderen Ländern wäre es das nicht.
Wobei mich auch anderswo diese Art der Verschleierung stören würde.
Das Bild ist mehrfach ungewohnt, und ich weiß: In anderen Ländern wäre es das nicht.
Wobei mich auch anderswo diese Art der Verschleierung stören würde.
Mittwoch, 21. Februar 2007
Goldenes Licht am Ufer
Buchläden
An der Grenze von Neukölln zu Kreuzberg gibt es nur wenig Buchläden. Nehmen wir den Kottbusser Damm: Da hat etwa zum Jahreswechsel ein Buchladen dichtgemacht, Wohtat's wohlfeile Bücher. Der Filialist war an der Kottbusser Brücke auf der Kreuzberger Seite. Näher dran am Herrmannplatz, in der Hausnummer 28, wurde im Januar der der zweite Buchladen geschlossen, ein Einzelhandelsgeschäft. Jetzt bleibt nur noch etwa auf der Mitte und auf der Neuköllner Seite ein türkischer Buchladen, der religiöse Werke führt.
Ohnehin haben die meisten Leser zu viele Bücher zuhause. Letztens schrieb mir eine Freundin, lud zu ihrem 36. Geburtstag ein, kündigte opulent das Mahl an, Kaffee und Kuchen und Diner, erbat sich von den Gästen zum Abend etwas Trinkbares, und dann kam der Satz: "Bitte schenkt mir keine Bücher, ich muss sonst anbauen."
Dennoch, ich hab mir gerade vier weitere Regalmeter zugelegt, auch für auf der Berlinale erhaltenen Bücher. Und ich schwöre, Amazon jetzt nur noch als Suchmaschine zu verwenden und dann beim Einzelhändler zu bestellen, ehrlich! Spart Porto, bringt Beratung.
Und noch ein Lieblingsbuchladentipp: Antiquariat am Hermannplatz, Hobrechtstraße 14, D - 12047 Berlin, 030 / 6246827, antiquar.hermannplatz.berlin@t-online.de, Deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Erstausgaben, Illustrierte Bücher, Kunst, Kinderbücher.
Aus meinem Bücherschrank, leider haben einige Buchrücken beim letzten Umzug gelitten ...
Ohnehin haben die meisten Leser zu viele Bücher zuhause. Letztens schrieb mir eine Freundin, lud zu ihrem 36. Geburtstag ein, kündigte opulent das Mahl an, Kaffee und Kuchen und Diner, erbat sich von den Gästen zum Abend etwas Trinkbares, und dann kam der Satz: "Bitte schenkt mir keine Bücher, ich muss sonst anbauen."
Dennoch, ich hab mir gerade vier weitere Regalmeter zugelegt, auch für auf der Berlinale erhaltenen Bücher. Und ich schwöre, Amazon jetzt nur noch als Suchmaschine zu verwenden und dann beim Einzelhändler zu bestellen, ehrlich! Spart Porto, bringt Beratung.
Und noch ein Lieblingsbuchladentipp: Antiquariat am Hermannplatz, Hobrechtstraße 14, D - 12047 Berlin, 030 / 6246827, antiquar.hermannplatz.berlin@t-online.de, Deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Erstausgaben, Illustrierte Bücher, Kunst, Kinderbücher.
Aus meinem Bücherschrank, leider haben einige Buchrücken beim letzten Umzug gelitten ...
Dienstag, 13. Februar 2007
aus dem bauch der berlinale
unredigiert - zum thema schreib ich demnächst einen artikel
dieses jahr bin ich erstmals als dolmetscherin auch für den wettbewerb dabei. ich hab eine akkreditierung mit rotem streifen drauf und komme überall rein. das ist die gute nachricht, denn morgens schaffe ich es nie, mich für karten anzustellen. geht ein dolmetschereinsatz bis gegen mitternacht, schlafe ich kaum vor drei, das adrenalin ...
indes, vom ganzen spektaktel bekomm ich nur am rande mit. menschen und filme dolmetschen, etliche stunden täglich, oft bis zu drei stunden am stück, das schlaucht. der höhepunkt war fraglos sonntag: zwei stunden film simultan ins französische, die journalisten bekommen meinen ton auf die kopfhörer, dann pressekonferenz, am abend galavorführung. im anschluss daran noch zwei filmgespräche mit dem publikum (für die sektion forum) von je 30-50 minuten, tutti quanti sechskommafünf stunden dolmetschen - und zwar ohne ablösung wie sonst in dolmetscherkabinen üblich und wie in den letzten zwei jahren gründlich (wieder) eingeübt, wo wir sonst zu zweit sind und die einzelne immer nur 20/30 minuten am stück arbeitet. das darf man gar nicht laut sagen, die gewerkschaften stünden kopf! an den anderen tagen habe ich das programm wettbewerb bzw. forum immer abwechselnd und gelegentlich dolmetsche ich für radio eins, dazu eine anfrage von france culture. plus zwei, drei produzenten mit kollegengesprächen, aber nur noch gaaaanz selten.
es ist bislang meine einsamste berlinale ever, weil ich zu fast keinen empfängen gehe, obwohl ich zum ersten mal leicht an die begehrten karten rankomme: abends kabine oder kino, morgens küchen- oder kaffeehaustisch zum vorbereiten der einsätze. für die netten, mehr oder weniger spontan anberaumten oder kommunizierten off-parties bin ich auch nicht mehr an den richtigen stellen unterwegs. da ich nicht auf dem markt rumhänge, sondern nur selten dort zu einem termin aufschlage, steckt mir niemand einladungen zu; der stimme wegen soll ich mir's eh verkneifen, mein mädchenalt wandert ohnehin langsam in zarah leander-bassregionen ab.
zeit für schminken oder die feine abendgarderobe bleibt also auch (fast) nicht. ich finde, ich sehe schneller als sonst müde aus, nämlich schon ab dem dritten tag, und fühl mich auch so, trotz regelmäßiger sechs stunden schlaf, die übliche berlinale-menge.
das größte problem meines tagesablaufs ist aber das: im zentrum der berlinale am potsdamer platz gibt es keinen einen ruhigen fleck zum batterienaufladen, oder aber ich kenne ihn nicht. von dreharbeiten her kenne ich den stress, vor allem bei fiktionalem, wo oft auch die wetterverhältnisse auch noch energie rauben. anders als hier gibt's dann viel team um einen herum, das einen auch pampert, dazu ruheräume, der weg zum nächsten stück obst ist kurz, hier ist alles aufwändig, jede(r) auf sich selbst gestellt - alle, außer die filmschaffenden der hauptsektionen natürlich, und die haben ja nochmal einen ganz anderen stress.
was auch anstrengt: ich muss meinen berufsethos umbauen. die dolmetscherabteilung der berlinale hat ganz andere prioritäten als wir filmleute. für aus filmkunst und -wissenschaft kommende ist es wichtig, den film zu kennen und sich gut vorzubereiten, um stimmungen und nuancen zu treffen, denn filmdialoge sind ja einst auch langsam geschnitzt, geschliffen und poliert worden. bei der "großen" dolmetscherabteilung dagegen sind mitunter knapp terminierte einsätze der alltag und es gibt kein video/dvd zur vorbereitung - dialogliste (continuité dialoguée) oder die liste der untertitel sind die einzigen unterlagen, die wir neben dem katalogtext erhalten. schon intressant, die schnittmenge der vorstellungen und ansprüche beider seiten selbst zu verkörpern und mit allen fasern zu fühlen, woher die missverständnisse und das unwohlsein auf beiden seiten kommen, die immer wieder unter den teppich gekehrt und mit berufsethos oder auch gelegentlicher selbstüberschätzung zugekleistert werden (wie gesagt, von beiden seiten, das hier ist kein urteil. es wird schwer werden, wenn ich nach der berlinale vorsichtig versuchen werde, meine beobachtungen jenen mitzuteilen, die's angeht).
in der arbeit schlag ich mich wacker, wobei ich natürlich sehe, dass die erfahrung nutzt und ebenso, welchen stellenwert vorbereitung hat, die ich einmal sehr gründlich machen konnte, weil es im vorfeld schon eine aufführung ohne dolmetscher gab, da war ich synchron und sehr nuanciert - während ich ein anderes mal nur wenig zeit zum einlesen hatte und keine fürs üben am objekt. da muss ich dann in der vorführung kürzen und hoffen, das sprachniveau ad hoc zu erwischen. noch ein problem: die textlisten liefern keine angaben über die jeweilige situation, in der sich die filmfiguren befinden, es ist nicht möglich, die repliken aus der untertitellisten den sprechern zuzuordnen, außerdem sind untertitel ja auch schon résumés und vieles erschließt sich nur durch das bild. je kontext kann ein- und derselbe satz sehr unterschiedliche dinge bedeuten. ich rätsele also an den möglichen varianten rum, notiere sie mir voher, entscheide dann de visu. eine unnötige erschwernis, wie mir scheint, die der qualität wie gesagt nicht zuträglich ist. es strengt an, sein können nicht uneingeschränkt zeigen zu dürfen.
in der kabine überkommt mich manchmal die erkenntnis dessen, was ich mache. aber das schiebe ich immer gleich wieder weg, ansonsten treten drei, vier repliken später fehler auf. meine müdigkeit hat auch ihr gutes: ich hab kaum lampenfieber. aber vom den zuschauern weggesperrt zu sein ist nicht schön, das ganze wird zu abstrakt.
mir fehlen die reaktionen, mir fehlt das gelächter des publikums.
die pressekonferenzen sind nicht so anstrengend wie befürchtet. wir sind mehrere, arbeitssprachen immer deutsch, englisch und französisch, ich dolmetsche nun auch aus dem englischen ins französische, hat einer einen argen akzent oder slang, hol ich mir den ton der deutschen kabine ins ohr und alles wird eben etwas zeitversetzt übertragen.
bei französischsprachigen gästen oder journalisten bin ich für die dolmetscherkollegen, die kein französisch können, die 'tongebende' kabine, das nennt man "relais". die kollegen sind sehr nett, anfangs wurde ich bestaunt als "die neue, die vom film kommt", das war schon komisch. einen neuen spruch hab ich hier auch gleich geerntet. "I have to flitz!", sagte die englisch-kollegin, und stieb von dannen.
und im vorbeirennen seh ich aus den augenwinkeln das ganze panoptikum der festivalbesucher: die filmbeamten und die guten, die stars, die nassauer und die jungen und nicht mehr ganz so jungen talente, die auf chancen hoffen, solide handwerker hier und kollegenverdränger und manipulateure dort, dann noch die breitmaulfrösche, die stillen, die opfer und die hingebungsvollen, darunter fallen auch die servicemitarbeiter, denen viel zu wenig gedankt wird. stellvertretend für alle sei hier die klofrau aus dem grand hyatt genannt, die den unpraktischen schwarzen marmor nach jedem händewaschgang wieder polieren muss. ein akt größtmöglicher nutzlosigkeit. dennoch ist dieses damenklo, vor allem die zwei schminkplätze hinter einer halbhohen wand, dann doch der einzige ort, an dem ich ab und zu in stillen dialog mit mir treten kann, durchatmen, mich wahrnehmen. anderen scheint es ähnlich zu gehen, die plätze sind gut ausgebucht.
zurück zum casting dieses dramatischen personals, es kommt mir absurder vor denn je - ich nehme diese menschen plötzlich wie einen film wahr, das ist schon komisch. die distanz der glasscheibe, hinter der ich jetzt plötzlich als dolmetscherin immer öfter sitze, trägt sicher auch das ihre dazu bei. or je suis un peu coupée du monde, bin von der welt ein wenig abgeschnitten ... inmitten des filmfestivalorkans. ich habe sogar das gefühl, die glasscheibe auch dann noch um mich herum zu haben, wenn ich wieder "draußen" bin. dass viele kabinenkollegen mit der zeit lichtscheu werden und vor konsekutiveinsätzen an der seite von weltstars angst haben, konnte ich mir früher nie erklären - nach nur einem tag in der wettbewerbskabine versteh ich, warum.
ein freund, der mich am abend sah, sagte nach einem kabinentag: "caro, du schaust nach innen!" und nach einem tag mit publikumsgesprächen, moderation und bühne: "jetzt sind deine augen wieder groß."
now, I have to flitz ...
dieses jahr bin ich erstmals als dolmetscherin auch für den wettbewerb dabei. ich hab eine akkreditierung mit rotem streifen drauf und komme überall rein. das ist die gute nachricht, denn morgens schaffe ich es nie, mich für karten anzustellen. geht ein dolmetschereinsatz bis gegen mitternacht, schlafe ich kaum vor drei, das adrenalin ...
indes, vom ganzen spektaktel bekomm ich nur am rande mit. menschen und filme dolmetschen, etliche stunden täglich, oft bis zu drei stunden am stück, das schlaucht. der höhepunkt war fraglos sonntag: zwei stunden film simultan ins französische, die journalisten bekommen meinen ton auf die kopfhörer, dann pressekonferenz, am abend galavorführung. im anschluss daran noch zwei filmgespräche mit dem publikum (für die sektion forum) von je 30-50 minuten, tutti quanti sechskommafünf stunden dolmetschen - und zwar ohne ablösung wie sonst in dolmetscherkabinen üblich und wie in den letzten zwei jahren gründlich (wieder) eingeübt, wo wir sonst zu zweit sind und die einzelne immer nur 20/30 minuten am stück arbeitet. das darf man gar nicht laut sagen, die gewerkschaften stünden kopf! an den anderen tagen habe ich das programm wettbewerb bzw. forum immer abwechselnd und gelegentlich dolmetsche ich für radio eins, dazu eine anfrage von france culture. plus zwei, drei produzenten mit kollegengesprächen, aber nur noch gaaaanz selten.
es ist bislang meine einsamste berlinale ever, weil ich zu fast keinen empfängen gehe, obwohl ich zum ersten mal leicht an die begehrten karten rankomme: abends kabine oder kino, morgens küchen- oder kaffeehaustisch zum vorbereiten der einsätze. für die netten, mehr oder weniger spontan anberaumten oder kommunizierten off-parties bin ich auch nicht mehr an den richtigen stellen unterwegs. da ich nicht auf dem markt rumhänge, sondern nur selten dort zu einem termin aufschlage, steckt mir niemand einladungen zu; der stimme wegen soll ich mir's eh verkneifen, mein mädchenalt wandert ohnehin langsam in zarah leander-bassregionen ab.
zeit für schminken oder die feine abendgarderobe bleibt also auch (fast) nicht. ich finde, ich sehe schneller als sonst müde aus, nämlich schon ab dem dritten tag, und fühl mich auch so, trotz regelmäßiger sechs stunden schlaf, die übliche berlinale-menge.
das größte problem meines tagesablaufs ist aber das: im zentrum der berlinale am potsdamer platz gibt es keinen einen ruhigen fleck zum batterienaufladen, oder aber ich kenne ihn nicht. von dreharbeiten her kenne ich den stress, vor allem bei fiktionalem, wo oft auch die wetterverhältnisse auch noch energie rauben. anders als hier gibt's dann viel team um einen herum, das einen auch pampert, dazu ruheräume, der weg zum nächsten stück obst ist kurz, hier ist alles aufwändig, jede(r) auf sich selbst gestellt - alle, außer die filmschaffenden der hauptsektionen natürlich, und die haben ja nochmal einen ganz anderen stress.
was auch anstrengt: ich muss meinen berufsethos umbauen. die dolmetscherabteilung der berlinale hat ganz andere prioritäten als wir filmleute. für aus filmkunst und -wissenschaft kommende ist es wichtig, den film zu kennen und sich gut vorzubereiten, um stimmungen und nuancen zu treffen, denn filmdialoge sind ja einst auch langsam geschnitzt, geschliffen und poliert worden. bei der "großen" dolmetscherabteilung dagegen sind mitunter knapp terminierte einsätze der alltag und es gibt kein video/dvd zur vorbereitung - dialogliste (continuité dialoguée) oder die liste der untertitel sind die einzigen unterlagen, die wir neben dem katalogtext erhalten. schon intressant, die schnittmenge der vorstellungen und ansprüche beider seiten selbst zu verkörpern und mit allen fasern zu fühlen, woher die missverständnisse und das unwohlsein auf beiden seiten kommen, die immer wieder unter den teppich gekehrt und mit berufsethos oder auch gelegentlicher selbstüberschätzung zugekleistert werden (wie gesagt, von beiden seiten, das hier ist kein urteil. es wird schwer werden, wenn ich nach der berlinale vorsichtig versuchen werde, meine beobachtungen jenen mitzuteilen, die's angeht).
in der arbeit schlag ich mich wacker, wobei ich natürlich sehe, dass die erfahrung nutzt und ebenso, welchen stellenwert vorbereitung hat, die ich einmal sehr gründlich machen konnte, weil es im vorfeld schon eine aufführung ohne dolmetscher gab, da war ich synchron und sehr nuanciert - während ich ein anderes mal nur wenig zeit zum einlesen hatte und keine fürs üben am objekt. da muss ich dann in der vorführung kürzen und hoffen, das sprachniveau ad hoc zu erwischen. noch ein problem: die textlisten liefern keine angaben über die jeweilige situation, in der sich die filmfiguren befinden, es ist nicht möglich, die repliken aus der untertitellisten den sprechern zuzuordnen, außerdem sind untertitel ja auch schon résumés und vieles erschließt sich nur durch das bild. je kontext kann ein- und derselbe satz sehr unterschiedliche dinge bedeuten. ich rätsele also an den möglichen varianten rum, notiere sie mir voher, entscheide dann de visu. eine unnötige erschwernis, wie mir scheint, die der qualität wie gesagt nicht zuträglich ist. es strengt an, sein können nicht uneingeschränkt zeigen zu dürfen.
in der kabine überkommt mich manchmal die erkenntnis dessen, was ich mache. aber das schiebe ich immer gleich wieder weg, ansonsten treten drei, vier repliken später fehler auf. meine müdigkeit hat auch ihr gutes: ich hab kaum lampenfieber. aber vom den zuschauern weggesperrt zu sein ist nicht schön, das ganze wird zu abstrakt.
mir fehlen die reaktionen, mir fehlt das gelächter des publikums.
die pressekonferenzen sind nicht so anstrengend wie befürchtet. wir sind mehrere, arbeitssprachen immer deutsch, englisch und französisch, ich dolmetsche nun auch aus dem englischen ins französische, hat einer einen argen akzent oder slang, hol ich mir den ton der deutschen kabine ins ohr und alles wird eben etwas zeitversetzt übertragen.
bei französischsprachigen gästen oder journalisten bin ich für die dolmetscherkollegen, die kein französisch können, die 'tongebende' kabine, das nennt man "relais". die kollegen sind sehr nett, anfangs wurde ich bestaunt als "die neue, die vom film kommt", das war schon komisch. einen neuen spruch hab ich hier auch gleich geerntet. "I have to flitz!", sagte die englisch-kollegin, und stieb von dannen.
und im vorbeirennen seh ich aus den augenwinkeln das ganze panoptikum der festivalbesucher: die filmbeamten und die guten, die stars, die nassauer und die jungen und nicht mehr ganz so jungen talente, die auf chancen hoffen, solide handwerker hier und kollegenverdränger und manipulateure dort, dann noch die breitmaulfrösche, die stillen, die opfer und die hingebungsvollen, darunter fallen auch die servicemitarbeiter, denen viel zu wenig gedankt wird. stellvertretend für alle sei hier die klofrau aus dem grand hyatt genannt, die den unpraktischen schwarzen marmor nach jedem händewaschgang wieder polieren muss. ein akt größtmöglicher nutzlosigkeit. dennoch ist dieses damenklo, vor allem die zwei schminkplätze hinter einer halbhohen wand, dann doch der einzige ort, an dem ich ab und zu in stillen dialog mit mir treten kann, durchatmen, mich wahrnehmen. anderen scheint es ähnlich zu gehen, die plätze sind gut ausgebucht.
zurück zum casting dieses dramatischen personals, es kommt mir absurder vor denn je - ich nehme diese menschen plötzlich wie einen film wahr, das ist schon komisch. die distanz der glasscheibe, hinter der ich jetzt plötzlich als dolmetscherin immer öfter sitze, trägt sicher auch das ihre dazu bei. or je suis un peu coupée du monde, bin von der welt ein wenig abgeschnitten ... inmitten des filmfestivalorkans. ich habe sogar das gefühl, die glasscheibe auch dann noch um mich herum zu haben, wenn ich wieder "draußen" bin. dass viele kabinenkollegen mit der zeit lichtscheu werden und vor konsekutiveinsätzen an der seite von weltstars angst haben, konnte ich mir früher nie erklären - nach nur einem tag in der wettbewerbskabine versteh ich, warum.
ein freund, der mich am abend sah, sagte nach einem kabinentag: "caro, du schaust nach innen!" und nach einem tag mit publikumsgesprächen, moderation und bühne: "jetzt sind deine augen wieder groß."
now, I have to flitz ...
Hintergrund: Simultandolmetscher wechseln sich alle 20 bis 30 Minuten ab. Beim Dolmetschen von Filmen, einer Art Live-Synchronisation, ist das nicht der Fall: ein Dolmetscher/eine Dolmetscherin spricht während des ganzen Films alle Rollen. Um Zeit zum Atmen zu haben, wird in den schnellen Passagen leicht gekürzt.
Der Text liegt meist in der Ausgangssprache vor, als Dialog- oder Untertitelliste, aus denen der Kontext nicht hervorgeht. Daher ist es für die Qualität der Arbeit wichtig, den Film vorab zu sehen.
Für die Übertragung sind gute Vorbereitung, Ausdauer und eine geschulte Stimme vonnöten. Der Sprecher darf dabei weder der Versuchung nachgeben zu schauspielern, noch den Text zu neutral "herunterzusprechen".
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