Mittwoch, 27. September 2006

Sendepause

Aus Gründen des Gelderwerbs und der Wissenschaft bin ich zwei Wochen für Koordinierungsarbeiten und Vorträge in Süddeutschland unterwegs.
Hier geht's am 11.10. weiter.

Mails mit Themenvorschlägen erreichen mich weiterhin.

Die nächsten Reportagen:
- Sprouts & More, von Felsen und Kellern
- Was wurde aus Klötze und Schinken?
- Tangostunde bei Gabi
- Staatsmacht II: Wieviel Bürokratie darf's denn heute sein?

Dienstag, 26. September 2006

Lesetipp Hörfunk: Brotlose Künstler

Heute nur einen Lesetipp, der kein Programmtipp mehr ist, weil das Radiofeature gestern am Abend lief:

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitfragen/538632/

Download des Manuskripts rechts unter "Links zur Sendung".

Bonne journée !

C.

Sonntag, 24. September 2006

Köpfchen, Stritzel, Reibasch


Im "Dreiländereck" zwischen Neukölln, Kreuzberg und Treptow liegt die Arena am Hafen der Spree "festgezurrt" - mit Blick auf Mitte. Die Arena ist kein Schiff, sondern eine Reihe ehemaliger Industriehallen und einer der hippsten Veranstaltungsorte Berlins. Hier gibt's neben Theater, einem schwimmenden Swimmingpool (genannt 'Badeschiff') und einem Restaurantschiff den Hallentrödel, den Markt in der Halle.

Hier ist Flohmarkt noch lausig gut. Alles etwas angeranzt an den fast 60 Ständen auf 2000 Quadratmeter, dafür meist konkurrenzlos billig. Hier kann man Farbe kaufen, die noch frisch ist und nur halb so viel kostet wie in Baumarkt oder Malerbedarf, dort Telefon- und sonstige Kabel, sie liegen 70 Prozent unter dem Fachhandelspreis; alte Möbel und Elektronik lagern neben Stoffballen und Wasserkränen: hier gibt's, was anderswo Überschuss war. Und Feilschen gehört zum guten Ton.
Bei einem Möbelfritzen wühle ich mich durch zwei Schubladen voll mit alten Schlüsseln. Beim Aufarbeiten meines Bücherschranks aus den 30er Jahren war der Schlüssel abhanden gekommen, Jule ('meine' Schreinerin) machte mir vor, wie man das Schloss rausschraubt - und hier bin ich nun und teste die Dinger und mache mich mit dem entsprechenden Vokabular vertraut (Bart, Rohr, Gesenk - und das freistehende Ende vor dem Bart heißt Köpfchen, ich brauch' einen mit Köpfchen). Und ich übe mich in Geduld.Der 63. passt so einigermaßen. Den Rest wird morgen der Schlüsseldienst richten - hoffe ich. Dann habe ich noch ein kleines Schmuckkästchen aus Holz dabei, auch schlüssellos: hier ist es schon der Dritte, das ergibt eine erträgliche Quote, und der Gesamtpreis ("geben Sie, was sie möchten!") liegt bei drei Euro fürs Mitsuchen und die gute Beratung.
Kurz vor dem Gehen entdecke ich noch etwas in der letzten Ecke. Ein dunkel lasiertes Tongfäß von etwa 30 cm Durchmesser mit interessantem Muster innen, als wären es Rillen - meine neue Obstschale für die Küche.Beim Bezahlen erklärt mir die Verkäuferin, was ich da erwerbe: eine Reibesatte oder auch Reibasch genannt. Die "Oeconomische Encyclopädie" (1773 - 1858) von J. G. Krünitz schreibt dazu: "Reibesatte, Reibasch, in den Küchen, ein Asch, d. i. tiefes unten spitzig zulaufendes rundes Gefäß, etwas darin mit einer hölzernen Reibekeule klar zu reiben."

Die Rillen meines Flohmarktfundes sind also welche. Den Reibasch, den man wohl Reib-asch ausspricht, hat die alte Dame noch vor wenigen Jahren benutzt, die am Stand neben der Verkäuferin sitzt. Letztere räumt ihren Platz, einen Campingstuhl, als ich mein schwarzes Notizbuch und den Füller rauskrame ("Schon ungewöhnlich", sagt die Verkäuferin, "dass junge Leute heute den Alten zuhören!") (Danke fürs Jungeleut ;-)

Die alte Dame im geblümten Kleide, sie ist sicher schon Uroma, stellt sich als Anni Schwartz vor, mit "Tee-Zett bitte!" Und ich bekomme gleich folgendes Rezept diktiert:

Mohnstrietzel oder Mohnpielen
500 Gramm Mohn wird mehrmals gewaschen, danach mit kochendem Wasser gebrüht und, wenn dasselbe abgegossen ist, in das warme Ofenrohr gestellt. Hierauf wird der Mohn in der Reibesatte mit etwas Milch fein zerrieben, wobei sich mehrere Leute damit abwechseln müssen. Das Reiben dauert 1/2 bis 3/4 Stunde und muss manuell durchgeführt werden. Dadurch erhält der Mohn eine milchige Konsistenz. Vor maschinelle Reiben warnt Oma Anni, das wäre ja eher ein Quetschen, dadurch würde der Mohn am Ende bitter schmecken. 8 Knüppel ("so hießen diese Brötchen damals, die waren feiner als Semmeln, weil da mehr Milch drin war") oder "es geht auch dieses lange Brot aus Frankreich" werden mit heißer Milch übergossen. Das geweichte Brot vermengt man mit dem Mohn und gibt 1/2 Pfund sauber gewaschene Sultaninen und 1/2 Pfund gemahlener Mandeln hinzu. Nach Geschmack süßen, dann 2 Tage kühl stellen und durchziehen lassen. Mit Zucker und Zimt wie Pudding servieren.

Das Gericht sei original berlinisch, sagt Oma Anni. Im Internet werde ich später erfahren, dass die Schlesier das Gericht für sich verbuchen (und dazu weißen Mohn und weniger Mandeln und weniger Korinthen verwenden, das war einst teuer). Eine andere Variante, die sich noch spannender liest, beschreibt Hefeteig und Mohnteig aufeinandergeschichtet (ergänzt durch moderne Zutaten wie Zitrone, Zitronat und Rum), was dann, zur Rolle geformt, ausgebacken wird. Und um die Verwirrung komplett zu machen, steht irgendwo: "Böhmischer Mohnstriezel" als Weihnachtsgebäck, nur im Oderbruch scheint es als Sylvesterspeise verbürgt.

Wieder einmal ein Beweis dafür: Berlin war und ist eine Stadt der Zugewanderten.

Die heutige Story hat mich acht Euro gekostet für den Reibasch (was kein großer Reibach für die Damen vom Flohmarkt war) sowie die Verpflichtung, Anni Schwartz ("mit TZ") zum neuen Jahr etwas Mohnstri(e)tzel vorbeizubringen. Wenn's mehr nicht ist!

Hallentrödel in der Arena, Eichenstraße 4 (seit 1997, derzeit angeblich wieder vom Bezirksamt mit Schließung bedroht); danach zum Kaffee auf das Restaurantschiff "Hoppetosse"

Donnerstag, 21. September 2006

Herr Köhler in NK: "Mehr Geld!"

Der Bundespräsident in Neukölln: In Abendnachrichten und Kommentaren wird der Bezirk, in dem er heute einen Vortrag hält, als DER Berliner "Problemkiez" bezeichnet. In der Aula der Kepler-Oberschule - die Promis sitzen vorn, einige Schüler hinten - fordert er mehr Geld für Bildung, ein Klima des Lernens und Sprachkurse für Eltern, die kein Deutsch können.

Das ist alles sehr richtig und sehr wichtig, nur alles andere als eine Überraschung. Wer die deutschen Schulen und Hochschulen von innen kennt, weiß längst: So schlechte Bildung wie hierzulande können wir uns als Land ohne Bodenschätze nicht leisten, dafür sind wir zu arm.

Und so schlecht bezahlte Ausbilder auch nicht. Die freien Hochschullehrer, zum Teil promovierte und habilitierte Kräfte oder (aus der Berufspraxis kommende) Koriphäen in ihrem Bereich, erhalten im Jahr 2006 Honorare, die seit 4o Jahren nicht mehr erhöht worden sind: 21,40 Euro für die gehaltene Stunde, wobei sich Lehrende, die Seminare und Vorlesungen anbieten, für das gleiche Geld auch noch darauf vorbereiten dürfen.

Auch ich unterrichte ab und zu. Ich ziehe das Fahrt- und Büchergeld ab, addiere die Stunden für Vor- und Nachbereitung, das Schreiben von Gutachten, die Betreuung von Abschlussarbeiten, und am Ende dividiere ich. Ergebnis: Im Durchschnitt kostet meine Unterrichtsstunde den Staat einen Euro. Wenigsens steuerfrei ist das Ganze, wenn ich in der Semesterzeit der Gemeinschaft einen Tag in der Woche schenke. Dafür hab ich nicht mal eine Vergünstigung bei der U-Bahn oder in der Bibliothek.

Warum wir das machen, die vielen Kollegen und ich? Lehrerfahrung eröffnet Berufsaussichten, macht Spaß, ist mehr Berufung als Beruf. Und wer erstmal habilitiert ist, also 'Professor im Wartestand' ist, MUSS unterrichten, weil man ihm oder ihr sonst die Lehrbefähigung entzieht. Auf den zweiten Blick sieht das wie Nötigung aus.

Die Honorarsumme war vor 40 Jahren ganz ordentlich. Damals galt das Geld als Ankerkennung für den Aufwand, der neben einer Festanstellung betrieben wurde. Heute gibt es diese festen Stellen kaum noch.

In Berlin decken wir an etlichen Hochschulinstituten bis zu 40 % der Lehr- und Prüfungsangebote ab. Mehr Geld in diesem Sektor ist dringend geboten. Denn Neukölln ist überall, nur in unterschiedlichen Dosierungen.

Bildungstechnisch ist ganz Deutschland ein "Problemkiez".

Dienstag, 19. September 2006

(In München) Hochprozentiges

München, ein fünf-Sterne-Hotel in Hofbräuhaus-Nähe. Illustre Gäste genießen den Apéritif an der Bar, darunter eine berühmte Brillenherstellerin, die so heißt wie ihre Brillen, ein bekannter Koch, der nicht so heißt wie sein Restaurant (und überhaupt, war da nicht gerade was mit Koks?) Dazu Zeitungsschreiber, Moderatoren, Lokalprominenz - muss man nicht alle kennen. Aus Frankreich eingeladen: Der Kellermeister. An seiner Seite: Die Stadtschreiberin von Neukölln, im Kostümchen zur Dolmetscherin verkleidet. Junger Cognac als Drink mit Ginger Ale.

Die Abendgesellschaft zieht jetzt in einen der Salons des Hotels um. Heute abend wird Cognac verschiedener Altersklassen kredenzt, und immer hat er etwa 40 % Alkoholgehalt. Ältere Produkte der Marke, also Cognac im Hochpreissegment, verkauft sich zu einem hohen Prozentsatz ... nach Asien. Dass Asiaten aufgrund ihrer anderen Gene Hochprozentiges nicht so gut vertragen sollen, hält man hier für eine Zeitungsente. Im Gegenteil, die konsumierten doch recht fröhlich, und überhaupt, dort seien jetzt die reichen Leute, sagt der Kellermeister. Garnelen auf Zitronencreme mit Gemüse der Saison.

Je weiter das Diner voranschreitet, desto länger haben die Eaux de Vie, die gereichten Weindestillate, aus denen der Cognac komponiert wurde, in Holzfässern gelagert. Je höher der Anteil an jungen Eichenfässern, desto dunkler wird insgesamt die Farbe. Dazu kommen bernsteinfarbene Reflexe, sie werden mit dem Alter intensiver.
Der Marketingchef: "Wir bekommen in der Zeitschrift Soundso einen langen Artikel über unser Weingut selbst, ja, natürlich haben wir für später dann auch einige Einrückungen terminiert." Gemeint ist Werbung (quelques insertions par derrière). Und alle genießen den Zander auf Senfmousseline.

Nun kommt der Cognac aus den ältesten Eaux de vie. Er wird in einer besonders aufwändigen Schmuckflasche kredenzt, die zu gestalten weitaus länger gedauert hatte, als den Blend der Cognacmischung zu kreieren. Das sei ein Cognac für Leute, die manches links liegen ließen, weil es zu billig sei, sagt einer der Weinhändler vom Insider-Tisch: "Es gibt zwei Sorten Kunden, die einen suchen nach Qualität und diejenigen, die unsicher sind, entscheiden nur nach dem Preis: Wenn etwas zu billig ist, kaufen sie es nicht. Und von denen gibt es immer mehr." Als weiterer Kaufanreiz wird die Menge des Produktes knapp gehalten.
Wenn man das Cognacglas schwenkt, fließt die fast schon zähe Flüssigkeit langsam ins Glas zurück, auch an der Fließgeschwindigkeit erkennt man das Alter. Dabei teilen sich die Tropfen, die hinabfließen, als wären es Beine. Legs heißen sie auch auf Englisch, Tränen auf Deutsch. Oder Kirchenfenster, weil sie die Form von gotischen Fenstern beschreiben. Das Bernstein im Glas könnte auch 'akazienfarbig' genannt werden oder 'tiefes Gold'. Nougatparfait an Erdbeeren in Vanilleschaum.

Samstag, 16. September 2006

(aus dem Notizbuch) Du, ich und das Regal

Was macht die Stadtschreiberin, wenn sie nicht schreibt?
Sich einrichten und Hin- und Herübersetzen mit http://babelfish.altavista.com/tr

1. Versuch

Du kommst wie gerufen, ich muss ein Regal aufbauen.
Tu viens comme appelé, moi dois une étagère développer.
Du kommst als gerufen, mich muß ein Regal entwickeln.
Tu viens quand appelé, mois dois une étagère développer.
Du näherst wo gerufen, mich muß ein Regal auspacken.
Tu m'approches où appelé, dois une étagère déballer.
Du mich müssen Konzepte wo genannter ein Regal auspacken.
Tu moi dois déballer là plus cité des concepts une étagère.
Du mich mußt dort mehr Stadt der Konzepte auspacken ein Regal.
Tu moi dois déballer là une étagère à plus de ville des concepts.
Du mich mußt dort mehr Stadt der Konzepte auspacken ein Regal.
Tu moi dois déballer là une étagère à plus de ville des concepts.
Du mich mußt dort ein Regal auf mehr Stadt der Konzepte auspacken.

Immerhin, ein Regal aufzubauen setzt in den meisten Fällen voraus, es zuvor auszupacken ;-)


2. Versuch: in die andere Richtung

Tu tombes à pic, je dois monter une étagère.
Du Steilgräber muß ich ein Regal aufrichten.
Tu tombes raides dois redresser moi une étagère.
Du müssen steife Gräber mich korrigieren ein Regal.
Tu dois corriger des tombes rigides moi une étagère.
Du mußt starre Gräber verbessern mich ein Regal.
Tu dois améliorer rigide des tombes moi une étagère.
Du mußt starr von den Gräbern mich ein Regal verbessern.

quite fishy, babel!

(Versuche: Sommer 2005)

Donnerstag, 14. September 2006

(nichts Neues über NK) Staatsmacht I

"Ob das richtig so ist?!" tönt es laut aus dem Lautsprecher einer grünen Minna in meinem Rücken. Es ist morgens um halb eins. Ich bin gerade bei rot über die Kreuzung gefahren.

Lieber Herr Polizist,

Ihnen wird nicht entgangen sein, dass ich vorher nachgeschaut habe, ob kein Kind an der Ampel wartet, was morgens um halb eins doch eher unwahrscheinlich ist, aber ich hab mich eingehend davon überzeugt. Dabei mich auch noch einmal vergewissert, dass wirklich kein fahrendes Auto in der Nähe ist.

Vorher hatte ich an der roten Ampel in der schwarzen Nacht gewartet. (Ihren Wagen auf dem Parkplatz konnte ich im Dunkel nicht sehen.)

Wozu ist eine Ampel da? Ich denke, um den Verkehr zu regeln. Bin ich nicht der Verkehr, wenn sonst keiner unterwegs ist? Ist es dann nicht meine Ampel?
Wer ist für wen da, doch nicht der Mensch, hier also ich, als Daseinsberechtigung für die Ampel!

Außerdem kann ich als mündige Bürgerin Gefahren einschätzen. Den Zustand der Fahrbahn zu nachtschlafener Zeit konnte ich, nüchtern wie ich war, gut erkennen. Wäre ich angeschickert gewesen, ich hätte mich nicht aufs Rad gesetzt.

"Ob das richtig so ist?!" tönt es laut aus dem Lautsprecher einer grünen Minna in meinem Rücken. Wissen Sie, ob sie nicht einen Schläfer aus tiefer Erholung gerissen haben?

In Deutschland, letzte Anmerkungen, laufen die Kinder über die Straße, sobald die Ampel für sie grün anzeigt - oft ohne nach links und rechts zu sehen. Da passieren die meisten Unfälle. In Frankreich schaut man in jedem Falle. Die Ampel ist mehr ein Hilfsmittel. Ergo verunglücken dort viel weniger Menschen im Glauben, im Recht zu sein.

Kennen Sie Morgenstern? "Palmström, etwas schon an Jahren, / wird an einer Straßenbeuge / und von einem Kraftfahrzeuge / überfahren."
Hier geht's weiter:
http://www.mdzonline.de/lyrik/mor-tatsache-txt.htm

Wieder nichts Neues über Neukölln. Naja, beim nächsten Mal. Vielleicht.

Dienstag, 12. September 2006

(aus dem Notizbuch) Mademoiselle !

Ein früher Morgen in Paris. Wir drehen für Arte in der Stadt, in der ich vor 15 Jahren studiert habe. Mit Schwung betrete ich die Bäckerei, mit Elan bestelle ich die Croissants fürs Team - und mit einem "Voilà, Mademoiselle !" reicht sie mir die Bäckerin.

Dieses "Fräulein" habe ich lange nicht mehr gehört. In Frankreich ist es noch an der Tagesordnung, aber warum bin jetzt ich, der Tag hat eben begonnen, ich bin noch müde, "une mademoiselle"? - "Sie haben so viel Energie, sind so jugendlich, da kommt das Mademoiselle ganz automatisch!", erklärt sich die Dame hinterm Tresen.

Mademoiselle - das war ich bis zum Ende meines Studiums in Frankreich. Als ich nach Deutschland gegangen bin, war ich von einem Schlag auf den anderen "Frau". Das passte gut zum Alter, in dem man sich Respekt wünscht. Damals sagte in Deutschland kaum einer mehr "Fräulein". Einmal, noch im Studium, war ich zu Besuch in Berlin. Die Bibliothekarin sagte in meine Richtung: "Frau E." - und ich drehte mich um. Ich dachte, jetzt steht meine Mutter hinter mir.

Das "Mademoiselle" ist aber nicht nur ein Kompliment für jugendliche Energie. Es ist Teil der Sprache der Verführung und zeigt an, dass die betreffende Person weiblichen Geschlechts noch "zu haben" ist. In Frankreich gibt es jetzt eine Bewegung gegen das "Mademoiselle". Immer mehr Frauen empfinden es als diskriminierend, als mache erst der Ehemann aus einer Frau eine Frau. "Mademoiselle" taucht indes sogar in offiziellen Formularen auf, obwohl kein französisches Gesetz eine Unterteilung der Frauen in 'verheiratet' und 'unverheiratet' vorsieht.

In Deutschland ist das Fräulein inzwischen sogar politisch unkorrekt. Es ist fast ausgestorben. "Fräu-lein!" mit einer betonten Verlangsamung des betonten Umlauts, das ist eine Drohung, die manches kleine oder größere Mädchen hierzulande kennt. Übersetzt heißt es: "Mach' was ich sage, oder es setzt Konsequenzen!"

Mademoiselle aber finden viele noch heute charmant. Manche Französin hat aus der Familienstandsangabe einen Teil des eigenen Namens gemacht. Mademoiselle Nathalie Baye durfte ich letztens in Berlin interviewen, ich war natürlich Frau E. Sie ist etwas jünger als meine Mutter. Das Gleiche hätte mir mit Mademoiselle Jeanne Moreau passiert sein können, die noch eine Generation älter ist.
Die berühmteste Mademoiselle von allen war aber Coco Chanel, sie hieß damals nur "Mademoiselle", ganz ohne Namen.

Abends, wieder beim Bäcker, nach einem langen Arbeitstag eine Quiche: "Vous désirez autre chose, Madame?"

Sonntag, 10. September 2006

(von Neukölln nach Köln) Der Applaus war verhalten

Subjektive Beobachtungen in Schumachers Heimatstadt Kerpen

Schweigend verfolgen die Gäste auf Großleinwänden das Autorennen, im Sommerlicht des italienischen Monza drehen die Fahrer ihre Runden. Lange vor der 65. Rennminute hat die Spannung nachgelassen. Der Fernsehkommentator sagt eben: "Michael Schumacher schwitzt ganz schön", da quietschen die Reifen etwas lauter. Der Wagen von Alonso, dem Vorjahresieger, bricht aus der Bahn, mit drei Schrecksekunden Verzögerung geht ein Schrei durch die american sportsbar, als wäre er aus einem Mund. Diese Reaktion auf das Ausscheiden des Gegners wird heute in der Kerpener Bar der einzige Augenblick sein, in dem bei Schumachers Fans die Gefühle hochkochen.

Wir sind im Industriegebiet von Kerpen-Sandorf, eine halbe Autostunde von Kölns Zentrum entfernt. Hier, in Schumis Heimatort, liegt laut Prospekt "das einzigartige Kart & Event-Center". Es besteht aus Leichtbauhallen, Freifläche und, zumindest heute, einem vollen Parkplatz Die dazugehörige american sportsbar ist eine Art überdimensioniertes Reiterstübchen. Sie schwebt wie festgeklebt an der Hallendecke über der 6000 m2 großen Indoor-Bahn. Alles hier, von der Außenrennstrecke (710 Meter) über das Museum bis hin zum Restaurant ist im Privatbesitz des siebenmaligen Formel 1-Weltmeisters. Nur eine Stunde später wird der Champion nach mehr als 90 Siegen in 15 Jahren seinen Ausstieg aus dem aktiven Rennsport verkünden.

Nur ein knappes Dutzend Frauen ist unter den 150 Gästen der Bar, die mit vielen typischen Objekten der amerikanischen Massenkultur plus diversen Schumacher-Devotionalien ausgestattet ist. Das jüngste der weiblichen Wesen, Anka aus den Niederlanden, wird nächste Woche sechs. Sie findet Autorennen toll, weil sie mit ihrem Papa oft mitdarf. Was sie später mal werden will? "Mama", lautet die ernüchternde Antwort. Dann fachsimpelt sie weiter mit Daddy Erich über das Rennen, als wäre sie eine erfahrene Sportjournalistin.

Wer allerdings wie ich zum ersten Mal in seinem Leben einen solchen Wettkampf verfolgt, fragt sich, was das Spannende an der Sache ist. "Stell' Dir vor, Du fährst eines der schnellsten Autos der Welt und dann auch noch im Wettkampf", sagt Maxence, Fernsehjournalist aus Montréal. "Das bedeutet Adrenalin, Technik und Taktik pur. Das hat einen besonderen thrill."

Ja, schnell sind sie schon mit ihren 300 Stundenkilometern. Ich lerne neue Vokabeln. Wenn sie zur Strafe aussitzen müssen, wie es heißt, dürfen sie nur mit 100 Stundenkilometern durch die Kurven rasen. Kurven und Brücken nennt man Schikanen, die Fahrer halten in Boxen, wo man sie neu betankt und Reifen wechselt. Schiedsrichter sind hier die Kommissare, und wie das mit dem wenig Flügel fahren ist, hat mir leider niemand erklären können.

Irgendwann, ich habe vor lauter Neuem nicht gemerkt, wann, fährt Schumacher auf Position eins. Der thrill, von dem der Journalistenkollege aus Übersee spricht, bleibt mir weiter fremd. Kann etwas Sport genannt werden, bei dem es nur auf Reaktionsgeschwindigkeit ankommt? Beim ersten Zusehen entzieht sich mir alles Taktische an der Sache. Um mich herum schauen die Fans versonnen bis selbstvergessen auf Leinwände und Monitore. Etliche tragen rote Anzüge, als säßen sie selbst in der Höllenmaschine. Die Kellner flitzen agil durch den Raum und fragen in immer kürzer werdenden Abständen nach, ob man nicht noch etwas bestellen möchte. Neben mir hat es sich Ankas Papa Erich jetzt gemütlich gemacht, ein dunkelhaariger Mann in den Vierzigern, und erklärt mir im netten, holländischen Akzent, warum Alonsos Ausscheiden heute gut für Schumacher sei. Dessen Punktrückstand verkürze sich von zwölf auf zwei Punkte, und bei den drei Rennen, die noch ausstünden, verbesserten sich Schumis Chancen auf den achten Weltmeistertitel.
"Aber ich dachte, er will aufhören?" - "Am Ende der Saison, wenn überhaupt", sagt Erich. Noch geben sich alle nach außen zuversichtlich, hoffen, dass die Gerüchte ein Fehlalarm waren, aber der Holländer klingt so, als glaube er sich selbst nicht. Schumacher führt das Rennen weiter an.

Oder ist es die Todesgefahr, die den Sport so interessant macht? Die Arena des Rennens in Monza ist soweit nicht entfernt von den Arenen in Rom, wo es dermaleinst auch auf Leben und Tod ging. In jedem Fall geht es hier um Primärreize: Die höchste Geschwindigkeit, die größte Kraft. Eine Sache für echte Männer. "Entspannte männliche Körperhaltung" bescheinigt auch gerade der Kommentator einem der Fahrer. Gibt es eigentlich auch Rennfahrerinnen?
Selbst in der Bar, die eingerichtet ist wie ein kalifornisches diner, nichts als Primärreize: Rot sind die Barhocker und die riesigen Abluftrohre, das Kunstleder der Bänke ebenso wie die historischen Getränkeautomaten von Coca Cola. Diese Farbe, die hier alles überstrahlt, ist auch die von Ferrari, Vodafone und Marlboro, als hätte der Rennfahrer Marken und Rennstall (meist) nach der Farbe ausgesucht. Und Geld scheint auch ein Primärreiz zu sein. Um knapp 2400 € würde Michael Schumacher jede Minute reicher, rechnet Erich vor. Nein, genauso hat er es nicht gesagt. Aber ich vermag in dem Kontext das Wort ‘verdienen’ nicht zu schreiben, es sei denn so: Hier verdient einer selbst im Schlaf noch Geld.

Als das letzte Viertel des Rennens beginnt, fährt Schumacher kurz in die Box. Neben mir werden Sekunden gezählt. Das Tanken dauere um die sieben bis neun Sekunden, inklusive Ein- und Ausfahrt 25 Sekunden, erklärt der Holländer. Als der Fahrer weiterrast, jubeln alle kurz: Der Deutsche hat seine Position behauptet. Verhaltener Applaus. "Jetzt kann nur noch die Defekthexe eingreifen", sagt der Fernsehkommentator lakonisch.

Ich setze mich für ein Weilchen ans Fensterband oberhalb der Indoor-Strecke, von wo aus eine Familie ihren Teenagern beim Kurvendrehen zusieht. “Wenn Michael Schumacher jetzt aufhört, wird er öfter hier sein können”, sagt der Vater zu seinem Sohn im Grundschulalter. “Den Teufel wird er tun, dann müsste er ja in Deutschland mehr Steuern zahlen”, meint darauf die Frau. “Was sind Steuern?”, will der Junge wissen. “Geld, das man von seinem Einkommen abgibt, damit Straßen gebaut und Lehrer bezahlt werden können”, erklärt der Vater. “Ach so ... “, sagt der Filius und scheint enttäuscht.

An der Wand hängen Fotos von Schumacher als Kind. Man rätselt, wie alt er jeweils darauf war. “Die Bahn hat früher seinen Eltern gehört”, berichtet der Vater. Der Jugendtrainingsleiter wird uns das im Museum wenig später anders erzählen: Die Eltern Schumacher hätten beim Verein angeheuert, der die Bahn betrieb, der Vater als Bahnenwart, die Mutter betrieb den Kiosk. Den Verein gibt’s wohl immer noch, die Bahn am neuen Ort heißt jetzt nach Michael Schumacher. Und während wir hier oben dem deutschen Ausnahmesportler beim Siegen zusehen, halten unten wieder zwei Reisebusse mit neuen Kart-Fahrern, einer kommt sogar aus Frankreich. Sie zahlen je nach Gruppengröße für eine halbe Stunde um die 30 Euro pro Person. Die (jungen) Männer überwiegen, aber hier fahren Frauen und Mädchen, sogar eine Bahn für die ganz Kleinen gibt es. Über die Zahl der gefahrenen Stunden per annum schweigt die Direktion indes vornehm.
An der Seite eines Großelternpaares besichtigen wir das Museum, das in falschem Deutsch als “die Welt der Schumacher’s” auf dem Gelände beworben wird. Hier stehen acht Formel-1-Wagen, dort in dunkleren Boxen Fahrzeuge aus seiner Kindheit und Jugend - und dazwischen hängt das Foto von Michael Schumacher als Vierjährigem bei seiner Erstlingsfahrt auf einem von Vater S. eigenhändig motorisierten Kettkar. Im Museum kommt Ralf Schumacher praktisch nicht vor. Der Bruder steht hier nur ab und zu mit auf dem Foto. Das Plural "Schumacher's" scheint unangemessen, und das Hirn sucht nach Vorlagen in der griechischen Tragödie zum Thema großem und kleinem Bruder und Erfolg. Vielleicht kommt die spannende Geschichte ja erst noch?

Kurz nachdem wir in seine Bar zurückkehren, geht Michael Schumacher in Monza als erster durchs Ziel. Aber anders als in Italien ebbt der Applaus der Fans in Kerpen-Sandorf überraschend schnell ab. Wenig später, Schumacher steht auf dem Siegertreppchen im Theaternebel (oder qualmt Alonsos Auto etwa noch immer?), beobachtet die Fernsehkamera einen der Ferrari-Manager dabei, wie er Tränen trocknet. Als sich der Champion auf Englisch und Deutsch bei Fans und Familie für die jahrelange Treue bedankt, haben zwei Drittel der Gäste Schumachers Bar schon verlassen. Die Fernsehkommentatoren kommentieren, die Kellner räumen auf, in Italien spritzt jetzt der Rennfahrer Champagner ins Publikum.

Nicht einmal eine Stunde, nachdem Michael Schumacher sein Karriereende angekündigt hat, sitzen nur noch fünf Menschen in der american sportsbar. Ein Kellner besprüht mit blauem Fensterreinigungsmittel die Tische. Maxence, der kanadische Journalistenkollege, checkt per Handy in Kanada die offizielle Aussprache Schumachers in seinem Sendegebiet: "C'est Schumach-heure ou Schmach-air?" (Schumach-Stunde oder Schumach-Luft? Letzeres.)
Und während die kleine Anka an der Hand ihres Vaters Erich fröhlich die Treppe in Richtung Erdgeschoss hinunterhopst, drehen unten auf den Kart-Bahnen die Touristen weiter ihre Runden.

Samstag, 9. September 2006

Schreibpause wegen Drehs in Köln

Während meine Untermieterin im zurückgekehrten Sommer die Berliner Balkonblumen gießt, drehe ich in Köln fürs kanadische Fernsehen. Daher gibt es einige Tage keine Einträge.
Grüße, C.

Mittwoch, 6. September 2006

Telefonterror

Drei Mal täglich klingelt das Telefon, weil jemand bei mir Gemüse bestellen will. Auf Ausländisch. Am Anfang hielt ich es für einen Scherz. Jetzt weiß ich, dass die Firma Azam oder so ähnlich in der Sonnenallee lange meine Nummer gehabt haben muss. Oder sie hat einfach nur eine ähnliche Nummer.

Das viele Angerufenwerden und die fröhlichen Begrüßungsrufe haben mich natürlich geprägt. "Salamalek!", sage ich beim Aufheben des Telefonhörers jetzt oft automatisch, bevor ich klarstelle, dass ich hier weder Salatköpfe noch Birnen verkaufe. Oder was noch könnte der Laden sonst verkaufen? Steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter? Meine Freunde wundern sich jedenfalls schon. Sie glauben, ich sei jetzt im tiefsten Neukölln unter die Fundamentalisten gefallen und konvertierte langsam.

Letztens konnte ein Mann etwas mehr Deutsch als die Anrufer sonst. Er sagte, er habe die Telefonnummer aus der Zeitung, der Laden befinde sich gegenüber einem Plus-Filialisten im Herzen Neuköllns und dass der Geschäftsinhaber Araber sei. Ich muss also mal in der Sonnenallee vorbeischauen und dem Besitzer sagen, dass er offenbar fehlerhafte Anzeigen drucken lässt.

Eben wollte ich gerade auf Tour, vielleicht sogar in Richtung Gemüse Azam, da klingelte das Telefon wieder.

"Salmalek!" rief eine Frau in den Hörer. "Guten Tag!" entgegnete ich ausnahmsweise mal wieder. "Ja, isch Scheff spreschen!" sagte die Frau. "Nur zu!" war meine Antwort. "Ja, Scheff geben!"- die Frau. "Ist dran!" - ich.

Darauf entstand eine Pause. Die aber nicht lang währte.

"Ja, isch anrufen von die Allianz. Die Preise für Auto heruntergesinkt, für Vasicherung. Du mir Preis sagen, den zahlen, und wir machen Vergleichenrechnung, ja? Ich dranbleiben, Du Vasicherung holen!"

"Wie bitte? Können Sie das bitte wiederholen?" Und sie wiederholt alles, nur ein bisschen lauter.
Jetzt lasse ich eine Pause entstehen.

"Allianz hat Autoversicherung eine Aktion gemacht. Praktisch ist billiga geworden. Und ich sagen, Sie zahlen bei uns so viel Geld, richtige Summe, und wenn das günstig ist, dann kommen zu uns, wir alles machen, auch Kündigen von die alte Versicherung."

Ich bin sprachlos. Diese Frau redet ja noch schneller als ich, das ist wirklich nicht zu glauben!

Darauf Sie: "Was haben für ein Auto?"
Das "Isch habe gar keine Auto!" aus der Nescafé-Werbung kann ich mir gerade noch verkneifen.

Werte Allianz, wie Sie wissen, ist diese Art von Anrufen in Deutschland strafbar. Auch unter Türken, Arabern oder sonstigen Ausländern. Muttersprachler einzusetzen ist schon ganz tricky, aber die sollten wie für obenbezeichnete Fälle der Landessprache mächtig sein. Damit man ihnen eindeutig erklären kann, warum man jetzt gerne den Namen des Anrufenden und die Anschrift des Call Centers hätte.

Obwohl ... geht auch so. Offenbar waren meine Fragen unmissverständlich. Noch bevor ich der Dame einen guten Tag wünschen und "Inshallah!" sagen kann, legt die Anruferin auf.

Montag, 4. September 2006

Nachbarschaftsbewusst

"Musikstudenten SUCHEN RAUM fürs Üben und für ein nichtkommerzielles Projekt" klebt an der Schaufensterscheibe eines leeren Geschäfts. Und als Ergänzung: "Hier bzw. in der Nähe. Nachbarschaftsbewusst."

An anderen Läden prangt oft ein "ZU VERMIETEN" oder auch "ZU VERMEITIN" wie in der Sanderstraße. Hier in Neukölln, wo ein Einzelhändler nach dem anderen den Laden dichtgemacht hat, wird Fremddeutsch gesprochen.

Aber nicht nur. Kultur ist hier die Sprache der Zukunft, in den seltentensten Fällen ist es indes die Kultur der Migration. Es sind deutsche und westeuropäische Maler, Filmemacher, Musiker, Tänzer, Fotografen, Galeristen, die hier versuchen, von dem, was sie machen, zu (über)leben. Das Wort Arte povera bekommt einen neuen Sinn.

Angesichts von mehr als 220 Millionen Euro jährlich, die der Stadt Berlin allein drei Opernhäuser wert sind, stellt sich täglich die Frage nach dem Stellenwert der Kultur. Hochkultur versus Alltagskultur, die alte Debatte. Gerade Neukölln scheint in dem Zusammenhang als Reizwort im deutschen Feuilleton gut zu funktionieren.

Die Süddeutsche vom Wochenende lässt einen Schweizer Schriftsteller zur Wort kommen, Hans-Peter Kunisch, der in der Nähe lebt.
Er sieht Neukölln so: "Fast eine Steigerung des ehemaligen Ostens, kaum Eckkneipen gibt es, ein paar Supermärkte, sonst nichts. (...) Hier glaube ich manchmal gar nicht, dass ich in einer Stadt lebe."

Und weiter: "Ja, es ist, als umgebe die Menschen, woher sie auch kommen, auf den vielen Neuköllner Straßen abseits vom Herrmannplatz ein Schleier. Sie sind leiser, vorsichtiger, gehen eher gebückt. Das ist keine Einbildung, das ist so. Es beginnt gleich hinter der Brücke."

Und: "In Neukölln steht die Zeit still."

Die FAZ am Sonntag hat einen Fotografen in die Rütli-Schule geschickt und Schüler von dort modeln lassen. Das ist mir allemal lieber als diese depressive Grundstimmung, die der Schweizer ausgemacht hat.

Und nun noch die Kontaktdaten der Suchenenden: Tobias, Tel. 46787817, tueruem@freenet.de
Vielleicht haben ja Sie einen Tipp.

Freitag, 1. September 2006

Kleine Gäste zum Tee

Im Hof spielt oft ein etwa achtjähriges Mädchen mit ihrer kleinen Freundin. Wir haben uns mit der Zeit etwas kennengelernt, halten manchmal Schwätzchen miteinander.

Als ich vom Markt komme, lungern die beiden schlechtgelaunt im Hausflur rum. "Unsere Eltern sind einkaufen und wir haben Durst!" Da man in dem Haus alles hört, auch zurückkommende Eltern, lade ich die beiden auf einen Tee zu mir ein.

Der Lakritz-Minze-Tee kommt gut an. Ist ja auch was Besonderes - hier zumindest. In Frankreich ist "réglisse menthe" in jedem Monoprix zu haben. Der Tee ist von natürlicher Süße, die Kinder verlangen nach mehr.

Dazu kredenze ich holländische Bio-Waffeln mit Haselnuss. Sie knabbern vorsichtig dran rum.

Und das große Mädchen erzählt, dass sie nächstes Jahr zehn Jahre alt wird und dass sie Diana heißt. "Mein Papa hat keine Arbeit, meine Mama arbeitet in der Kneipe. Meistens ist jemand zu Hause, weil meine Schwester ja ein kleines Baby hat." - "Wie alt ist denn deine Schwester?", frage ich. "Die ist gerade 19 geworden."

Stimmen unten im Hausflur, Namen werden gerufen. Die improvisierte Teegesellschaft löst sich genauso schnell wieder auf, wie sie zusammengefunden hatte.

Diana hat ihre Waffel aufgegessen, ihre kleine Freundin legt die halbgegessene Waffel auf den Tisch und sagt: "Ich mag nicht mehr." Und fügt fast im Vorwurfston hinzu: "Das sind gar keine Süßigkeiten!"